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1967 veröffentlichte Kristin Bauer-Horn ihre einzige [wie ich dachte - danke für die Berichtigung, Skywise] LP beim Plattenlabel "Da Camera Song".
2000 wurde das Album auf CD herausgebracht - die Rechteinhaber hatten derweil ein neues Sub-Label namens "RBM".
Von einer liebevollen Rückbesinnung kann man aber wohl nicht sprechen. Der seltsame Online-Titel "68 Years of Life and Other Songs" und das Release direkt zum ersten Freitag des Geschäftsjahres lassen mich denken, daß vielleicht eine Art Massenabfertigung mit altem Material unternommen wurde, ohne wirklich Beachtung zu schenken.
Eine Ankündigung o.ä. beim Label konnte ich nicht finden.
Aber schön, daß Bauer-Horns Musik wieder zugänglicher wird.
Weiß jemand, was aus ihr geworden ist? Ob sie noch lebt?
Zuletzt geändert von Niketes am Mo 13. Jan 2025, 15:12, insgesamt 1-mal geändert. Dieser Beitrag enthält 178 Wörter
die Rechteinhaber hatten derweil ein neues Sub-Label namens "RBM".
So nicht ganz richtig. Rudolf Bayer, der einige eigene Labels gegründet hat, hat irgendwann mal eine Muttergesellschaft Bayer Music Group gegründet, unter der mehrere seiner Labels oganisatorisch zusammengeführt wurden. Er hat auch einen Teil der Rechte an dem eigentlich ab Ende der 70er inaktiven Da Camera-Label übernommen, wobei ich da nicht genau weiß, wann und in welchem Umfang das geschehen ist/konnte. Bayer ist eigentlich eher jemand mit einem Schwerpunkt in klassischer Musik, so wie auch das Da Camera-Label grundsätzlich. Irgendwann hat er sich bei den Wiederveröffentlichungen auf CD auch mal in die Richtung Chanson vorgetraut und hat einige Sachen herausgekramt von Kristin Bauer-Horn, vor allem Hein & Oss, dann noch die "Musik deutscher Zigeuner"-Serie, die "Lieder aus der Hölle" von Alex Kulisiewicz, zwei Alben von Walter Mossmann, und die "Sunflower-Seed" von Colin Wilkie & Shirley Hart ... halt so eine kleine Auswahl aus dem "Da Camera Song"-Portfolio.
Beim Hein & Oss-Konzert anläßlich der Veröffentlichung der Box mit ihrem (unvollständigen) Gesamtwerk hatte ich die Chance, mit Herrn Bayer ein paar Worte zu wechseln, teilweise in der Hoffnung, ihn auf die Joana-Veröffentlichungen auf Da Camera zu schubsen, er hat mir im Gegenzug damals den Mund wäßrig gemacht mit seiner Überlegung, das Werk von Eva Vargas digital zu veröffentlichen (Der "Schmetterling", der '69 gemeinsam mit Hanns Dieter Hüsch, Gitarrist Siegfried Schwab und Organist Klaus Wunderlich entstand, war zu diesem Zeitpunkt bereits auf CD draußen), woraus wahrscheinlich nichts mehr werden wird.
Weiß jemand, was aus ihr geworden ist?
Ich hatte vor ein paar Jahren mal nachgeschlagen im hiesigen (d. i. Mainzer) Kabarett-Archiv. Viel Echo hat sie ja leider nicht gehabt, was die Presse angeht, insofern war ich da recht schnell durch. Das meiste Tamtam hat sicher der Deutsche Kleinkunstpreis hervorgerufen, mit dem sie '82 ausgezeichnet wurde. Zu dem Zeitpunkt hatte sie ihren Mädchennamen schon abgelegt. Die nächsten beiden Alben erschienen also unter "Kristin Horn", das zweite 1983 "Was treibt uns um?", das letzte 1985 "Einfach Lieder". Sie hat danach noch ein paar Konzerte in jeweils recht übersichtlichem Rahmen gegeben, aber in der Presse fand sie danach praktisch nicht mehr statt, meint: Konzertbesprechungen habe ich keine gefunden und mit Ankündigungen/Programmen wurd's danach auch weniger wild. Ohne meine Schmierzettel gerade greifbar zu haben: mag sein, daß noch ein oder zwei Kurzinterviews gefolgt sind, aber wesentlich mehr dürfte es wirklich nicht gewesen sein. Keine Ahnung, ob zwischenzeitlich noch weitere Informationen hinzugekommen sind, ich könnte gegebenenfalls noch einmal nachschauen, ob sich weitere Infos angefunden haben. Dezember 2006 hat sie aber definitiv noch ihren 70. Geburtstag feiern können; da hat Bear Family ihren Sampler "Für wen wir singen - Liedermacher in Deutschland" (Teil 1) veröffentlicht und ihr mit einer entsprechenden Verbeugung und der Erwähnung ihres Jubeltages gehuldigt.
