Grafiker und Liedermacher Dieter Süverkrüp ist am 16. März im Alter von 90 Jahren in Köln verstorben.
Dieter Süverkrüp gilt als einer der Väter der Liedermacherbewegung. Gelernter Grafiker von Beruf, spielte er nebenberuflich in verschiedenen Konstellationen Gitarre, vor allem im Bereich Jazz. Autor und Feuilletonist Gerd Semmer, der einige Lieder aus der Zeit der Französischen Revolution ins Deutsche übertragen hatte, bat Süverkrüp um die Einspielung eines Demo-Bands, um Veranstalter und gegebenenfalls Plattenfirmen von diesem Konzept zu überzeugen. Tatsächlich stimmte das DDR-Label Eterna der Veröffentlichung zu, wenn auch "nur mit diesem Sänger". Die erste EP erschien 1959 unter dem Titel "Ça ira - Es geht ran".
Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Gerd Semmer lernten die beiden die Herausgeber der linken Zeitschrift "pläne" kennen. 1961 waren sie an der Gründung des ersten deutschen Autorenverlags unter gleichem Namen beteiligt. Neben Büchern wurden ebenfalls Schallplatten veröffentlicht. Süverkrüp war sowohl als Interpret (hier zu Beginn vor allem gemeinsam mit Gerd Semmer), Grafiker und zunächst noch als Vertriebsmensch (die Abwicklung erfolgte über die Post) bei "pläne" aktiv. 1964 weitete Dieter Süverkrüp seine Popularität deutlich aus, zunächst mit einem Auftritt beim Burg Waldeck-Festival, später mit seiner Teilnahme an den Ruhrfestspielen. Der größere zu füllende Rahmen der Ruhrfestspiele erforderte zusätzliches musikalisches Material, Gerd Semmer war zu diesem Zeitpunkt allerdings gesundheitlich angegriffen, somit übernahm Dieter Süverkrüp allein die Verantwortung für Musik und Text. Das bei der Gelegenheit uraufgeführte Langstück "Fröhlich ißt du Wiener Schnitzel" wurde ein großer Publikumserfolg und somit 1965 Titelstück des ersten Süverkrüp-Albums. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits um den "pläne"-Verlag und Dieter Süverkrüp ein Netzwerk aus im Regelfall linken Autoren, Liedermachern und Kabarettisten gebildet, es entwickelten sich Freundschaften und Projekte, es wurden Konzerte und Protestveranstaltungen organisiert, in die sich Süverkrüp ebenfalls einbrachte. Darüber hinaus war er auch als Gitarrist nach wie vor im Jazz-Bereich sehr gefragt, was er auch dafür nutzte, seinen musikalischen Horizont zu erweitern.
Im Laufe der nachfolgenden Monate veränderte sich das politische Klima in Deutschland deutlich. Dieter Süverkrüp reagierte darauf, indem er entsprechend ausgerichtetes Material verfaßte und bei seinen Auftritten zu Gehör brachte. Der Zuspruch vor allem von linker Seite überzeugte ihn, entgegen seiner ursprünglichen Absicht, seine musikalische Karriere fortzusetzen und ein zweites Album einzuspielen, "Die widerborstigen Gesänge des Dieter Süverkrüp" (1967). Dieter Süverkrüp war langjähriges Mitglied der DKP. Sein Ausgangspunkt war die Kritik am Kapitalismus, woran er auch nach seiner Parteimitgliedschaft festhielt. Er selbst schrieb später einer durch das parteipolitische Umfeld verursachten "Betriebsblindheit" zu, daß er Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre lautstark aus der ganz linken Ecke den Realsozialismus propagierte. Diese Zeit wurde zum einen im Studioalbum "Süverkrüps Hitparade" (1971), zum anderen in seinem einzigen Live-Album "Live" bzw. in anderer Auflage "Warum wird so einer Kommunist?" (1974) dokumentiert. Zu dieser Phase und seinen damaligen Ansichten äußerte sich Süverkrüp später kritisch. Während er teilweise sein Publikum mit seinen Äußerungen und Forderungen