Das Forum braucht einen neuen Chef Liebe Forumsgemeinschaft,

ich wende mich heute mit wichtigen Neuigkeiten an euch als Betreiber dieses Forums. Es fällt mir nicht leicht, diese Worte zu schreiben, aber aus persönlichen Gründe werde ich die Plattform zukünftig nicht mehr weiterführen können. Es ist mir ein Anliegen, euch darüber zu informieren und gleichzeitig nach einer Lösung zu suchen, damit das Forum weiterhin existieren kann. Spekulationen über die genauen Gründe sind unnötig, es hat überhaupt gar nichts mit dem Forum zu tun. Mehr Dementi wird es nicht geben.
Was sind die Gründe?
In den vergangenen Jahren wurde es für mich zunehmend schwierig, mich ausreichend um das Forum zu kümmern. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass meine eigenen Beiträge immer seltener geworden sind. Obwohl ich die Arbeit an diesem Forum und den Kontakt zu all unseren Besuchern stets als angenehme Erfahrung empfunden habe, sehe ich mich nun mit der Realität konfrontiert, dass ich die aktuelle Verantwortung nicht mehr tragen kann.
Wer macht weiter?
Dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass dies nicht das Ende unseres geschätzten Forums sein muss. Daher wende ich mich nun an euch alle und frage in die Runde, ob jemand bereit wäre, die Domain und das gesamte Forum zu übernehmen. Die technische Administration kann ich leider ebenfalls nicht länger gewährleisten, daher suche ich nicht nur nach einem neuen Eigentümer, sondern auch nach jemandem, der die Aufgabe der Serveradministration übernimmt.
Zeitplan und organisatorische Fragen
Mein Zeitplan sieht vor, den "Betrieb" so schnell wie möglich an einen geeigneten Nachfolger zu übergeben. Sollte sich bis zu diesem Zeitpunkt niemand finden, und falls ich keine andere Möglichkeit zur Fortführung des Forums finde, müsste ich die Abmeldung des Dienstes und der Domain wahrscheinlich im April oder Mai 2024 durchführen. Diese Entscheidung würde damit zusammenhängen, dass zu diesem Zeitpunkt die jährlich gebuchten Dienste wie Server, SSL, Domain usw. verlängert werden müssten.

Bis zu diesem möglichen Übergabetermin werde ich selbstverständlich weiterhin die laufenden Kosten (ca. 150 €/Jahr) tragen und mich darum kümmern, dass der Nachfolger sich in das Forensystem, die Dateistruktur auf dem Server sowie die Administration des Servers einarbeiten kann. Meine volle Unterstützung und Erfahrung stehen demjenigen zur Verfügung, der bereit ist, dieses Forum in die Zukunft zu führen.
Bitte meldet euch bei mir, falls ihr Interesse an einer Übernahme habt oder weitere Fragen habt. Lasst uns gemeinsam nach einer Lösung suchen, dass diese Gemeinschaft auch in Zukunft bestehen bleibt.

Ich habe HIEReinen Forenbeitrag eröffnet, der auch für Replys offen ist...

Tag 11 - In Tyrannis (Von Wand zu Wand sind es 4 Schritte)

In diesem Unterforum werden die Rezensionen und Gespräche zu den einzelnen Lieder Reinhard Meys zusammengefasst
Forumsregeln
Das Projekt "Jeden Tag ein neues Lied" startete am 01.01.2023 und wurde am 27.01.2023 beendet.

Am 01.02.2023 startete die aktuelle Aktion "Ein Lied - viele Perspektiven" und auch mit diesem Projetk habe ich mir das Ziel gesetzt, mich nach und nach mit allen Liedern von Reinhard Mey zu beschäftigen und über meine Gedanken und Erlebnisse zum jeweiligen Lied zu erzählen.

Ich lade alle ein, die eigenen Gedanken beisteuern. Die Lieder sind es wert.
Antworten

Das Lied "In Tyrannis"...