Gruß
Skywise
Dieser Beitrag enthält 499 Wörter
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor Skywise für den Beitrag:
Ich hab' mal spaßeshalber am Montag, ca. 12:00 Uhr einen Termin im Kabarettarchiv vereinbart, um mir unter anderem die Bestände über Kristin Horn durchzulesen. "Kommse vorbei, da gibt's mittlerweile etwas mehr, aber das besprechen wir am besten vor Ort". Ich habe daraufhin nachgefragt, ob sich das "etwas mehr" auch auf Tonträger erstreckt, aber die Frage wurde verneint, somit gibt es im Archiv also wahrscheinlich nicht viel mehr als die drei auch mir vorliegenden Alben plus ein bißchen Tandaradei auf verschiedenen Samplern ("Für wen wir singen", "Burg Waldeck Festivals" etc.) ...
Gibt's irgendwelche Punkte, auf die ich gezielt achten soll?
Gruß
Skywise
Dieser Beitrag enthält 108 Wörter
"Ist wirklich wahr - ich hab's in meinen Träumen selbst geseh'n ..."
Herman van Veen - "Die Clowns"
Leck mich am Arsch ... "Kommse vorbei, da gibt's mittlerweile etwas mehr, aber das besprechen wir am besten vor Ort" steht hiermit bereits jetzt auf meiner persönlichen Auswahlliste der größten Untertreibungen des Jahres 2025.
Aus den ursprünglich zwei dünnen, nicht vollständig gefüllten Ordnern vor einigen Jahren wurden mittlerweile zehn dicke und randvoll gefüllte Ordner plus einige separate Kladden und diverse zusätzliche Gegenstände, darunter Zeichnungen, Tonmaterial etc., die an verschiedenen Speicherplätzen des Archivs untergebracht sind. Das Wachstum des Archivs liegt in erster Linie begründet im Ableben zweier Personen, erstens des Herrn Reinhard Hippen, Autor, Begleiter nicht nur der hiesigen (d. i. Mainzer) Kabarettszene sowie Gründer des Kabarettarchivs, der einen großen Teil seines Schriftverkehrs dem Kabarett hinterlassen hat, sowie zweitens der Frau Kristin Horn, die ebenfalls ab 1974 ihre Korrespondenz wenigstens in beruflicher Hinsicht über weite Strecken aufbewahrt hat (die Korrespondenz der Jahre davor wurde laut Anmerkung in den Unterlagen von Kristin Horn selbst verbrannt). Durch die Übernahme ihres künstlerischen Nachlasses durch das Kabarettarchiv steht der schriftliche Dialog der beiden nun "ergänzt" zur Verfügung. Und der war umfangreich. Aber nein, der macht trotzdem nicht das Gros der Ordner aus, darauf komm' ich aber gleich zu sprechen. Will jedenfalls sagen: anstelle der biographischen Informationen und offiziellen Publikationen und Auftritten sowie der Reaktion der Presse darauf, war ich plötzlich mit dem Quasi-Gesamtwerk von Bauer-Horn konfrontiert. ich werde daher gleich nach den nackten Fakten noch einige Eindrücke äußern; bitte jedoch dabei zu beachten, daß der schiere Umfang es unmöglich macht, innerhalb von den etwa drei Stunden, die ich zu Recherchezwecken im Archiv gehockt habe, zu einem Bauer-Horn-Experten zu werden, viele Eindrücke kamen durch "Querlesen" zustande, und manches Mal noch nicht mal das, da einiges auf sehr dünnem Papier, gewissermaßen Butterbrotpapier, getippt war und ich einfach Schiß davor hatte, das in die Jahre gekommene und erfahrungsgemäß recht empfindliche Zeugs vernünftig umzublättern und weiterzulesen. Is' ja nicht mein Archiv, da kann man schon mal vorsichtig mit dem Inhalt umgehen ...
Jedenfalls: Christl Lena Thea Maria Horn, genannt Kristin, geborene Bauer.
* 16. Dezember 1936 in Sömmerda
† 17. August 2014 in Freudenstadt
schwerpunktmäßig im Laufe ihres Lebens wohnhaft in Baden-Württemberg (u. a. Rastatt, Freiburg/Breisgau, Alpirsbach). Freudenstadt wird ab den späten 60er Jahren als Wohnort genannt, ob sie mal weg und dann wieder zurück gemacht hat, ist nicht klar erkennbar.
