Dieter Süverkrüp (1934–2025)

Stell uns Deinen Lieblingskünstler vor, informiere uns über seine neue CD oder schreibe einen Konzertbericht. In diesem Forum kannst Du das tun, auch wenn es für Deine/n Liedermacher/in (noch) kein eigenes Forum gibt.

Beschreibung © by migoe | Foto © by Pixabay.com 
Antworten
Benutzeravatar
Skywise hat dieses Thema gestartet
Moderator/in
Moderator/in
Beiträge: 1815
Registriert: Di 28. Okt 2003, 23:52
Hat sich bedankt: 34 Mal
Danksagung erhalten: 94 Mal

Dieter Süverkrüp (1934–2025)

Beitrag von Skywise »

Grafiker und Liedermacher Dieter Süverkrüp ist am 16. März im Alter von 90 Jahren in Köln verstorben.

Dieter Süverkrüp gilt als einer der Väter der Liedermacherbewegung. Gelernter Grafiker von Beruf, spielte er nebenberuflich in verschiedenen Konstellationen Gitarre, vor allem im Bereich Jazz. Autor und Feuilletonist Gerd Semmer, der einige Lieder aus der Zeit der Französischen Revolution ins Deutsche übertragen hatte, bat Süverkrüp um die Einspielung eines Demo-Bands, um Veranstalter und gegebenenfalls Plattenfirmen von diesem Konzept zu überzeugen. Tatsächlich stimmte das DDR-Label Eterna der Veröffentlichung zu, wenn auch "nur mit diesem Sänger". Die erste EP erschien 1959 unter dem Titel "Ça ira - Es geht ran".

Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Gerd Semmer lernten die beiden die Herausgeber der linken Zeitschrift "pläne" kennen. 1961 waren sie an der Gründung des ersten deutschen Autorenverlags unter gleichem Namen beteiligt. Neben Büchern wurden ebenfalls Schallplatten veröffentlicht. Süverkrüp war sowohl als Interpret (hier zu Beginn vor allem gemeinsam mit Gerd Semmer), Grafiker und zunächst noch als Vertriebsmensch (die Abwicklung erfolgte über die Post) bei "pläne" aktiv. 1964 weitete Dieter Süverkrüp seine Popularität deutlich aus, zunächst mit einem Auftritt beim Burg Waldeck-Festival, später mit seiner Teilnahme an den Ruhrfestspielen. Der größere zu füllende Rahmen der Ruhrfestspiele erforderte zusätzliches musikalisches Material, Gerd Semmer war zu diesem Zeitpunkt allerdings gesundheitlich angegriffen, somit übernahm Dieter Süverkrüp allein die Verantwortung für Musik und Text. Das bei der Gelegenheit uraufgeführte Langstück "Fröhlich ißt du Wiener Schnitzel" wurde ein großer Publikumserfolg und somit 1965 Titelstück des ersten Süverkrüp-Albums. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits um den "pläne"-Verlag und Dieter Süverkrüp ein Netzwerk aus im Regelfall linken Autoren, Liedermachern und Kabarettisten gebildet, es entwickelten sich Freundschaften und Projekte, es wurden Konzerte und Protestveranstaltungen organisiert, in die sich Süverkrüp ebenfalls einbrachte. Darüber hinaus war er auch als Gitarrist nach wie vor im Jazz-Bereich sehr gefragt, was er auch dafür nutzte, seinen musikalischen Horizont zu erweitern.