Umfrage endete am Di 17. Jan 2023, 00:00

...ist Gänsehaut pur - ein Meisterwerk
3
30%
...ist interessant, kannte ich bisher nicht
0
Keine Stimmen
...kenne ich, höre ich nicht gerne
2
20%
...ist sehr belastend, kann ich nicht durchhören
1
10%
Mir gefällt die Original Version auf deutsch am Besten
2
20%
Mir gefällt die französische Version am Besten
0
Keine Stimmen
Mir gefällt die holländische Version am Besten
0
Keine Stimmen
Mir gefallen die Cover auch
2
20%
Mir gefallen die Cover nicht
0
Keine Stimmen
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 10

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Tag 11 - In Tyrannis (Von Wand zu Wand sind es 4 Schritte)

Beitrag von migoe »

Was hat es mit dem Projekt "Jeden Tag ein neues Lied" auf sich?
Am 01.01.2023 habe ich mit das Projekt Jeden Tag ein neues Lied gestartet mit dem Vorsatz, ein Jahr lang jeden Tag ein anderes Lied von Reinhard Mey zum Thema zu machen und aus einer eigenen Perspektive zu beleuchten.

Das Prinzip ist simpel und bereits im Namen wird erklärt, was genau ich damit meine: ich werde jeden Tag in diesem Forum ein Lied des Tages posten und in Form eines Videos in den Beitrag einbauen. Die Idee dahinter ist, mich selbst mit den Liedern auseinanderzusetzen, meine Einstellung bzw. meine "Beziehung" zum jeweiligen Lied zu beschreiben UND gleichzeitig alle dazu einladen, die eigene "Geschichte zum Lied" mit den anderen Besuchern des Forums zu teilen.

Zu jedem Lied starte ich zudem eine Umfrage, die je nach Situation einen Tag oder eine Woche laufen soll und bei der alle kurz und knackig ihre Einstellung zum Lied abgeben können, ohne einen eigenen Beitrag dazu schreiben zu müssen - obwohl das natürlich auch erwünscht und geboten ist, schließlich ist das hier ein Forum ;-)
Das heutige Lied des Tages ist:
In Tyrannis - Von Wand zu Wand sind es vier Schritte

Reinhard Mey - deutsch

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Reinhard Mey - französich

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Das zweite Lied vom Album "Edition Française Vol. 2" (1972). Das Video läuft in einer Playlist des YouTube-Kanals gebjgbtl571b

Reinhard Mey - niederländisch

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Lied sieben vom Album "Er zijn dagen..." (1976). Das Video läuft in einer Playlist des YouTube-Kanals gebjgbtl571b

Harald Petry Cover

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Ein gelungenes Cover, das die Stimmung des Songs sehr gut vermittelt, aber die Betonung in der Stimme finde ich etwas übertrieben bzw. im Vergleich zu Meys Version ist das "Gefühl" zu ersichtlich, meiner Meinung nach ist die fehlende Betonung in Meys Interpretationen die Stärke des Songs, der auch dadurch die "Gebrochenheit" des Ich-Erzählers vermittelt

Roland Folio Cover - französischem

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Auf dem YouTube-Kanal von Roland Folio entdeckt und ein offensichtliches Cover, ich finde die Instrumentalisierung aber im Gegensatz zu Meys Version zu überladen. Die Gitarre allein hätte gereicht, die Streicher finde ich zu viel des Guten, aber ist sicher Geschmackssache

Grungermann Ambiete Mix

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Eine kuriose Version Teil 1 ;-) die Mey-Samples sind ab 1:34 zu hören...