Zu ihrer Herkunft habe ich keine wirklich aufschlußreichen Informationen gefunden (obwohl ich felsenfest davon ausgehe, daß diese Information in den Ordnern enthalten ist, auch hier Verweis auf später). Da sich Frau Damals-noch-nur-Bauer allerdings bereits relativ früh der Kunst gewidmet hat, ist davon auszugehen, daß sie in einem Haushalt aufwuchs, der das zugelassen, eventuell sogar aktiv gefördert hat.
Die kleine Kristin scheint jedenfalls sehr ausführlich das Klavier betastet zu haben, dies führte dazu, daß sie bereits früh Auftritte unter dem Huldigungstitel "Wunderkind" als Konzertpianistin absolviert hat und sich im zarten Alter von zwölf Jahren als Meisterschülerin des Herrn Celensek in Weimar wiederfand. Dem Traum von der Virtuosenkarriere wurde jedoch schnell ein Ende gesetzt, nachdem eine Sehnenscheidenentzündung kam, ging, kurz danach wiederkam, wieder ging, wiederkam ... meint: da war was Chronisches im Spiel, und das kann man im Konzertbetrieb definitiv nicht brauchen. Daraufhin sattelte Kristin Bauer um, tauschte das Klavier gegen die Farbpalette und stürzte sich in die Malerei. Auch hier schaffte sie es in einen Meisterkurs, dieses Mal nach Stuttgart zu Willi Baumeister. Parallel dazu, so mehrere Quellen, scheint sie auch im literarischen Bereich recht fleißig gewesen zu sein, denn sie führte praktisch pausenlos ein Heft mit sich, in dem sie Gedichte notierte.
Guy Walter vom Südwestfunk Baden-Baden, der einige Jahre zuvor bereits Leute wie Hanns Dieter Hüsch ins Rampenlicht gezerrt hat, ist derjenige, der Kristin Bauer ab 1957 dazu ermutigt, ihre Gedichte nicht nur zu schreiben, sondern auch zu singen. Somit bekommt sie die Möglichkeit, sich zwischen damals aufstrebenden jungen männlichen Künstlern wie etwa Hüsch oder Franz Josef Degenhardt als weibliche Stimme zu präsentieren. Kristin Horn selbst schreibt später, daß sie erst seit drei Wochen Lieder schrieb, ehe sie die SWF-Bühne betreten durfte. Mit den Radioauftritten folgen die Anfragen, und so bewegt sie sich schnell auf den etablierten Kleinkunstbühnen des Landes, von Willi Schaeffers "Tingeltangel" über Hanns Dieter Hüschs "arche nova", den Münchner "Simpl" bis zur Hamburger "Wendeltreppe" ist wirklich alles dabei, womit man im Kleinkünstler-Lebenslauf Eindruck schinden kann. Dennoch kommt der erste Schlußstrich unter ihre Karriere durch die Heirat mit Herrn Uwe Horn im Jahr 1959 oder 1960. Kurz und herzlos heißt es in einem Lebenslauf "23 Jahre - Ende vom Lied".
Trotz ihres Abschieds von den Bühnen züngelt im Untergrund immer noch eine kreative Flamme, wenn auch von der Öffentlichkeit höchstwahrscheinlich unbemerkt. So befindet sich in ihrem Nachlaß ebenfalls ein Tonband, beschriftet "Demo Deutsche Grammophon, 1963", worauf sich Lieder befinden, bei denen man davon ausgehen kann, daß Kristin Bauer mit dem dazugehörigen Label entweder in Kontakt stand oder in Kontakt kommen wollte. Das Band hab' ich mir angehört, nachdem ich zwischenzeitlich schon spekuliert hatte, daß sie womöglich wieder zu ihren Wurzeln zurückgekehrt sein könnte, meint: klassische Musik, denn dafür steht die Deutsche Grammophon deutlich eher als für Populärmusik oder Kleinkunst/Liedermacher, zumindest zum damaligen Zeitpunkt, was sich erst ca. zehn Jahre später ändern sollte, nachdem die Deutsche Grammophon mit dem Polydor-Label zu PolyGram verschmolz. Dennoch - nein, es sind tatsächlich Lieder, und diese sind bislang offensichtlich unveröffentlicht, denn bei der Deutschen Grammophon kam kein Bauer-Horn-Album heraus und meines Wissens und absoluter Überzeugung nach auch kein Sampler, für den man sich etwas von diesen Demos abgegriffen haben könnte.
