Endlich mal bei Dylan
Verfasst: Mo 22. Jun 2015, 16:00
Hi Folks,
man soll ja als an der Liedermacherei interessierter Mensch und wohl nicht nur als solcher einmal im Leben auf einem Bob Dylan-Konzert gewesen sein. Ich hab das am vergangenen Wochenende erledigen dürfen. Mit eher vorsichtiger Vorfreude, haben mir doch auch schon Leute aus dem Forum berichtet, eher enttäuscht von einem Dylan-Konzert gewesen zu sein. Mir ging das ganz und gar nicht so. Klar, der Herr fängt statt um 21 Uhr um 21:30 Uhr an, er sagt keinen Ton, stellt nicht mal die Musiker vor, er weigert sich, die Gitarre auch nur in die Hand zu nehmen und er macht keine Greatest-Hits-Show. Aber er macht eben auch keine "ich bin eine alternde Legende"-Show, sondern richtig gute Musik.
Komischerweise war die Nordmole am Mainzer Zollhafen bei weiten nicht ausverkauft, was vielleicht auch an den stolzen Preisen gelegen haben mag und so mancher regte sich auch über den verspäteten Anfang auf ("Das däd sisch dä Petter Maffay ned erlaube"). Außerdem war es kälter, als es am 20. Juni sein sollte und von den hinteren Plätzen konnte man den schwarz gekleideten Dylan nur erahnen. Nicht die allerbesten Voraussetzungen also für einen Abend, der dann aber doch denkwürdig werden sollte. Nimmt man die ganze Legende Dylan mal beiseite, das dicke Kapitel Musik (und Literatur-) Geschichte, das er geschrieben hat, dann bleibt an diesem Abend immer noch richtig gute Musik. Es war mein erstes Dylan-Konzert, ich habe also keinen Vergleich, aber ich hatte das Gefühl, dass er sehr spielfreudig war. Vor allem Nummern aus den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren gab’s zu hören, in dem für ihn in dieser Schaffensperiode typischen Blues-Country-Stil mit Latin- und Jazz-Anklängen. Kirsten und ich waren von der musikalischen Qualität absolut positiv überrascht. Klar, Dylan kann nicht so richtig gut Klavier spielen und manchmal haute die Band auch daneben, aber wer will denn Perfektion. Dylan knödelte heiser-blechern, dass es eine Freude war und bei dem einen oder anderen Lied blies er fast schon wütend Mundharmonika. Ein paar Überraschungen gab’s auch, hatte er doch sein in den vergangenen Jahren kaum verändertes Programm diesmal deutlich variiert und mit „Full moon and empty arms“ auch ein Lied aus seiner aktuellen Platte mit Sinatra-Klassikern dabei. Glaubt man dem Rezensenten der „Neuen Presse“, der etwas näher dran war, haben auch die Musiker bisweilen irritiert geguckt, als würden sie denken „was hat er denn jetzt vor“. Proben und Absprachen sind wohl nicht so sein Ding. Ein weiteres Lied, das ich nicht zuordnen konnte, stellte sich als ein Stück von Willie Nelson heraus: „Sad Songs and Waltzes“. Und zwischendurch und gegen Ende griff er dann auch noch in die alte Kiste: „To Ramona“, „A hard rain’s a-gonna fall“ und die wütende „Ballad of a thin man“. Einen weiteren Klassiker gab’s noch als Zugabe: „All along the watchtower“, das einst Jimi Hendrix berühmt gemacht hat (das Lied ihn, er das Lied, beides stimmt wohl). Dann war Schluss, ohne Verbeugung, der Meister entschwebte und hat geschafft, als Legende zu erscheinen und trotzdem auch gute Musik abzuliefern. Einen Abend später in Tübingen hat er das Programm wieder auf einigen Punkten verändert und sogar den elf-Minuten-Tampen „Desolation Row“ gesungen. Es scheint sich also zur Zeit zu lohnen, His Bobness live zu sehen.
Daher möchte ich mal eine Diskussion anregen: mich interessiert, was ist euer Bob Dylan-Erlebnis? Vielleicht gibt’s ja hier auch Leute, die mit ihm überhaupt nichts anfangen können. Oder exegetisch erfahrene Dylanologen. Und wie sind die Erfahrungen der dichtenden Kollegen mit Übertragungen? Ich hab mich bislang noch nicht getraut.