Wassermann - In Tyrannis 2006

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Eine kuriose Version Teil 2 ;-)
In Tyrannis geht tief, hinterlässt einen bleibenden Eindruck und gibt Einblick in das Seelenleben eines Menschen (es ist nicht gewiss, ob Mann oder Frau) , der in einer Gefängniszelle sitzt und über sein Schicksal nachdenkt. Es wird nichts darüber gesagt, ob er oder sie sich wirklich irgendeiner Tat - geschweige denn welcher - schuldig gemacht hat, die es rechtfertigt, in einer Einzelzelle gefangen gehalten zu werden. Als "unbeteiligter Dritter" nimmt man aber schon wahr, dass diese gefangene Person offensichtlich nicht angemessen und menschenwürdig behandelt wird. Reinhard Mey beschreibt in diesem Lied eindringlich das, was Amnesty International als Beispiele für Folter oder Gefangenschaftsunterdrückung anführen. Einige der beschriebenen Praktiken, wie das Verhören ohne Anklage, das Einsperren in einer kleinen Zelle und die körperliche Misshandlung, sind typische Methoden, die von Folterknechten genutzt werden, um Menschen zu brechen und Informationen oder Geständnisse zu erzwingen. Es gibt internationale Gesetze und Verträge, die Folter und unmenschliche Behandlung verbieten, aber leider gibt es immer noch Orte auf der Welt, an denen diese Praktiken an der Tagesordnung sind.

Auf der Suche nach der Inspirationsquelle für dieses Lied bin ich in der Wikipedia fündig geworden:
Wikipedia Eintrag zu "In Tyrannis" Zitat:
Die beide Spielfilme Das Geständnis (1970) und Der Gefangene (1955), die sich mit stalinistischen Verhören beschäftigen, inspirierten Mey zu diesem Lied.
und als Quelle für diese Information wurde das TAZ-Interview mit Jan Feddersen vom 28.04.2008 mit dem TitelWaldeck war eine Sehnsucht angegeben.
Artikel nicht mehr verfügbar?
Der Artikel kann auch einzeln für 2,- € auf der TAZ-Webseite gelesen werden...mir war es das wert!
Liedermacher Reinhard Mey_ _Waldeck war Sehnsucht_ - taz.de - nur Seite 8v13.pdf
Gefoltert wird auch heute noch:
Eine Organisation, die sich die Aufdeckung und Dokumentation der Anwendung von Foltermethoden in allen Staaten der Welt (siehe Stichtag 28.05.1961 ) zur Aufgabe gemacht hat ist Amnesty International. Vor allem aber geht es darum, die Menschen, die gefoltert werden, öffentlich sichtbar zu machen um sie vor dem "vergessenwerden" zu bewahren. Damit wird ein starkes Signal an die Herrschenden UND die Unterdrückten gesendet!
WDR Stichtag zum 28.05.1961 Zitat:
Portugal, zur Zeit der Salazar-Diktatur: Zwei Studenten stoßen in einem Café in Lissabon auf die Freiheit an. Kurz darauf werden sie verhaftet und zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Der britische Rechtsanwalt Peter Benenson liest in der Londoner U-Bahn über den Vorfall in der Zeitung und ist empört. Am 28. Mai 1961 veröffentlicht er in der Zeitung "The Observer" unter dem Titel "Die vergessenen Gefangenen" seine Idee einer unparteiischen internationalen Hilfsorganisation. Benenson ruft die Leser dazu auf, von Regierungen per Brief die Freilassung politischer Gefangener zu fordern. Rund 30 ausländische Zeitungen greifen seinen Aufruf auf. Die Resonanz ist groß: Freiwillige Helfer melden sich, Spenden treffen ein.
