Hallo, Freunde und Mey- linge !
Da liegt es nun bereits eine knappe Woche vor mir auf dem Tisch - das neue Album des Herrn M. aus B., um eine alte Stereotype einmal wieder hervorzukramen. Zeit genug also, ein paar wenige Worte darüber zu verlieren: Der erste Unterschied zu den vorherigen Mey- Alben ergab sich bereits vor dem Erscheinungstermin: Ich habe bei weitem nicht mehr so neugierig, so "aufgeregt", auf das Elaborat gewartet und kann dabei doch nicht einmal sagen, woran das liegen mag. Vielleicht stimmt es, daß man mit zunehmendem Alter ein wenig abgeklärter wird, vielleicht aber auch haben die Vorgänge rund um den Künstler und "seine" Internet- Foren doch ein wenig Nachwirkungen gezeitigt. Was es nun auch immer sei: Irgend etwas scheint anders.
Wie es so meine Art ist, wird zunächst einmal das Beiwerk gesichtet: Aha - das Inlet ist diesmal nicht auf "chlorgebleichtem Recycling- Papier" gedruckt, sondern funkelt in schönstem Hochglanzdruck. Da ich ohnehin nie viel von "Öko- Papier" gehalten habe, vermisse ich das "alte" Styling auch nicht sonderlich. Daß diese CD vernünftigerweise wieder ohne einen Kopierschutz erscheint stimmt mich dagegen froh. Nur der daneben stehende, recht sinnfreie Text über "Downloads" und "illegale Quellen" und der unsägliche Vergleich zwischen "Musik- Piraterie" (was, zum Teufel, ist das eigentlich genau ???) und "Ladendiebstahl" bringen mich ein wenig in Rage. Herr Mey scheint nach seinem Ausflug in die Niederungen der dummerhaften "copy- kills- music"- Verwirrung diesen Irrweg zwar ein wenig vornehmer, aber nichtsdestotrotz genauso intensiv fortzusetzen. Vielleicht müßte man, um das zu verstehen, selbst sog. "Kulturschaffender" sein, ärgerlich ist das Ganze dennoch allemal.
Nach diesem visuellen Vorspiel dann der Audio- Test. Und gleich beim ersten Stück "Sommer 52" macht sich der fehlende Kopierschutz unendlich angenehm bemerkbar: Kaum spürbare Kompression, dafür kristallklare Gitarren, unverzerrte Höhen, präsente Höhen und dito Bässe - Mey ist damit zu den "hohen Zeiten" seines Wirkens zurückgekehrt, als er von sich selbst als "Perfektionistem" sprach, zumindest, was den tontechnisch- audiophilen Sektor angeht.
Bei den einzelnen Titel ergeben sich dann viele Analogien zu älteren und alten Mey- Titeln, was an sich nichts Schlechtes ist, denn immerhin "klaut" der Künstler im Wesentlichen bei sich selber, was sich nach rund 40 Jahren im Business wohl nicht wirklich vermeiden läßt. Ich habe übrigens diesen Thread absichtlich vor dem Erscheinungstermin nicht verfolgt, und auch jetzt nur ganz kurz überflogen, aber ich finde es durchaus legitim, die brandneuen Stücke in Bezug zu den schon hinreichend bekannten zu setzen. Bei den folgenden "Einzelbewertungen" werde ich darauf noch eingehen.
Mir fällt auf, daß der Künstler - um es einmal salopp zu formulieren - faul geworden zu sein scheint, denn nur auf 2 der offiziell 13 (insgesamt 14) Titel begleitet er sich selbst auf seinem Leib- und Magen- Instrument (für Mathematiker: Dies entspricht einer Quote von rd. 15 %...). Dafür kommt mir der Name Nils Tuxen an der Pedal- Steel- Guitar verteufelt bekannt vor. War da nicht mal irgend etwas mit "Truck Stop" ? Und erinnert mich dies wiederum nicht an 1990 und "Farben" ? Aber egal, denn immerhin sind Gastmusiker längst bei allen Künstlern üblich, und Mey hat sich bislang nie die schlechtesten ausgewählt. Überhaupt die Musikanten: Sie bieten für mich auch auf diesem Album wirklich Best-, um nicht zu sagen Glanzleistungen, wenngleich der Tonträger eher zu den sparsam instrumentierten zu gehören scheint, was aber bei all den Pop- und Techno- Klängen ringsum eher angenehm ins Ohr geht.