Da die Presse in der ersten Hälfte der 60er Jahre zu Kristin Bauer keinerlei Informationen zu bieten hat, ist davon auszugehen, daß sie auf der Bühne oder in den üblichen Medien zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nicht stattfand. Aber.
Als sie es 1965 doch wieder wissen möchte, tritt sie unter dem Namen "Kristin Bauer-Horn" auf. Die Vermutung liegt nahe, daß sie durch Beibehaltung ihres Mädchennamens als Künstlername doch nicht ganz mit ihrem "alten" Publikum brechen und ihre Karriere auf einem etwa gleichen Niveau fortführen wollte, auf dem sie geendet hatte. Es folgten drei relativ fruchtbare Jahre, Rundfunk- und TV-Auftritte reihten sich aneinander, was nicht zuletzt dem erwachten Interesse an Liedermachern geschuldet war. Andere, d. h. vor allem männliche, Interpreten hatten weiter "ihr Ding" durchgezogen und den Boden bereitet für ihresgleichen und auch die nächste Generation. Kristin Bauer-Horn traf nun auf die offenen Ohren, die in den 50ern wahrscheinlich noch nicht für sie bereit waren. Wobei man sich natürlich ruhig die Frage stellen darf, inwieweit 1965 die Ohren wirklich offen waren für gesellschaftskritische, nicht zuletzt auch feministische (ich gehe hier davon aus, daß Kristin Horn selbst wahrscheinlich mit dieser Bezeichnung nicht zufrieden wäre, aber diese Schublade ist eine, die überflüssig komplizierte Erklärungsversuche unterbindet) Lieder, höchstwahrscheinlich war sie hier ebenfalls einige Jahre zu früh dran. Der '67er Auftritt auf der Burg Waldeck ist in der dazugehörigen CD-Box dokumentiert, im selben Jahr erscheint bei Da Camera ihr erstes Album "68 Lebensjahre und andere eigene Chansons". Schon im Folgejahr verabschiedet sich Kristin Bauer-Horn allerdings abermals still und heimlich von der Bühne. Ihre lapidare Begründung: "Alles, was ich zu sagen hatte, war gesagt".
Es sollte zwar wieder zu einem Rückzug vom Rückzug kommen, allerdings kriegt man schon ein wenig Respekt, wenn man sich anschaut, was der Lebenslauf an dieser Stelle so zu bieten hat:
1970–1973 - Philosophie (Freiburg)
1975–1978 - Theologie (Tübingen)
Die Rückkehr auf die Bühne im Jahr 1974 ist eng mit Reinhard Hippen (siehe oben) verknüpft, denn dieser plante im Mainzer unterhaus eine "Liederwoche" mit verschiedenen Liedermachern. Er schaffte es ebenfalls, Kristin Horn (nunmehr ohne den Bauer) zu einem Comeback zu überreden. In Windeseile, so schreibt Horn selbst, entstanden satte 30 Lieder, von denen ein Teil in ihren Auftritt im unterhaus floß. Erstmals entstand bei dieser Gelegenheit ein abendfüllendes, festes Programm, das kurz danach auf den Titel "Lieder aus Weiberfeder" getauft und bei verschiedenen Gelegenheiten live dargeboten wurde. Ob das Programm finanziell erfolgreich war, läßt sich nicht herausfinden, allerdings läßt sich sehr wohl aus den Kritiken herauslesen, daß sowohl die Auftritte als auch die Alben von Kristin Bauer/Bauer-Horn/Horn ausgesprochen wohlwollend vom Feuilleton aufgenommen wurden, was ein wenig verwundert, denn eigentlich war Kristin Horn von Anfang an eine Künstlerin, die nicht das singen wollte, weil etwas "ankam", sondern hinter dem sie selbst stand. Wenn man bedenkt, wie gerade in den 70ern sich die Geister gerne an Kabarettisten oder einzelnen Stücken schieden, kam Kristin Horn relativ unbeschadet durch die Zeiten. Nicht, daß es keinen Knatsch gegeben hätte. Kristin Horn scheute die Konfrontation nicht und wehrte sich in ihrer Korrespondenz, auch gerne öffentlich, gegen verschiedene Schubladen, in die man sie verfrachten wollte, oder Strömungen, denen man sie zurechnen wollte.