Die Gründung von Amnesty International ist nun schon über 60 Jahre her, das Lied hat Reinhard Mey vor über 50 Jahren geschrieben und es war auch nicht das letzte Lied zu diesem Thema (Stichwort: Guantanamo Bay), aber die Menschheit hat es immer noch nicht geschafft, staatliche Folter und Terror zu beseitigen. Beispiele aus "unserer Zeit" sind:
  1. Martin Lautwein war 48 Tage in einem syrischen Geheimdienstgefängnis inhaftiert. Als erster Deutscher erstattet er Anzeige gegen Verantwortliche des Regimes. Er ist ein wichtiger Zeuge in den Ermittlungen wegen systematischer Folter... Bericht auf Tagesschau.de: Die wollen die Menschen brechen
  2. Monireh Baradaran war neun Jahre im Gefängnis in Iran. Seit 1991 lebt sie in Deutschland und erzählt in einem DW-Interview, wie Frauen im iranischen Gefängnis behandelt werden - und was die heutige Bewegung anders macht... die Deutsche Welle berichtet u.a. Nur bei Folter sind Männer und Frauen gleich
  3. Mitte November zogen russische Truppen aus Cherson ab. Die Menschen, die zurück- und am Leben geblieben sind berichteten: von Stromschlägen und Tritten, vermissten Verwandten und Schreien aus Folterkellern... Tagesschau Bericht vom 19.11.22: Ich habe jeden Tag Schreie gehört
  4. Der im Irak geborene Palästinenser Ahmad 'Amr ’Abd al-Qadir Muhammad wurde am 21. Juli 2006 in Zayouna, einem Bezirk in Bagdad, festgenommen und über ein Jahr ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Die Behörden beschuldigten ihn, Mitglied einer bewaffneten Gruppe zu sein, die Sprengstoffanschläge geplant hatte. Während seines Gerichtsverfahrens wurden wiederholt Foltervorwürfe laut. Am 17. Mai 2011 wurde er zum Tode verurteilt aufgrund eines erzwungenen "Geständnisses", welches er während des Prozesses widerrief. Die Folter entstellte ihn so sehr, dass selbst seine Mutter Schwierigkeiten hatte, ihn wiederzuerkennen als sie ihn das erst Mal nach einem Jahr im Gefängnis wiedersah... Einer von (fast unendlich) vielen Berichten, die Amnesty International auf ihrer Webseite dokumentiert hat
  5. Murat Kurnaz ist ein in Deutschland geborener und aufgewachsener türkischer Staatsbürger, der von Januar 2002 bis August 2006 ohne Anklage im Gefangenenlager der Guantanamo Bay Naval Base festgehalten wurde...Kurnaz selbst gibt an, während seiner Inhaftierung in Afghanistan und Guantanamo wiederholt gefoltert worden zu sein, unter anderem durch Schläge, erzwungenen Schlafentzug und dem Waterboarding ähnliche Praktiken...Nach Auffassung der deutschen vernehmenden Beamten war Kurnaz nie terroristisch tätig, sondern nur „zur falschen Zeit am falschen Ort“. Da die US-Stellen diese Auffassung teilten, sollen die Vereinigten Staaten kurz darauf Kurnaz’ Rückkehr nach Deutschland angeboten haben. Die deutschen Behörden hätten jedoch eine Abschiebung in die Türkei, nicht aber nach Deutschland befürwortet... Die Wikepedia informiert über diesen Fall ausführlich und Deutschland und seine Politiker ergeben kein gutes Bild
Was geht das uns hier in Deutschland an?
Ich höre manche sagen ...ähm... denken (man darf ja schließlich nichts mehr sagen! *kleinwenigsarkastisch* ): "Ja, okay, das ist ja irgendwo anders, aber: bei uns werden die Menschenrechte eingehalten!" (*handvordenMund* ... *hust* ... *vielleichtsogaretwasübertrieben* ...*hüstel*) und damit könnte die Debatte ja zu Ende sein und wir können uns wieder "Bares für Rares" oder der nächsten Mittelalter-Netflix-Serie hingeben, in der es zwar auch so grausam (oder noch schlimmer) zugeht, aber da ist ja alles Fiktion...