Nach all diesem Vorspiel aber nun "in medias res" und damit zum Abhandeln der einzelnen Titel. Ich nehme mir dabei die Freiheit, das Werk schulmäßig zu bewerten - zumindest hinsichtlich der "Noten". Ich denke, der Hinweis darauf, daß es sich 1) um rein subjektive Wertungen handelt, die 2) auch noch stimmungsabhängig sind, ist an dieser Stelle überflüssig, oder ? Eben. Alsdann:
01) SOMMER 52
Rein thematisch (und auch musikalisch bei den ersten Akkorden…) tendiert das Stück in Richtung "Viertel nach sieben" und damit eher in die nachdenklich- melancholische Ecke, was bei einem Musiker, der rein altersmäßig auch immerhin schon auf die 70 zugeht, nicht wirklich überrascht. Im Verlauf der Melodie kommt mir irgendwie "Wenn ich betrunken bin" in den Sinn, und auch "Ich liebe das Ende der Saison" läßt ein wenig von Ferne grüßen. Dennoch: Ein nettes, kleines Stück, das mich zwar nicht traurig, aber doch ein wenig nachdenklich stimmt. Für mich
NOTE: 2-
02) DER FISCHER UND DER BOSS
Nanu, ein fast irisches Arrangement zu Beginn, im Weiteren eine sehr eingängige Melodie und ein fesselnder Text. Ein wenig erkennt man die Verbundenheit mit der Nordsee, mit dem Meer allgemein, und auch die Beschäftigung mit einer existenten sozialen Ungerechtigkeit, in der für Geld letztlich alles zu bekommen ist. Wie heißt es doch so richtig ? "Ein jeder ist käuflich - es ist letztlich nur eine Frage des Preises !" Stimmt. Mich erinnert das Opus auch ein wenig an den Film "Der Sturm". Ein sehr schönes, wenngleich noch nicht das beste Teil auf der CD. Dennoch eindeutig
NOTE: 1
03) WOTAN UND WOLF
So sehr mich der Text fasziniert, weil die Analogien zur menschlichen Existenz so klar aufscheinen, so wenig fesselt mich die Musik. Wohlverstanden: Sie ist keineswegs schlecht, erinnert stellenweise von den Harmonien und der Melodieführung gar an "Alleinflug", aber für mein Empfinden ist sie im Zusammenwirken mit diesem Text fast ein wenig fad. Wäre das Wort nicht so negativ behaftet, würde ich behaupten, daß dies Stück ein wenig über dem Durchschnitt liegt. Ich bewerte hier mit
NOTE: 3
04) BUNTER HUND
Hoppla - beim Refrain drängt sich mir spontan die Melodie von "3. Oktober ´91" von "Alles geht !" (1992) auf. Nun ja, das ist nicht wirklich schlecht, sondern auch ein Anzeichen dafür, daß der Künstler sich in musikalischer Hinsicht irgendwie treu bleibt. Ansonsten ein eher nichtssagendes Stück, auch wenn ich dem Text von der Intention her durchaus zustimmen kann. Aber als Beschreibung des Künstlers gibt es wesentlich gehaltvollere Stücke. Insofern hier "nur"
NOTE: 3 -
05) ICH BIN VERLIEBT IN MEINE SEKRETÄRIN
Ein zweischneidiges Schwert ist dieser Titel: Kennt man nämlich – anders als die meisten von uns als "Fans" - den Hintergrund nicht, könnte man meinen, hier wird eine Ehefrau zur Sekretärin degradiert oder als "Arbeitstier" definiert. Dennoch ein unterhaltsames "Fast- Liebeslied", zumal die Melodie recht lustig und munter dahingaloppiert und Erinnerungen an "An meine alte Jacke“ weckt. Ein echter "Geheimtip" ist das Werk allerdings, so meine ich, nicht unbedingt. Abermals
NOTE: 3
06) DREI KISTEN KINDHEIT
Das Thema assoziiert wieder den Vergleich mit "Viertel vor sieben" und damit auch mit dem ersten Titel. Und auch hier fliegt mich bei den ersten Akkorden eine Erinnerung an einen "alten" Titel an: "Jahreszeiten" ist es hier. Ich vermag übrigens beim Text keine "pauschale Lehrerkritik" entdecken. Ich denke, bei eigenen Negativ- Erfahrungen in Bezug auf Schule und zusätzlich bei Erfahrungen mit drei Kindern darf man kritiisieren – auch pauschal. Aber egal, es ist ein im wesentlichen schönes Stück. Es verdient die