Michael
man soll ja als an der Liedermacherei interessierter Mensch und wohl nicht nur als solcher einmal im Leben auf einem Bob Dylan-Konzert gewesen sein. Ich hab das am vergangenen Wochenende erledigen dürfen. Mit eher vorsichtiger Vorfreude, haben mir doch auch schon Leute aus dem Forum berichtet, eher enttäuscht von einem Dylan-Konzert gewesen zu sein. Mir ging das ganz und gar nicht so. Klar, der Herr fängt statt um 21 Uhr um 21:30 Uhr an, er sagt keinen Ton, stellt nicht mal die Musiker vor, er weigert sich, die Gitarre auch nur in die Hand zu nehmen und er macht keine Greatest-Hits-Show. Aber er macht eben auch keine "ich bin eine alternde Legende"-Show, sondern richtig gute Musik.
Komischerweise war die Nordmole am Mainzer Zollhafen bei weiten nicht ausverkauft, was vielleicht auch an den stolzen Preisen gelegen haben mag und so mancher regte sich auch über den verspäteten Anfang auf ("Das däd sisch dä Petter Maffay ned erlaube"). Außerdem war es kälter, als es am 20. Juni sein sollte und von den hinteren Plätzen konnte man den schwarz gekleideten Dylan nur erahnen. Nicht die allerbesten Voraussetzungen also für einen Abend, der dann aber doch denkwürdig werden sollte. Nimmt man die ganze Legende Dylan mal beiseite, das dicke Kapitel Musik (und Literatur-) Geschichte, das er geschrieben hat, dann bleibt an diesem Abend immer noch richtig gute Musik. Es war mein erstes Dylan-Konzert, ich habe also keinen Vergleich, aber ich hatte das Gefühl, dass er sehr spielfreudig war. Vor allem Nummern aus den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren gab’s zu hören, in dem für ihn in dieser Schaffensperiode typischen Blues-Country-Stil mit Latin- und Jazz-Anklängen. Kirsten und ich waren von der musikalischen Qualität absolut positiv überrascht. Klar, Dylan kann nicht so richtig gut Klavier spielen und manchmal haute die Band auch daneben, aber wer will denn Perfektion. Dylan knödelte heiser-blechern, dass es eine Freude war und bei dem einen oder anderen Lied blies er fast schon wütend Mundharmonika. Ein paar Überraschungen gab’s auch, hatte er doch sein in den vergangenen Jahren kaum verändertes Programm diesmal deutlich variiert und mit „Full moon and empty arms“ auch ein Lied aus seiner aktuellen Platte mit Sinatra-Klassikern dabei. Glaubt man dem Rezensenten der „Neuen Presse“, der etwas näher dran war, haben auch die Musiker bisweilen irritiert geguckt, als würden sie denken „was hat er denn jetzt vor“. Proben und Absprachen sind wohl nicht so sein Ding. Ein weiteres Lied, das ich nicht zuordnen konnte, stellte sich als ein Stück von Willie Nelson heraus: „Sad Songs and Waltzes“. Und zwischendurch und gegen Ende griff er dann auch noch in die alte Kiste: „To Ramona“, „A hard rain’s a-gonna fall“ und die wütende „Ballad of a thin man“. Einen weiteren Klassiker gab’s noch als Zugabe: „All along the watchtower“, das einst Jimi Hendrix berühmt gemacht hat (das Lied ihn, er das Lied, beides stimmt wohl). Dann war Schluss, ohne Verbeugung, der Meister entschwebte und hat geschafft, als Legende zu erscheinen und trotzdem auch gute Musik abzuliefern. Einen Abend später in Tübingen hat er das Programm wieder auf einigen Punkten verändert und sogar den elf-Minuten-Tampen „Desolation Row“ gesungen. Es scheint sich also zur Zeit zu lohnen, His Bobness live zu sehen.
Daher möchte ich mal eine Diskussion anregen: mich interessiert, was ist euer Bob Dylan-Erlebnis? Vielleicht gibt’s ja hier auch Leute, die mit ihm überhaupt nichts anfangen können. Oder exegetisch erfahrene Dylanologen. Und wie sind die Erfahrungen der dichtenden Kollegen mit Übertragungen? Ich hab mich bislang noch nicht getraut.
Michael