Das Jahr 1974 brachte Kristin Horn dauerhaft auf die Bühne zurück. Es entstanden Programme wie "Ich will leben, leben, leben" (1978), "Ich laß euch alle alles schaun - 1000 Lieder aus einer Nacht" (1980), "Wo sind die Kinder" (1980), "Götzenzeit - Metzenzeit" (1981), "Was treibt uns um?" (1983), "Einfach Lieder" (1985), "Mütterchen Frieden" (1986) und schlußendlich "Ich wünsche Dir ein gutes Lied" (1987). Im Jahr 1982 erhielt sie den Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte "Chanson/Lied". Zu den beiden Programmen "Was treibt uns um?" und "Einfach Lieder" entstanden in den dazugehörigen Jahren ihre offiziellen, gleichnamigen Tonträger zwei und drei, womit ihre handelsübliche Discographie auch abgeschlossen wäre.
Daß Kristin Horn verschiedene Programme zu Gehör brachte, heißt allerdings ausdrücklich nicht, daß für jedes dieser Programme ausnahmslos neue Lieder entstanden. Es existieren im Nachlaß verschiedene Tonbänder, auf denen sich Live-Mitschnitte von Auftritten im unterhaus befinden. Die Set-Listen der einzelnen Programme zeigen, daß ein guter Teil der dargebotenen Stücke sich im Regelfall aus dem Material speist, das bis 1974 entstanden ist, neue Lieder entstanden danach wohl nur noch vereinzelt, wobei natürlich auch gesagt werden muß, daß die Wahrscheinlichkeit besteht, daß Kristin Horn ältere Sachen noch einmal überarbeitet und neueren Entwicklungen angepaßt hat.
Kristin Horn war zwar in all ihren aktiven Jahren immer wieder auf der Bühne zu finden, allerdings wäre es übertrieben, von "regelmäßigen Auftritten" zu sprechen, teilweise lagen mehrere Wochen zwischen Auftrittsterminen, somit verwundert es auch nicht, daß sie mehr oder weniger langsam "auslief" und keinen weiteren offiziellen Abschied von der Bühne nahm. Sie trat etwa ab 1990 einfach schrittweise immer weniger auf, bis sie schließlich gar nicht mehr auf der Bühne stattfand.
Was bei der Durchsicht der Korrespondenz und dem sonstigen Nachlaß von Kristin Horn auffällt, weil es eben nicht auffällt: Kristin Horn hat keinen bürgerlichen Beruf erlernt und scheint auch niemals in einem solchen tätig gewesen zu sein. Sie dürfte sich ganz ihrer Kunst und ihrem Haushalt gewidmet haben, wobei dieser nur aus ihr und ihrem Mann bestanden haben dürfte. Kinder werden nirgendwo erwähnt, und selbst wenn es sie gegeben hätte, ist davon auszugehen, daß wenigstens zum Zeitpunkt ihres Todes diese nicht existent waren, denn der Nachlaß wurde durch Rechtspfleger vermittelt, womit ziemlich klar ist, daß keine Erben oder sonstige Verwandte hierfür zur Verfügung standen.
Kristin Horn pflegte zwar eine vergleichsweise ordentliche Korrespondenz, parallel dazu entstanden unzählige Gedichte (und teilweise Lieder) sowie Romane, Romanentwürfe, Erzählungen und Bilder. Im Nachlaß findet sich zwar ein Vertrag über die Veröffentlichung eines Romans, allerdings ließ sich ein Roman dieses Titels nicht in den Weiten des Internets finden, somit dürfte er nicht erschienen sein. Es existiert die Vermutung, daß einige ihrer Romane im Eigenverlag publiziert und bei passender Gelegenheit in kleiner Auflage bei ihren Auftritten über die Devotionalientische gingen, allerdings fehlen hierzu ebenfalls die Belege. Es sieht daher so aus, als ob Kristin Horn mehrere Ordner von Manuskripten mehr oder weniger für die Schublade geschrieben hat. Ein etwas intensiverer Blick in die Manuskripte läßt den Eindruck aufkommen, daß ein Großteil der Erzählungen und Romane autobiographisch oder wenigstens autobiographisch gefärbt ist.
In den Ordnern fanden sich Gedichtsammlungen wie die mehrbändigen "Tagebücher einer Ehe" oder Sammlungen wie "Singtaun" mit mal eben satten 82 Erzählungen (wobei es hier Belege gibt, daß Kristin Horn diese Arbeit wenigstens einem Verlag angediehen hat), Kurzgeschichten wie "Vision am Meer" oder "Schilling" oder "Briefe an Herrn Schneiderzahn" oder "Namenlos" ... sie alle füllen wenigstens acht Ordner, die Gemälde und Zeichnungen machen einen weiteren Aspekt ihrer Arbeiten aus, um den ich allerdings tatsächlich einen Bogen gemacht habe und somit den Umfang nicht genau einschätzen kann.