NOTE: 2 -
07) DREI JAHRE UND EIN TAG
Und hier ist endlich DER Mey, den ich so schätze: Zeitläufe im 5- Minuten- Korsett hinreichend erklärt, zusammen mit einer wunderschönen Melodie. Für mich reiht sich dieses Stück in Zusammenhang mit so grandiosen Titeln wie "Das Foto vor mir auf dem Tisch" oder "Die Eisenbahnballade". Wenn es solche Stücke sind, die aus Mey einen "Meister der 3- Minuten- Poesie" gemacht haben, dann trägt er diesen Titel wohl durchaus zu Recht. Bei "3 Jahre…" ist alles stimmig: Der grandiose Text, eine tragende Melodie, ein sehr feiner Chor- Satz. Hach, ich gerate ins Schwärmen… Es ist einfach zu bemerken, daß der Künstler hier aus eigenem Erleben bzw. aus seinem Umfeld berichtet und dabei von Menschen oder Ereignissen, die er liebt oder die ihn beeindrucken, inspiriert wurde. Für dieses Juwel unbestritten und eindeutig
NOTE: 1 +
08) DANKE, LIEBE GUTE FEE
Okay, mit dem Text - oder besser: mit den Folgerungen daraus - gehe ich zumindest konform. Ansonsten zählt dieses Werk zu den eher Schwachen, und das nicht nur auf dieser CD. Es ist anzuhören, kein Zweifel, aber "repeat" werde ich hier sicher nicht drücken. (Um fair zu sein: "skip" allerdings sicherlich auch nicht…) Dieser Titel ist auf der CD drauf. Nicht weniger. Allerdings auch nicht mehr, insofern
NOTE: 4
09) ICH BRAUCHE EINEN SOMMELIER
Vom Titel her eher ein Trinklied, kommt das Stück in einer annehmbaren Musiklinie daher und erinnert dabei ein wenig an "Dunkler Rum". Wenn es sowas bei Mey gibt, ist dies eine Art "easy listening" auf hohem Niveau. Daß das Stück in diesem Rahmen fast "ausschweifend" instrumentiert ist, macht es umso hörenswerter.
NOTE: 2 -
10) FRIEDRICHSTRASSE
Daß Mey hier den "ollen Fritz" zu einem "Strolch" abwertet, finde ich, zumindest im geschichtlichen Kontext, bedenkenswert. Sicher, ein wirklich friedens- oder liebenswerter Mensch war er bestimmt nicht, aber aus der Rückschau ergibt sich auch, daß dieser Friedrich für seine Zeit relativ liberal war. Aber aniway: Das ist letztlich Ansichtssache. Die Melodie geriert sich eingängig, erinnert mich ein klein wenig an das "Sauwetterlied". Alles in allem ein schönes Stück Musik, sowohl textlich wie thematisch und musikalisch. Also:
NOTE: 2 -
11) KAI
Ein - leider - immer noch und immer wieder aktuelles Thema. Für mich, der die These vertritt, daß die Bundeswehr ausschließlich zur Landesverteidigung dienen darf, keine Frage: Ein wichtiges UND ein richtiges Lied, auch wenn manchmal "Pazifismus" schon zu einem Schimpfwort zu verkommen scheint. Würde man es verlangen, würde ich jedes Wort dieses Liedes und die damit verbundenen Schlußfolgerungen unverändert unterschreiben. Nur Lieder wie dieses werden es dereinst, wenn überhaupt, möglich machen, daß es derartige Lieder nicht mehr zu geben braucht. Daß die ganze Tragik der "Unbeteiligten", der Angehörigen, der Hinterbliebenen, hier so klar auf dem Tisch zu liegen scheint, macht dieses Lied umso wertvoller. Eine ganz klare
NOTE: 1
12) GROSSE SCHWESTER