Nein, so einfach ist es nicht und wir können uns nicht isolieren oder so tun, als hätte wir nix damit zu tun. Die Menschen, die uns von solchen Dingen berichten, kommen als Flüchtlinge zu uns her und bringen eine Biografie mit, die auch in "Game of Thrones" passiert sein könnte, nur im Unterschied zur Serie, haben sie das alles am eigenen Leib ertragen. Diese Menschen und ihre Schicksale gehen uns alle etwas an. Wir alle sollten uns so verhalten wie Peter Benenson, der Mitbegründer von Amnesty International. Wir alle können ein Sprachrohr sein, wir alle können dafür sorgen, dass diese zu unrecht eingekerkerten, geknechteten, gefolterten, gebrochenen Menschen nicht vergessen oder übersehen werden. Das sind wir diesen Leuten schuldig, denn wenn wir es zulassen, dass so etwas HEUTE noch woanders möglich ist, dann wird es IRGENDWANN auch wieder hier in Deutschland geschehen. DAS ist für mich eine der Eindrücke, die das Lied In Tyrannis - Von Wand zu Wand sind es vier Schritte in mir hinterlässt.

Wird Unrecht irgendwann wieder "Recht" in Deutschland?
Am 13.11.22 wurde vom Aktionsbündnis #noPAG in Bayern eine Demo organisiert und durchgeführt, bei der auf die Gefahren für die Freiheits- und Grundrechte der Menschen in Bayern (hier gilt das Polizeiaufgabengesetz BayPAG) hingewiesen wird, wenn dieses Gesetz wirklich genau so weiter gültig sein soll.
Auszug aus dem Aufruf zur Demonstration Zitat:
Derzeit sitzen 12 Teilnehmer*innen an den Klimaprotesten in der Münchener Innenstadt in sogenanntem Präventivgewahrsam mit einer Dauer von einem Monat. Das Bündnis noPAG fordert die sofortige Freilassung der Inhaftierten. Wer Aktivist*innen einsperrt, beschneidet das Versammlungsrecht. In Zeiten, in denen weltweit Menschen um ihre Freiheitsrechte bangen und kämpfen müssen, darf in Bayern nicht der schleichende Abbau von Grundrechten weiter voran gehen. Seit 2017 gilt in Bayern ein in Deutschland einmaliges Polizeirecht, dass immer wieder vor allem gegen Geflüchtete und Protestierende eingesetzt wird. Die Dauer des bayerischen Präventivgewahrsams bis zu zwei Monaten ist in Deutschland einmalig, ebenso wie die häufige Anwendung gegen der Regierung unliebsame soziale Bewegungen. Selbst die von der bayerischen Staatsregierung eingesetzte PAG-Kommission hat die unverhältnismäßige Dauer des bayerischen Präventivgewahrsams kritisiert. Und bayerische Gerichte haben bereits im Zusammenhang mit den Protesten gegen die IAA die Präventivhaft von Klimaaktivist*innen aufgehoben.
Die Kritiker bemängeln vor allem, dass die im Gesetz festgelegten Bedingungen für eine Präventivhaft so allgemein und unspezifisch sind, dass es über kurz oder lang "normal" sein wird, Menschen in Haft zu nehmen und ohne Prozess wegzusperren, wenn es z.B. politisch gefordert wird. Um es klar zu sagen: Es geht hier nicht um die Abschaffung von U-Haft bei begründetem Verdacht auf schwere Straftaten! Das BayPAG ermöglicht es, einen Menschen in eine Gefängniszelle zu stecken, der von seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gebrauch macht! Dieser "Fehler" im BayPAG sollte nach Meinung der Organisatoren der Demonstration so schnell wie möglich beseitigt werden.

