
Beim Surfen hatte ich bei Klaus-André Eickhoff vorbeigeschaut, um festzustellen, ob ich 100, 200 oder mehr Kilometer fahren musste, um ihn wieder mal zu sehen – und traute meinen Augen nicht: 6. Mai, Auftritt in Pirmasens. Der CVJM feierte ausgiebig das 20-jährige Bestehen seines Jugendgästehauses und hatte Klaus-André Eickhoff eingeladen, am Samstagabend ein Konzert zu geben.
Zur Anfahrt gibt es dieses Mal kaum etwas zu erzählen, nur so viel: 10 Minuten sind ein bisschen wenig, um aus dem Alltag heraus in Konzertstimmung zu kommen. Beginn sollte um 19:30h sein, deshalb wollte ich um 19 Uhr da sein. Wie immer war ich etwas spät, und obwohl ich die Straße und das Gelände kannte, musste ich doch erst noch nach dem Eingang suchen. Es strömten keine Menschenmassen, ich strömte ganz alleine – und als ich endlich gefunden hatte, wohin ich musste, erfuhr ich, dass der Konzertbeginn um eine halbe Stunde verschoben worden war, Beginn war also um 20 Uhr.
Die Zeit nutzte ich, eine CD zu kaufen, die neueste - Schafspelz. Ja, genau, die neueste, die ich noch gar nicht kannte (die ersten drei CDs hatte ich ja schon).

Pünktlich um acht Uhr betrat jemand aus dem Organisationsteam die Bühne und versprach uns einen Abend voller Poesie. Auffallend an den Bilden zur neuen CD ist, dass Klaus-André Eickhoff ziemlich verändert aussieht, und zwar – wie macht er das bloß – jünger!! Der Moderator tippte auf eine Typ-Beratung, aber wir erfuhren dann den wirklichen Grund: Die Haare sind einfach gewachsen, auch ohne Beratung. *g* Außer dem Keyboard stand auch ein Cello auf der Bühne, denn Torsten Harder war mitgekommen, um die Lieder zu begleiten. Die beiden betraten die Bühne: Klaus-André Eickhoff, sehr schlank und mit längeren Haaren als gewohnt, im Gesicht gar nicht so rundlich wie auf den neuen Bildern – und Torsten Harder, schlank und mit wirklich langen Haaren, so etwa hüftlang.
Zum Auftakt spielten sie Premiere, auch wenn Eickhoff schon zum zweiten Mal in Pirmasens beim CVJM zu Gast war (na, sowas

Dann wurde das immer wieder beliebte Thema 'Wetter' aufgegriffen. Mit dem Titel November in a-Moll zwar nicht unbedingt jahreszeitgerecht, aber doch immer wieder schön. Es wollte auch gar nicht trist und trübe werden, und die beiden Musiker hatten sichtlich Spaß daran. Bei der Textstelle 'Gehadert hätte ich so gerne und geraunt' flog ein freundlicher Blick in Richtung Cello, weil 'Harder' ja so ähnlich klingt.