Kristin Horn nahm innerhalb der Liedermacher eine Sonderstellung ein. Das ergab sich zum einen daraus, daß sie eine Frau war, die darüber hinaus auch ihr eigenes Material schrieb, und noch dazu zu Themen, die erst nachfolgende Generationen beschäftigten (und zum jeweiligen Zeitpunkt gab es andere Leute, die das Sprachrohr gaben). Versuche, sie mit anderen Künstlern in eine Schublade zu stecken, scheiterten immer, nicht zuletzt auch am Widerstand von Kristin Horn, die zum Teil recht bissige Kommentare verfassen konnte, wenn sie sich falsch behandelt fühlte, wie etwa bei der Einstufung als "Dichterin". Es half auch sicher nicht, daß sie das Klavier als Hauptinstrument nutzte und ihre Inspiration nicht zuletzt aus klassischem Material bezog. Das Scheinwerferlicht scheint ihre Sache ebenfalls nicht gewesen zu sein, zumindest dürfte sie sich im Schatten ebenfalls recht wohl gefühlt haben, auch wenn bemerkenswert viele Erzählungen zum Teil recht bittere Passagen enthalten, wenn sie sich über den, wahrscheinlich eigenen, Ehestand äußert. Es gibt im Nachlaß einige handschriftliche Kommentare von Kristin Horn selbst, die höchstwahrscheinlich den eigenen Lebenslauf eher kritisch kommentieren. Ich habe es so interpretiert, daß das der Ausdruck von Verbitterung ist, weil sie trotz aller guten Voraussetzungen und wohlwollender Kritiken den künstlerischen oder kommerziellen Durchbruch doch nie geschafft hat. Wobei man dann die Frage stellen müßte, gegen wen sich diese Verbitterung richtet ... Ziemlich sicher scheint aber zu sein, daß sie bestimmt kein "leichter Zeitgenosse" war, was allerdings nicht heißt, daß sie nicht auch anderen Künstlern (oder Nicht-Künstlern) freundschaftlich verbunden sein konnte.
Gut. So weit erst mal.
Ich habe hier noch etwas mitgebracht, das braucht aber etwas mehr Aufmerksamkeit und steht auch nicht direkt im Zusammenhang mit dem Lebenslauf. Kristin Horn war zwar gerade in den 50ern und 60ern häufiger in Radio und Fernsehen vertreten, insofern kam sie dort auch zu Wort, allerdings haben Interviews mit ihr einen gewissen Seltenheitswert. Lange sowieso. Ich habe mir ein Interview herausgesucht aus dem "FolkMichel", Jahrgang 1988, also zu einem Zeitpunkt, als ihre Karriere mehr oder weniger auszulaufen begann. Dieses Interview führte sie mit der geschätzten Gabriele Haefs, Autorin, Übersetzerin, darüber hinaus Schwester des ebenso geschätzten Gisbert Haefs. Das Pikante ist dabei, daß das Interview schriftlich lief, und somit auch in der Korrespondenz von Kristin Horn enthalten war (ich vermute, die Antworten erhielt Frau Haefs mittels Fax). Hierbei kürzte Gabriele Haefs einige Passagen, die aber natürlich in der Korrespondenz noch enthalten sind. Ich lege die beiden Versionen der Antworten mal übereinander und ergänze die Anmerkungen von Kristin Horn entsprechend. Ich glaube, daß darin recht kluge Kommentare von Kristin Horn enthalten sind, aber daß ebenso auch ihr Zorn recht gut zum Ausdruck kommt.
Jetzt noch schnell ein Dankeschön an die emsigen und hilfsbereiten Hände und Köpfe vom Kabarettarchiv Mainz, ohne deren Sammlerwut und Ordnungswahn viele Informationen rund um bekannte und weniger bekannte Künstler wahrscheinlich längst den Gang alles Irdischen angetreten hätten. Waren drei sehr aufschlußreiche Stunden. Und vielen Dank für die Möglichkeit, in die Tonbandmitschnitte reinzuhören! Beim nächsten Mal bringe ich mehr Zeit mit, ich will wenigstens in einen Roman von Frau Horn mal etwas genauer reinlesen. Aber dazu braucht's Zeit.
erst mal Abendbrot.
Gruß
Skywise
Dieser Beitrag enthält 2746 Wörter
"Ist wirklich wahr - ich hab's in meinen Träumen selbst geseh'n ..."