Wenn aus Klimaaktivisten auf einmal "Klimaterroristen" werden
Am 10.01.2023 wurde der Begriff Klimaterroristen zum Unwort des Jahres 2022 gekürt wie z.B. die Tagesschau und andere Medien berichten. Für mich persönlich ist es kein Zufall, dass dieser Begriff auch aus dem Umfeld von CSU Politikern immer wieder in Stellungnahmen verwendet wird. Das zeigt eine besorgniserregende und problematische Grundhaltung ggü. Bürgern, die sich außerhalb des eigenen Weltbilds äußern oder verhalten.
Aus der Begründung der Jury für das Unwort des Jahres Zitat:
Mit der Verwendung des stigmatisierenden Ausdrucks Klimaterroristen verschiebt sich zudem der Fokus der Debatte von den berechtigten inhaltlichen Forderungen der Gruppe hin zum Umgang mit Protestierenden (z.B. Präventivhaft). Die Forderungen der Klimaaktivist:innen, die Klimakrise durch wirksame politische Maßnahmen zu bewältigen, treten im öffentlichen Diskurs dabei ebenso in den Hintergrund wie die globale Bedrohung durch den Klimawandel. Im Vordergrund steht stattdessen die Frage nach politischen und juristischen Handlungsmöglichkeiten gegen zivilgesellschaftliche Akteur:innen. Der Ausdruck Klimaterroristen reiht sich in ein Netz weiterer Unwörter ein, die dazu dienen, die Aktivist:innen und deren Ziele zu diffamieren und in den Kontext von Gewalt und extremer Aggression zu stellen. Zu dem Netz der weiteren Unwörter zählen Klimaterrorismus, Ökoterrorismus oder Klima-RAF.
Ziemlich schräger Vergleich! Oder?
Zugegeben, es klingt merkwürdig, wenn ich hier in dem Thema zu In Tyrannis, in dem reale Folter durch physische und psychologische Grausamkeiten beschrieben werden, einen indirekten Vergleich bzw. Zusammenhang zu Verhaftung und Inhaftierung von Demonstranten in Deutschland führe. Mir geht es um die Darstellung der Problematik, dass es in einem Staat, der sich so gegenüber seinen Bürgern verhält, wie es durch das BayPAG möglich ist UND was ja bereits praktiziert wird (!), sehr wohl auch irgendwann dazu kommen kann, dass die so als "Terroristen" diffamierten Bürger irgendwann auch in einem "zivilisierten" Land "in Tyrannei" leben werden!
Was gibt es außerdem über das Lied zu berichten?
In Tyrannis besteht aus 7 Strophen, wobei jede Strophe 11 Verse aufweist, bei der der 10.Vers gedoppelt wird. Reinhard Mey nutzt als Versmaß ein alternierendes Metrum, es liegt also ein regelmäßiger Wechsel zwischen betonten und unbetonten Silben vor. Der Versfuß ist jambisch und es gibt keinen einzigen Reim in diesem Lied, was Mey bewusst einsetzt, um die Atmosphäre der beschriebenen Situation klar zu kennzeichnen. "Harmonie" wäre das letzte, was dieses Lied vermitteln könnte. Auch in diesem Beispiel zeigt sich, dass auch der junge Reinhard Mey (damals noch keine 30 Jahre alt) bereits sehr methodisch und bewusst vorgegangen ist. Das "Thema" bestimmt Metrum, Versfuß und Schema!

Nachtrag: auch wenn der Text in der Ich-Perspektive verfasst wurde, handelt es sich natürlich nicht zum eine biografische Erzählung des Künstlers. Der Ich-Erzähler dient der persönlichen Veranschaulichung der erlittenen Qualen des Protagonisten im Lied.

Die musikalische Untermalung ist zurückhaltend, die Gitarre wird als einzigem Instrument (mit Ausnahme der holländischen Version) eingesetzt, der Rhythmus bleibt durchgehend gleich, es gibt lediglich zum Ende der Strophen eine sprachliche Betonung. Die Perspektive des Ich-Erzählers nimmt die Zuhörer "mit in die Zelle", der gedoppelte Vers am Ende jeder Strophe klingt so, als könnte der Erzähler selbst seine Situation noch nicht richtig begreifen und zeigt die Erschütterung über das, was ihm gerade passiert.

Meine Wertung: rating von 5 Sternen, denn das Lied ist eines der zeitlosen Meysterwerke die, in diesem Fall leider, auch in 100 Jahren noch aktuell sein werden und GERADE DESHALB nicht in Vergessenheit geraten dürfen!