Daß nach den Kindern, der Frau, der Mutter, dem Vater, den Freunden aus Kindertagen und vielen anderen irgendwann auch die Schwester liedmäßig "drankommen" würde, war eigentlich klar wie Kloßbrühe. Dieser Titel ist also letztlich nicht wirklich überraschend. Dennoch: Das Thema ist gut umgesetzt und überzeugend dargebracht. Die herrschende Geschwister- Symphathie wirkt auch auf den "außenstehenden" Hörer, und das ist genau das, was man von einer solchen Ballade erwarten darf. Für mich
NOTE: 2 -
13) SCHRADERS FILMPALAST
Mit diesem "offiziell" letzten CD- Titel scheint sich ein Bogen zu spannen und ein Kreis zu schließen. Denn genau wie bei "Sommer 52" und "Drei Kisten Kindheit" gibt es hier einen eher melancholischen Blick zurück in lang vergangene Tage. Obgleich Mey selbst einmal gesagt bzw. gesungen hat "…so sinnlos wie die Zeiger der Uhren anzuhalten und zurückzudreh´n, so sinnlos ist´s auch auf den Spuren längst vergangener Tage zu geh´n…", ist er meiner Meinung nach genau auf diesen Spuren unterwegs. Auch dies kein wirklich herausragendes, dennoch ein herrlich- melancholisches Werk, aus dem sich auch dem Hörer die entsprechenden Erinnerungen auftun. (Nebenbei: kennt noch jemand den zitierten "Dr. Pudlich" ? Genau, das war der Tierarzt aus der "Immenhof"- Trilogie der 50er Jahre…) Bevor ich aber auch die Erinnerungen überhand nehmen lasse, hier die
NOTE: 2 -
14) LE TEMPS DE CERISES
Schlagt mich, tretet mich, nehmt es mir übel, ich kann´s nicht ändern: Dieses Werk gibt mir nichts, zumal ich nicht verstehe, warum es auf der Tracklist nicht verzeichnet ist und nebenbei erst nach der knappen Hälfte der angegebenen 7 Minuten beginnt. Davon abgesehen: Ich bin kein großer Freund der französischen Sprache, was zugegebenermaßen auch daran liegen mag, daß ich sie nicht beherrsche. Und deswegen erschließt sich mir der Text auch nur auf dem Umweg über gegoogelte Übersetzungsmaschinen oder die frankophilen Liedermacher- Foristen. Die Meldodie ist eine recht schöne, aber das ist mir auf einem Mey- Album schlicht zu wenig. Ich habe mich aus den vorgenannten Gründen nie mit der Phase "Fredéric Mey" befaßt und werde es aufgrund dieses Stückes sicher auch nicht tun. Insofern, auch wenn es ungerecht erscheinen mag, leider nur die
NOTE: 5
Nun, das war´s, meine Schwärme-, aber auch meine Mäkelei. An diesem Album erinnert mich sehr vieles an vorhergehende Veröffentlichungen, aber das ist ja, wie ich zu Anfang schon sagte, nicht per se etwas Schlechtes, sondern eben auch ein Anzeichen dafür, daß ein Künstler wie Reinhard Mey sich über die Jahre trotz aller Wandlungen und Fortschritte doch auch ein wenig treu geblieben ist. Nach der "Schul- Methode" ergibt sich für das Gesamt- Werk abschließend die NOTE 2 -. Es ist also nicht der größte Wurf des Künstlers, allerdings gibt es auch einige Alben, die unter dem Niveau dieses Werks liegen. Insofern denke ich: man kann Mey gewogen bleiben, auch wenn manches im Laufe der Zeit und der Ereignisse ein wenig "weniger strahlend" wurde. Fazit: Mey ist nach wie vor DER führende Liedermacher in Deutschland, ein begnadeter Musiker und ein exzellenter Texter. Daß er mit Manni Leuchter auch noch einen faszinierenden Arrangeur, Musiker und Produzenten gefunden hat, ist ein Glücksfall, den wir "Fans" ohne Zweifel zu schätzen wissen.
Für Unentschlossene abschließend noch der Tip: Kaufen - und intensiv hören !
In diesem Sinne viele Grüße aus Ober-

von
ANDREAS.
(…der jetzt nach diesen paar Worten aufhört, damit weder der Leser noch der Schreiber weiter gequält werden - der eine beim Lesen und der andere beim Schreiben *fingerqualm*…)