Mit Die kleinen Dinge folgte ein Stück, das mir schon an Pfingsten 2004 auf Burg Waldeck gefallen hatte, wo ich Klaus-André Eickhoff für mich entdeckte. Jetzt - mit Cello-Begleitung - bekam es einen neuen Reiz, die Kombination mit dem Keyboard ist jedenfalls gut gelungen. Bei der Aufzählung all der kleinen Dinge, für die man dankbar sein kann, gab es etliche Lacher.
Jetzt war es Zeit für ein Lied über den Alltag des modernen Menschen: Spam-Song. Gleich am Anfang gab es Gelächter: 'Der Wecker weckt mich um halb sieben / mein erster Weg direkt vom Bett / führt – wie von Geisterhand getrieben - / mich nicht ins Bad, nein, ins Internet.' Und dann findet man sein Postfach voll mit Müll; von der falschen Rolex über Medizin, Viagra und Penisverlängerung gibt es nichts, was einem nicht angeboten wird. Wir kennen das ja alle selbst. *seufz*
Feines Gift war dagegen wirklich bedrückend. Da wird das Gefühl beschrieben, das einen beschleicht, wenn man die x-te Absage auf seine Bewerbungen bekommt. Auch wenn man glaubt, dass es einem nichts mehr ausmacht, die letzten vier Zeilen sagen, wie es ist: 'Zwischen Urlaubsgrüßen und Gewinnspiel / liegt eine Lektion als Brief getarnt. / Wer auf seinem Weg schon vielfach hinfiel / ist nicht gefeit vorm nächsten Sturz, höchstens gewarnt.'
Mein Lieblingslied Achterbahn wurde als gesungenes Gebet angekündigt. Anhand des Bildes von der Achterbahn wird das Leben mit seinen Höhen und Tiefen beschrieben und der Wunsch nach Halt oder Schutz und Begleitung. Es erstaunt mich immer wieder, wie es Eickhoff gelingt, mit seiner Stimme und der Melodie die Illusion einer Achterbahnfahrt zu erzeugen. Auch hier wieder eine neue, zusätzliche Farbe durch die Cello-Begleitung.
Der CVJM hatte Klaus-André Eickhoff als christlichen Liedermacher angekündigt. Dass er als solcher gilt, war mir gar nicht bewusst. Aber auf seinen bisherigen CDs gab es auch kein so offenes Bekenntnis wie dieses 'Frag mich nicht, warum ich glaube, / ich kann's mit Worten nicht erklär'n, / ich kann mit Logik nichts beweisen, / und beides wird dich nicht bekehr'n.' Weiter singt er 'Frag mich nicht, warum ich bete' und 'Frag mich nicht, warum ich hoffe'. Er tut es einfach, erklären kann er es nicht.
Zum Abschluss dieses besinnlichen Teils spielte Torsten Harder ein Cello-Solo-Stück. Ich vermute mal, dass es eine eigene Komposition war. Es ist ja inzwischen bekannt, dass ich bezüglich Musikinstrumenten und denen, die darauf spielen, keine Fachfrau bin, aber wie es sich anhört, kann ich schon beurteilen – und es hörte sich toll an; Torsten Harder beherrscht sein Instrument sehr virtuos. Auch von ihm konnte man eine CD erwerben. Meistens hat er das Cello übrigens gestrichen, ab und zu auch gezupft.
Weiter ging's mit Wolf im Schafspelz. Da wird beschrieben, dass manche Frauen die Männer gar nicht so gern süß und weich sehen, und er ist bereit, auch mal den Wolf zu geben. Ich musste sowieso dauernd an Dany denken, der mich eigentlich begleiten wollte, aber bei diesem Titel natürlich erst recht. Dany, le loup, schade, dass Du nicht dabei sein konntest.
Für diese Frauen gab es nun ein Nüchternes Liebeslied: Es ist sinnlos, mit romantischen Beteuerungen zu übertreiben. Um echte Zuneigung zu bekunden, genügt das: 'Ich will nur nüchtern und ehrlich sagen, dass ich dich – ziemlich - liebe.' Eickhoff betonte anschließend, dass es einen Unterschied gibt zwischen ziemlich und ziemlich, er meinte natürlich ziemlich.

Ein weiteres Lied von der neuen CD: Ein X für ein U. Da kriegen die Politiker ihr Fett weg, bei denen aus einem 'Ja' im Wahlkampf über ein 'Ja, aber' letztlich ein 'Nein' wird, und aus einem 'Nein' im Wahlkampf wird ein 'Nein, aber' und schließlich ein 'Ja'. So wird aus unserem 'X' vom Wahltag sehr schnell ein 'U'.

Vor der Pause sollte jetzt noch ein Rekordversuch unternommen werden. Das bislang wortreichste Stück des Repertoires sollte noch übertroffen werden mit etwa 4,2 Wörtern in der Sekunde. Die Botschaft ist zwar zweitrangig, aber in Meine Masche geht es darum, dass man oft auf der Seite der Schwachen steht und warum das wohl so ist. Als Freiburgerin fand ich es natürlich etwas traurig, dass deshalb – und da kommt der Fußball-Fan durch - das Schicksal des SC Freiburg bewegender ist als das des FC Bayern.
Es war sehr warm, und alle freuten sich nun über eine 15- bis 20-minütige Pause. Irgendwo hörte ich, wie Klaus-André Eickhoff mit Reinhard Mey verglichen wurde. Als RM-Kennerin empfand ich das zwar nicht so, aber es ging um den Wortwitz und die Fähigkeit, mit der Sprache zu spielen – und dann stimmte es ja doch wieder.

Nach der Pause ging es mit schwerer Kost weiter: Zuerst spielte nur das Cello, dann kam der Gesang dazu, erst später setzte das Keyboard ein bei Sprich nicht von Sieg von der CD Courage. Bei jedem Krieg gibt es unschuldige Opfer, und auch bei einem verlustarmen Sieg liegt die Betonung immer noch auf 'verlust-'. Die Politiker sind bereit, (anonyme) Opfer in Kauf zu nehmen. Wenn es konkret beispielsweise um ihre eigenen Kinder ginge, würden sie anders denken. – Und da fiel er mir wieder ein, der Vergleich mit Reinhard Mey, der bedingungsloser Pazifist ist und auch geringste Opfer nicht akzeptieren kann. Bis zum letzten Ton herrschte atemlose Stille, bevor es viel Applaus gab.
Auf dieses Plädoyer gegen den Krieg folgte ein Stück über Katastrophen, die wir nicht verhindern können, und die Frage nach ihrem Sinn. Es war nach dem Tsunami entstanden, der Ende 2004 so viel Unheil angerichtet hatte: Sehr viel mehr Fragen als es Antworten gibt…
Zum nächsten Lied habe ich mir nichts notiert, außer dem Titel: Schweine-Tango. Ich kenne es überhaupt nicht, denn es ist auf keiner der 4 CDs, die ich besitze. Wahrscheinlich habe ich mir gedacht, dass ich dann schon wüsste…


Und worum mag es wohl in Operation Schönheit gehen? Genau… OPs an allen Ecken und Enden hat er angeblich über sich ergehen lassen. An der Nase hat sich der Chirurg verfeilt, und so ist es eine Stupsnase geworden. Das muss schon erwähnt werden, damit niemand falsche Schlüsse zieht.