Herman van Veen - "Die Clowns"
Gut. Also.
Vergleich zwischen den tatsächlichen und den gedruckten Antworten in einem Interview.
Die schwarzen Passagen sind in etwa deckungsgleich. Vorrangig orientieren sich diese Passagen an der letztendlich abgedruckten Fassung. Es gibt manche Tippfehler da und dort, die wurden nicht korrigiert, und letzten Endes sind mir bestimmt auch ein paar gelungen.
Die grünen Passagen finden sich ausschließlich in der gedruckten Form. Es ist davon auszugehen, daß manche Sachen vor Drucklegung noch mit Kristin Horn abgestimmt und ergänzt wurden
Die roten Passagen finden sich ausschließlich in dem Schreiben von Kristin Horn an Gabriele Haefs, meint: das sind die ursprünglichen Antworten. Einleitung und Ausklang wurden belassen, zwecks Stimmungsbild und so.
* * * Zu diesem Interview:
Da Freudenstadt und Hamburg ein bißchen weit auseinanderliegen, habe ich Kristin Horn die Fragen zugeschickt und sie hat sie schriftlich beantwortet. Dadurch erklären sich Brüche, die sich bei einem "Live"-Interview hätten vermeiden lassen können. Das im Folgenden zitierte Buch von Hein und Oss ist: "Rotgraue Raben - vom Volkslied zum Folksong", Südmark Verlag, 1969. Mir als Zu-Spät-Geborerer [Anm.: Gabriele Haefs ist Jahrgang '53] kam es immer als guter Einstieg in den Waldeck-Mythos vor, das Interview mit Kristin Horn erweckt allerdings den Verdacht, daß es als Quelle mit Vorsicht zu genießen ist, wird doch z. B. auf S. 29 Carsten Linde als "Funktionär" (Anführungsstriche im Buch!) von Burg Waldeck bezeichnet.
Kristin Horn schickte am 1.9.1988 folgendes Rundschreiben aus (leider erreichte keins den Folk-MICHEL):
"Liebe Freunde,
um nicht wieder - wie schon einmal - Gerüchten hilflos ausgesetzt zu sein, erkläre ich hiermit unfeierlich, daß ich weder schwerkrank, noch wenigstens mit einem hübschen Jungen durchgebrannt bin, noch wieder einmal alles gesagt habe, was ich zu sagen hatte, sondern es ist viel zweideutiger: Man (und das sind nicht nur die Veranstalter) läßt mich nicht mehr ans Fenster. Also bin ich weg vom Fenster. das wenigstens sollte ganz klar sein!
Herzhaft, Eure Kristin H."
* * * Liebe Gabriele Haefs,
wenns keine Phrase war: Ich hätte bestimmt Besseres (Angenehmeres!) zu tun, aber Deine Fragen zu beantworten, halte ich immerhin für wichtig genug. Wichtiger vielleicht sogar, als Du weißt: Denn ich mußte ich Herbst vergangenen Jahres das Liedermachen aufgeben. Ja mußte. Ich hatte als Endpunkt sozusagen einen Rundbrief an die lieben Freunde verschickt, aber natürlich nicht alle Interessierten konnte ich informieren.
Kurz und gut: ich bin weg vom Fenster ...... getreten worden, könnte man den Satz bitter ergänzen. Aber ich bin nicht bitter. Nur ernüchtert. Es war auch kein harter Schnitt, sondern ein sich deutlich abzeichnendes Ende: keinerlei Engagements mehr, sogar viele festgemachte Termine wurden abgesagt. Da gibt es natürlich Spekulationen, wer warum wie über mich geredet hat, und es gibt Informationen über Aussagen von Kollegen, die ich lieber nicht gehört hätte. Aber es ist wie es ist. Und nun habe ich zu schreiben begonnen und sage eben auf diese Weise, was ich sagen möchte und muß. Daß ich wirklich nicht verbittert bin, soll Dir beiliegender Text zeigen, der gewissermaßen mein Abgesang war. Ich habe es öffentlich nicht mehr gesunden [sic!]. Jetzt nehme ich mir also Deine Fragen vor und beantworte sie der Reihe nach. Du kannst dann die Lücken auf Deinem 'Fragebogen' damit füllen, falls Du jetzt überhaupt noch Interesse daran hast. Aber möglicherweise ja erst recht. Das beiliegende Foto ist ziemlich neu (vom letzten Plakat, das Du eventuell kennst?), ein altes habe ich leider nicht mehr, bin, bevor ich den Rundbrief verschickte, mit einem harten Besen durch die Geschichte meiner Liedermacherei gefahren, und besitze jetzt nur noch meine Lieder als 'Dokumente' und natürlich das, was sich im Kopf eingeschrieben hat.