Im Laufe der nachfolgenden Monate veränderte sich das politische Klima in Deutschland deutlich. Dieter Süverkrüp reagierte darauf, indem er entsprechend ausgerichtetes Material verfaßte und bei seinen Auftritten zu Gehör brachte. Der Zuspruch vor allem von linker Seite überzeugte ihn, entgegen seiner ursprünglichen Absicht, seine musikalische Karriere fortzusetzen und ein zweites Album einzuspielen, "Die widerborstigen Gesänge des Dieter Süverkrüp" (1967). Dieter Süverkrüp war langjähriges Mitglied der DKP. Sein Ausgangspunkt war die Kritik am Kapitalismus, woran er auch nach seiner Parteimitgliedschaft festhielt. Er selbst schrieb später einer durch das parteipolitische Umfeld verursachten "Betriebsblindheit" zu, daß er Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre lautstark aus der ganz linken Ecke den Realsozialismus propagierte. Diese Zeit wurde zum einen im Studioalbum "Süverkrüps Hitparade" (1971), zum anderen in seinem einzigen Live-Album "Live" bzw. in anderer Auflage "Warum wird so einer Kommunist?" (1974) dokumentiert. Zu dieser Phase und seinen damaligen Ansichten äußerte sich Süverkrüp später kritisch. Während er teilweise sein Publikum mit seinen Äußerungen und Forderungen vor den Kopf stieß, fand er allerdings auch eine neue Zuhörerschaft, bestehend aus Kindern. Ursprünglich aus mehrtägigen Gesprächen und Geschichten mit und für seinen Sohn Ben entstanden, entwickelte sich das Stück vom "Baggerfahrer Willibald" (1970), das unerwartet zu einem großen Erfolg und zur Blaupause wurde für eine ganze Reihe ähnlich gearteter Lieder und Theaterprojekte anderer Interpreten und Ensembles. Dieter Süverkrüp veröffentlichte zwar nur wenige weitere Tonträger mit Kinderliedern ("Das Auto Blubberbumm", 1976 und "Pauline spielt Gitarre", 1987), allerdings steuerte er ebenfalls ab Mitte der 70er Geschichten und Lieder sowie Grafiken zur "Sendung mit der Maus" bei. 1980 erschien das vierte und letzte Studioalbum von Dieter Süverkrüp mit eigenem Material, "So weit alles klar!". In der Folgezeit trat er weiterhin auf, darüber hinaus wurden weitere Alben veröffentlicht, allerdings enthielten die Tonträger Gedichtvertonungen nach Erich Mühsam (1986), Fritz Grasshoff (2003) und Carl Michael Bellman (in der Grasshoff-Übertragung) (1995). Abseits seiner Lieder für Kinder betätigte er sich nach 1980 nur noch selten als Texter für die Großen, beispielsweise noch bei der Gruppe Zupfgeigenhansel ("Miteinander"). In einem späteren Interview sprach er darüber, keine weitere originelle Idee gehabt zu haben, die ein Lied gerechtfertigt hätte. Seine musikalische Karriere sei "ins Stocken" gekommen.

Nachdem die Auftritte in der Öffentlichkeit seltener geworden waren, zog sich Dieter Süverkrüp in den 90er Jahren von der Bühne zurück, um sich der Malerei und der Bildenden Kunst zu widmen. Auch sein Engagement bei "pläne" endete zu diesem Zeitpunkt. Bei der Wahl der Themen und Ausführung seiner Bilder war es ihm zunächst wichtig, für sich selbst zu malen und seine eigenen Ideen zu erkunden, um gewissermaßen seiner Grafiker-Ausbildung, den Standards der Werbe-Branche und der Erwartungshaltung eines Publikums entgegenzuwirken. Ausstellungen seiner oft surrealen Werke folgten erst in den 2000er Jahren. Auf die musikalische Bühne kehrte er nur für wenige Termine zurück nach der Veröffentlichung der 4-CD-Box bzw. des Buchs "Süverkrüps Liederjahre" (2002), in denen ein Großteil seines musikalischen (Solo-)Werks enthalten ist bzw. kommentiert wird. Dabei verweist er mehrmals darauf, daß viele seiner Lieder zeitgebunden seien und auch so gesehen werden müßten. "Zeitgebunden" ist dabei nicht unbedingt gleichbedeutend mit "tagespolitisch", auch wenn die Tagespolitik und einige dafür Verantwortliche und Verantwortung-Scheuende in seinen Liedern und Ansagen immer wieder ein paar spöttische Seitenhiebe abbekamen. Vielmehr speist sich vieles aus den damaligen zum Teil recht heißen Diskussionen rund um Kapitalismus und Sozialismus, um Idealvorstellungen, teilweise falsche Interpretationen rund um den Realsozialismus und seine Begleitumstände, ebenso wie überspitze Darstellungen und düstere Prognosen rund um den Kapitalismus. Diese Zeitgebundenheit macht es sicher zunehmend schwer, sich dem Werk von Dieter Süverkrüp zu nähern, zumal er selbst kommentierte, daß er gerade in der Phase der "Hitparade" Material verfaßt hatte, das schon in den frühen 70ern nicht von jedem verstanden wurde, da er es mit Sprachspielereien und verklausulierten Botschaften übertrieb, auf Kosten des deutlich erkennbaren Spottes und der sprachlichen Leichtigkeit, die einen Großteil seiner ersten beiden Alben ausgezeichnet hatten. Den Versuch einer Entdeckung ist er jedoch allemal wert.