In Tyrannis - Von Wand zu Wand sind es vier Schritte wurde auf dem Album Mein achtel Lorbeerblatt im Jahr 1972 bei Interord veröffentlicht. Produzent war Walther Richter, die Arrangements machte Kai Rautenberg.
Anlässlich der Wiederveröffentlichung der Vinyl-LP im Jahr 2017 schrieb Sabine Feikert auf rocktimes.info
Sabine Feikert Rezension zu "Mein achtel Lorbeerblatt" Zitat:
"Mein achtel Lorbeerblatt" – was für ein merkwürdiger Name für ein Album. Auch wenn noch nicht der ganz große Lorbeerkranz "Über den Wolken" bzw. über des Liedermachers Haupt schwebte, hatte er durchaus schon Lorbeeren für "Der Mörder war immer der Gärtner" (auf "Ich bin aus jenem Holze") eingeheimst. Doch immer hübsch bescheiden, begnügte sich Reinhard Mey beim 1972 erschienenen Nachfolger nicht nur mit einem einzelnen Blättchen, sondern gar mit einem Achtel davon. Das Werk stieg trotz aller Bescheidenheit sogar auf Platz 1 der deutschen Charts.
Sie hat zum heutigen Lied des Tages wie ich meine passende Worte gefunden
Sabine Feikert über "In Tyrannis" Zitat:
"In Tyrannis (Von Wand zu Wand sind es vier Schritte)" beschreibt er das Eingesperrtsein und die Entwicklung dahin, irgendwas zu gestehen und zu unterschreiben, um nur wenigstens eine Decke und Suppe zu kriegen. Ein politisches Thema wird auf eine persönliche Ebene gebracht und wirkt dadurch sehr intensiv und eindringlich. Traurig genug, dass dieses Werk seit der Erscheinung nichts an Aktualität verloren hat.
Titelliste und Cover des Albums "Mein achtel Lorbeerblatt"
Cover - Mein achtel Lorbeerblatt.jpg
  1. Musikanten sind in der Stadt – 3:23
  2. Manchmal wünscht' ich – 2:57
  3. Annabelle, ach Annabelle – 4:02
  4. Alles, was ich habe – 1:57
  5. Schade, daß du gehen mußt – 4:21
  6. Die heiße Schlacht am kalten Büffet – 3:16
  7. Mein achtel Lorbeerblatt – 3:29
  8. Herbstgewitter über Dächern – 3:13
  9. In Tyrannis (Von Wand zu Wand sind es vier Schritte) – 5:31
  10. Bevor ich mit den Wölfen heule – 2:54
  11. Ich wollte immer schon ein Mannequin sein – 2:10
  12. Gute Nacht, Freunde – 2:51
Die Webseite discogs.com listet alle beteiligten Menschen an diesem Album auf und bietet zudem noch einige weitere interessante Fakten zum Aufnahmeort und der verwendeten Technik. Schön finde ich auch die Scans der Originalen LPs.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Liebe Grüße aus Rothenburg
migoe | www.liedermacher-forum.de | 2003-2024
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Heinz
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Jeden Tag ein neues Lied - Tag 11 - In Tyrannis (Von Wand zu Wand sind es 4 Schritte)

Beitrag von Heinz »

Lieber Michael,
da ich alle Lieder von Reinhard Mey schon einmal gehört habe, war dieses hier sicher auch dabei. Ich bin aber erst in den Neunzigern zu RM gestoßen und habe die alten Sachen somit alle "nachgehört". Erinnern kann ich mich an "In Tyrannis" nicht.
Ein sehr beklemmendes Lied, leider sehr aktuell und zeitlos. Deine Anmerkungen treffen es ziemlich gut. In letzter Zeit macht insbesondere noch die Türkei auf sich aufmerksam, was die Inhaftierung von offenbar unschuldigen Menschen, meist aus politisch (vorgeschobenen) Gründen, betrifft. Wenn man dann sieht, wie viele Deutsche dennoch (vollkommen abgeschottet) in solchen Ländern Urlaub machen, dann weiß man auch, wie sehr sich unsere Gesellschaft für solche Themen interessiert.
Ich bewundere alle Menschen, die sich für ihre Freiheitsrechte einsetzen und wir dürfen solche Vorkommnisse nicht, wie RM in den Kindern von Izieu so treffend formuliert "in die Geschichte einreihen".
Vielen Dank auch für die vielen interessanten Quellen. Die Scans der Original-LP-Cover finde ich auch klasse.
Gruß
Heinz

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Michael
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Jeden Tag ein neues Lied - Tag 11 - In Tyrannis (Von Wand zu Wand sind es 4 Schritte)

Beitrag von Michael »

Hallo,

"In Tyrannis" ist für mich eines der beklemmendsten Lieder von Reinhard Mey. Gerade durch die Reimlosigkeit und das Parlando wirkt es so stark. Dazu die völlige Ausweglosigkeit und Ratlosigkeit des Textes - man erfährt ja nicht mal ansatzweise, was dem Gefangenen überhaupt vorgeworfen wird. Auch das eine spezielle Art der Folter - irgendwas wird er schon gestehen und genauso kommt es ja auch am Ende. Das ganze wird in keiner Weise kommentiert sondern in seiner ganzen Grausamkeit stehen gelassen. Mit diesem Lied kann man Leute, die Reinhard Mey nur von den Hits her kennen ziemlich überraschen.