In Land in Not wird die ewige Unzufriedenheit angeprangert. Jeder meint, es müsste ihm noch besser gehen, was oft nur daran liegt, dass man einen neidischen Blick zum Nachbarn hinüber geworfen hat.
Mit Die Zeiten haben sich geändert näherte sich für Klaus-André Eickhoff der schwarze Moment des Abends – für das Publikum war es aber ein amüsanter, bunter Klecks.

Nachdem dieser Stolperstein überwunden war, hat er sich wieder gefangen und sang uns das Stück So viel gute Laune (Musikantenstall), in dem er nicht den leisesten Zweifel daran lässt, was er von den volkstümlichen Musiksendungen hält. Er packt auf seine angenehme, gefühlvolle Stimme noch ein paar zusätzliche Portionen Gefühl – bis der Schmalz tropft – und beschreibt den Brechreiz, den er bei solcher Musik bekommt. 'Nicht der schlimmste Thriller ist so brutal / wie das Gegrunze dort im Musikantenstall.'

Nun schenkte er uns noch einen typischen Eickhoff: Ein perfekter Augenblick - gefühlvoll und heiter, aber doch mit einem Hauch von Wehmut.
Zum offiziellen Abschluss des Konzertes hörten wir Seite 2. Darin besingt er die Vergänglichkeit des Augenblicks. Im Erinnerungsalbum des Lebens, in dem sich die neuesten Bilder immer auf Seite 1 finden, rutscht alles viel zu schnell nach hinten auf Seite 2.
Natürlich gab es sehr viel Applaus und Zugaberufe, aber die beiden Musiker verließen trotzdem die Bühne, weil sie sich erst noch absprechen wollten, welche Stücke sie sich noch gemeinsam zutrauten, weil das eingeübte Repertoire anscheinend erschöpft war. Sie kamen zurück und präsentierten noch Kleine Brötchen. Ein Lied, in dem ungeheuer viele Wörter untergebracht sind, wie manchmal beim frühen Reinhard Mey, aber gleichzeitig auch noch ein zungenbrecherischer Text. Eine Herausforderung, die bravourös gemeistert wurde.
Klaus-André Eickhoff und Torsten Harder kehrten noch ein zweites Mal auf die Bühne zurück, um auch noch das letzte Lied der neuen CD vorzustellen: Sommerregen. Das ist die Beschreibung einer Stimmung, zu der die Cello-Begleitung ganz besonders gut passte. Das Cello hatte im Laufe des Abends oft die besinnlichen Momente betont, aber Torsten Harder setzte es auch an lustigen Stellen gekonnt ein. Ehrlich gesagt, hatte ich noch nie besonders darauf geachtet, wie ein Cello gespielt wird, aber Torsten Harder hat uns gezeigt, dass da Vieles möglich ist.
Wären sie ein drittes Mal zurückgekommen, hätte ich mich vielleicht getraut, nach meinem zweitliebsten Stück Höhenflug zu fragen, aber nun ging das Licht im Saal an, es war vorbei. Bevor ich nach Hause fuhr, ließ ich mir noch meine neue CD signieren. Es steht heute schon fest, dass ein weiterer Konzertbesuch bei diesem sympathischen Künstler in mein Reiseprogramm aufgenommen wird. Schließlich muss ich mir ja auch noch die CD Courage zulegen.

Insgesamt acht Freundinnen hatte ich gefragt, ob sie mich nicht begleiten wollten, keine hatte Lust. Tja, da kann ich nur sagen: Ihr habt was verpasst, meine Lieben.
Hier noch ein Auszug aus dem Artikel, der am Mittwoch in der Pimasenser Zeitung zu lesen war:
"Torsten Harder ist ein exzellenter Cellist, der an der Berliner Hochschule 'Hanns Eisler' studiert hat. Sein großer Vorteil ist, dass er neben der hochwertigen klassischen Ausbildung auch Elemente des Jazz einstreuen kann, was gerade im Zusammenspiel mit dem Liedermacher als überaus produktiv zu bezeichnen ist.
Eickhoff lässt sich am ehesten irgendwo zwischen Klaus Hoffmann und Konstantin Wecker einordnen, wobei er sein sicheres, harmonisches und tragendes Tastenspiel genau auf seine Texte abgestimmt hat. So war dieses Konzert nicht nur eine 'Ohrenweide' für Musikverliebte. Auch die Textaussagen – nachdenklich, ohne Schulmeisterei, mit Ironie ohne verletzend zu sein – trafen genau den Nerv des Publikums."
Viele Grüße von Petra