vor den Kopf stieß, fand er allerdings auch eine neue Zuhörerschaft, bestehend aus Kindern. Ursprünglich aus mehrtägigen Gesprächen und Geschichten mit und für seinen Sohn Ben entstanden, entwickelte sich das Stück vom "Baggerfahrer Willibald" (1970), das unerwartet zu einem großen Erfolg und zur Blaupause wurde für eine ganze Reihe ähnlich gearteter Lieder und Theaterprojekte anderer Interpreten und Ensembles. Dieter Süverkrüp veröffentlichte zwar nur wenige weitere Tonträger mit Kinderliedern ("Das Auto Blubberbumm", 1976 und "Pauline spielt Gitarre", 1987), allerdings steuerte er ebenfalls ab Mitte der 70er Geschichten und Lieder sowie Grafiken zur "Sendung mit der Maus" bei. 1980 erschien das vierte und letzte Studioalbum von Dieter Süverkrüp mit eigenem Material, "So weit alles klar!". In der Folgezeit trat er weiterhin auf, darüber hinaus wurden weitere Alben veröffentlicht, allerdings enthielten die Tonträger Gedichtvertonungen nach Erich Mühsam (1986), Fritz Grasshoff (2003) und Carl Michael Bellman (in der Grasshoff-Übertragung) (1995). Abseits seiner Lieder für Kinder betätigte er sich nach 1980 nur noch selten als Texter für die Großen, beispielsweise noch bei der Gruppe Zupfgeigenhansel ("Miteinander"). In einem späteren Interview sprach er darüber, keine weitere originelle Idee gehabt zu haben, die ein Lied gerechtfertigt hätte. Seine musikalische Karriere sei "ins Stocken" gekommen.
Nachdem die Auftritte in der Öffentlichkeit seltener geworden waren, zog sich Dieter Süverkrüp in den 90er Jahren von der Bühne zurück, um sich der Malerei und der Bildenden Kunst zu widmen. Auch sein Engagement bei "pläne" endete zu diesem Zeitpunkt. Bei der Wahl der Themen und Ausführung seiner Bilder war es ihm zunächst wichtig, für sich selbst zu malen und seine eigenen Ideen zu erkunden, um gewissermaßen seiner Grafiker-Ausbildung, den Standards der Werbe-Branche und der Erwartungshaltung eines Publikums entgegenzuwirken. Ausstellungen seiner oft surrealen Werke folgten erst in den 2000er Jahren. Auf die musikalische Bühne kehrte er nur für wenige Termine zurück nach der Veröffentlichung der 4-CD-Box bzw. des Buchs "Süverkrüps Liederjahre" (2002), in denen ein Großteil seines musikalischen (Solo-)Werks enthalten ist bzw. kommentiert wird. Dabei verweist er mehrmals darauf, daß viele seiner Lieder zeitgebunden seien und auch so gesehen werden müßten. "Zeitgebunden" ist dabei nicht unbedingt gleichbedeutend mit "tagespolitisch", auch wenn die Tagespolitik und einige dafür Verantwortliche und Verantwortung-Scheuende in seinen Liedern und Ansagen immer wieder ein paar spöttische Seitenhiebe abbekamen. Vielmehr speist sich vieles aus den damaligen zum Teil recht heißen Diskussionen rund um Kapitalismus und Sozialismus, um Idealvorstellungen, teilweise falsche Interpretationen rund um den Realsozialismus und seine Begleitumstände, ebenso wie überspitze Darstellungen und düstere Prognosen rund um den Kapitalismus. Diese Zeitgebundenheit macht es sicher zunehmend schwer, sich dem Werk von Dieter Süverkrüp zu nähern, zumal er selbst kommentierte, daß er gerade in der Phase der "Hitparade" Material verfaßt hatte, das schon in den frühen 70ern nicht von jedem verstanden wurde, da er es mit Sprachspielereien und verklausulierten Botschaften übertrieb, auf Kosten des deutlich erkennbaren Spottes und der sprachlichen Leichtigkeit, die einen Großteil seiner ersten beiden Alben ausgezeichnet hatten. Den Versuch einer Entdeckung ist er jedoch allemal wert.
Gruß
Skywise