Deshalb finde ich auch die Remix-Versionen gar nicht schlecht. Sie werden dem Geist des Liedes meiner Meinung nach mehr gerecht als die "Nachsänger".

Michael
Und vielleicht gibt es morgen ja schon den Crash,
dass die Kurse und Masken fallen.
Also laßt uns freuen und träumen davon,
wie die Racheposaunen erschallen.
Franz Josef Degenhardt

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Viktor
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Tag 11 - In Tyrannis (Von Wand zu Wand sind es 4 Schritte)

Beitrag von Viktor »

Hallo zusammen,
Heinz Zitat: Mi 11. Jan 2023, 11:15
da ich alle Lieder von Reinhard Mey schon einmal gehört habe, war dieses hier sicher auch dabei. Ich bin aber erst in den Neunzigern zu RM gestoßen und habe die alten Sachen somit alle "nachgehört". Erinnern kann ich mich an "In Tyrannis" nicht.
Genau so ging es mir auch (nur dass es bei mir nicht die 90er, sondern 00er waren): Das Stück sicherlich mal angehört, aber überhaupt nicht recht aufm Schirm gehabt!

Insofern bin ich dankbar, dass hier das Spotlight darauf gerichtet wird.

- Ich bin erfreut, dass das Lied mit seinem dünnen Arrangement und (ich vermute: von Reinhard gespielter) Konzertgitarre so schlicht daherkommt. In der Phase der kitschigen Instrumentierung hätte das auch schlimmer ausgehen können.
- Mich wundert, dass das Lied offenbar so beliebt ist, dass man Coverversionen, Remix usw. findet.
- Welch Seltenheit, dass sich nichts reimt. Wisst Ihr noch andere Beispiele in Reinhards Werk? Mir kommen nur die Strophen von "Es ist doch ein friedlicher Ort" in den Sinn, aber keines, das durchgängig auf Endreime verzichtet.
- Es wird immer deutlicher, dass Reinhard damals wohl wirklich ein "ausgesprochener Fernsehnarr" war, ha.

Viele Grüße
Viktor
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Beitrag von migoe »

Lieber Viktor,
Viktor Zitat: Fr 13. Jan 2023, 12:01
Welch Seltenheit, dass sich nichts reimt.
ich stehe erst am Anfang meines Projekts und bin mir aber sicher, da wird es noch andere Stücke geben ... :weisswas:
Viktor Zitat: Fr 13. Jan 2023, 12:01
Es wird immer deutlicher, dass Reinhard damals wohl wirklich ein "ausgesprochener Fernsehnarr" war, ha.
Das hat sich vielleicht durch die 3 Kinder innerhalb eines gewissen Zeitfensters etwas geändert, aber heute ist das sicher wieder so, wie aktuelle Lieder zeigen... aber das kommt noch ;-)
Viktor Zitat: Fr 13. Jan 2023, 12:01
Das Stück sicherlich mal angehört, aber überhaupt nicht recht aufm Schirm gehabt!
So ging es mir auch. Die musikalische Anmutung hat es mir sonst immer schwer gemacht, dem Lied die Aufmerksamkeit zu schenken, die es verdient. Deshalb bin ich auch sehr froh, dieses Projekt gestartet zu haben. Ich erlebe die Lieder völlig neu und durch die heutigen Möglichkeiten, im Netz Dinge miteinander zu vergleichen und zu verbinden, ist es auch möglich, neue Perspektiven einzunehmen oder sich einem Lied/Text aus verschiedenen Blickwinkeln zu nähern.
Liebe Grüße aus Rothenburg
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