Gruß
Skywise
Dieser Beitrag enthält 1094 Wörter
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor Skywise für den Beitrag:
Niketes (Mi 19. Mär 2025, 07:37)
Bewertung: 11.11%
"Ist wirklich wahr - ich hab's in meinen Träumen selbst geseh'n ..."
Herman van Veen - "Die Clowns"

Benutzeravatar
Niketes
Beiträge: 13
Registriert: Mi 20. Nov 2024, 11:35
Hat sich bedankt: 3 Mal
Danksagung erhalten: 4 Mal

Dieter Süverkrüp (1934–2025)

Beitrag von Niketes »

Ein schöner Text.


Es ist traurig, daß wieder einer der "alten Hasen" gegangen ist, fugit irreparabile tempus.

Süverkrüp als Liedermacher mag ich vor allem wegen seines Gitarrenstiles, der mich immer ein wenig an Lautenspiel erinnert hat oder so: Oft mit "hektischen" Melodieschnörkeln, die den Gesang irgendwie tragen. Wenn man sich Live-Videos bei YouTube anschaut, macht es gleich Spaß, wie die Hände über das Griffbrett fliegen.

Daß er vom Jazz her kam mit seinen Gitarrenskills, las ich jetzt in Berichterstattung nach seinem Tod zum ersten Mal. Hätte ich gar nicht vermutet.

Mein Lieblingslied momentan ist das "Lied vom Tod". Nicht wegen Süverkrüps Tod. Es geht ja auch gar nicht um individuelle Trauer oder dergleichen (wie man vielleicht denken könnte), sondern um Rüstungsbonzen. Wohl so "zeitgebunden" entstanden, aber noch nicht überholt.
https://www.youtube.com/watch?v=Nbd05LYTONA&ab_channel=DieterS%C3%BCverkr%C3%BCp-Topic 

Gruß
Dieser Beitrag enthält 156 Wörter

Benutzeravatar
Reino
Beiträge: 640
Registriert: Fr 27. Jan 2006, 06:25
Hat sich bedankt: 1 Mal
Danksagung erhalten: 7 Mal

Dieter Süverkrüp (1934–2025)

Beitrag von Reino »

Das mit dem Jazz war allerdings kein Geheimnis:
In seiner Freizeit spielte er zunächst Jazzgitarre in der Band Feetwarmers (von 1956 bis 1959), mit der er beim Deutschen Amateur-Jazz-Festival 1957 zum besten Jazzgitarristen Deutschlands gekürt wurde. Seine in dieser Zeit erworbene virtuose Gitarrentechnik und ein breites künstlerisches Ausdrucksvermögen prägten auch seine weiteren Veröffentlichungen. Zu seinen Bandkollegen gehörte auch der spätere Finanzminister Manfred Lahnstein.
Obwohl er vom Jazz kam, also einer prinzipiell improvisierten Musik, komponierte er, im Gegensatz zu fast allen Liedermacherkollegen, auf dem Notenpapier.

Dass ich 1978 eine LP bei "pläne" aufnehmen durfte, geschah meines Wissens mit Süverkrüps Zustimmung.

Getroffen hab ich ihn Mitte der 1980er Jahre beim Victor Jara Treffen auf der Burg Wahrberg. Er begleitete damals seinen Sohn Ben.
Dieser Beitrag enthält 134 Wörter

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag

Zurück zu „Liedermacher allgemein“