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Lisa
Kein verwelkter Poet
Stephan Sulke siegt im Unterhaus über die Klischees
Vom 19.10.2005
Lebt der überhaupt noch? Der hat nur ein einziges bekanntes Lied gemacht ("Uschi, mach kein Quatsch"), und die anderen sind ebenso kitschig. Das ist es, was man von Stephan Sulke zu wissen glaubt.
Von Alfred Balz
Die Zeiten, als böse Kritiken Stephan Sulke noch beeindruckten, sind vorbei. Selbstironisch geht er mit seinem Bild in der Öffentlichkeit um und hat darüber sogar ein Lied geschrieben: "Verwelkter Schnulzen singender Poet, der mit müden Liedern durch die Gegend zieht". Mit dem Kitsch ist das so eine Sache. Sein schnulzigstes Lied ("Ich hab dich bloß geliebt") wurde in der Grönemeyer-Version zum Hit. Sulke hasste die rockige Begleitung, doch als die Tantiemen flossen, änderte er seine Meinung. Auch Erika Pluhar und Katja Ebstein sangen seine Lieder.
Sulke gehört auf die Bühne, denn er hat wirklich was zu sagen und tut das mit Humor und Understatement. Nach wie vor gibt es die alten Liebeslieder ("Wenn sich die ganze Welt bekämpft, warum dann wir?"), doch daneben ist vermehrt Philosophisches und Zeitkritisches zu hören. Das Lied vom alten Zimmer, das mal Kinder-, Ehe- oder Sterbezimmer war, gehört dazu. Auch der "Mann aus Russland", der aus einem anderen Kulturkreis kommt, aber die gleichen Sorgen, Nöte und Gefühle hat wie wir, ist ein Klassiker geworden.
Damit es nicht zu ernst wird, streut Sulke großzügig Humoresken und fröhliche Lieder ins Programm. "Uschi" wird zum lautstarken sowie fehlerfreien Publikumschor. In "Den einen noch" ertränkt Sulke den Liebesfrust in Alkohol - mit schwerwiegenden Folgen. Der Typ von nebenan, der nachts nicht schlafen kann, entwickelt schon früh Bindungsängste: "Jetzt will die heiraten, Kinder machen, kochen, Kleider plätten, träumt schon mal von Doppelbetten."
Der Themen sind viele. Auch die Sozialstudie gehört dazu. Für Menschen auf der Verliererstraße findet Sulke anrührende Worte. Am Ende überwiegen die ernsten, melancholischen Lieder. Stilvoll wechselt Sulke zwischen dem geliebten Flügel, der eher vernachlässigten Gitarre und dem ein Orchester ersetzenden Keyboard und singt dabei mit samtweicher Stimme in seiner unnachahmlich lässigen Art, dass man ihm die 62 Jahre kaum anmerkt.