Versuchen wir's also.
Bleiben die Fragen - 25 Jahre "nach Waldeck". Ist es symptomatisch, daß die besten Leute nicht zum Zuge kommen? Und wenn ja, kann die Wie-auch-immer-Szene sich das wirklich leisten?
Gabriele Haefs:
Nach 20 Jahren - wie siehst Du die Funktion der Waldeck für Deinen künstlerischen Werdegang?
Kristin Horn:
Die Waldeck war der Beginn eines Trends, das wurde sofort spürbar. Dazu gehörte, so links wie möglich zu sein und auch, sich in einen bestimmten 'Sound' einzufügen. Nur wenige entgingen dieser Versuchung. Die Versuchung, der ich persönlich entkommen wollte und auch entkam, war, mich festlegen zu lassen auf das, was 'ankam'. Und so zog ich mich nach kurzer Zeit zurück, auf die Suche, was ich selber wollte. Denn das war nicht der Erfolg! Was ich wollte, war, das zu sagen (zu singen), was ich mit meiner ganzen Person vertrete. Im Grunde: bin. Und ich hatte Angst, daß aus den Augen zu verlieren. das geht nämlich schneller als man glaubt. Wer sich der Beeinflussung von Verlockungen gewachsen fühlt, ist ihnen meiner Meinung nach schon verfallen. Jedenfalls in der Jugend. Und damals waren wir ja noch ziemlich jung.
GH:
Die Gretchenfrage für Waldeckleute: wie hältst Du's mit der Politik? Siehst Du Dich als politische Sängerin - und was bedeutet das für Dich - oder wie siehst Du sonst Deine Funktion, Deine Aufgabe in der Musik, als Texterin und Musikerin?
KH:
Natürlich bin ich eine politische Liedermacherin. Alles, was die Gesellschaft (Polis) anbelangt, ist politisch. Und die 'Funktion' des Liedermachens ist, bewußt zu machen, bewußt zu machen, bewußt zu machen!!!!!! Erstens mit dem Text, und insofern gleichwertig mit der Musik, als sie interpretatorisch wirkt. Und selbstverständlich mit der Person! Die Glaubwürdigkeit ist das A und O des Liedermachers. Einer, der glaubwürdig scheint (weil er ein guter Schauspieler ist), wird letzten Endes nicht das Vorgegebene erreichen, wieviel er auch erreichen wird. Der Liedermacher hat mit seiner ganzen Person für das einzustehen, was wer singt. Nur so hat er das Recht, sich der Gesellschaft gegenüber- und entgegenzustellen.
GH:
Nun habe ich die Namensliste bei Hein & Oss ausgezählt und festgestellt, daß in "Rotgraue Raben" 252 Männer und 26 Frauen erwähnt werden. Nun ist zwar die bundesdeutsche Folkszene stark männerdominiert, aber so schlimm ist es denn doch nicht. War es damals so?
KH:
Ja, es waren damals auf der Waldeck mehr Männer als Frauen. Aber die Frauen, die da waren, standen nicht in ihrem Schatten, weil sie Frauen waren. Der 'Kampf' wurde auf der intellektuellen Ebene geführt. Du verstehst: man sortierte sich. Man orientierte sich. Man grenzte aus. Lobte nur Gleichartiges, um auf die Weise sich selbst zu loben. Zum Beispiel schon damals wurde ich nur mit Männern, nie mit Frauen verglichen. Und das mochten die Männer natürlich auch damals schon nicht. ... [Anm.: an dieser Stelle bezieht sich KH in der Korrespondenz auf eine zusätzliche Frage; GH hat beim abgedruckten Interview die beiden Fragen zusammengeführt, da KH an dieser Stelle auf die vorige Antwort verweist]. Es gab wohl seinerzeit noch nicht viele Liedermacherinnen. Außerdem bin ich der Meinung (wie überhaupt alles, was ich hier sage, meine Meinung ist!), daß die Liedermacherinnen heute zwar zahlreicher sind, aber deshalb nicht unbedingt auch schon gut. Es gibt gute, gewiß. Aber die guten Liedermacher sind besser. Viel besser!
GH:
Hein & Oss schreiben: "Die weithin verkannte Kristin Bauer-Horn". Inwiefern verkannt, von wem - und wenn 'verkannt', ist das dann ein Grund dafür, daß in 20 Jahren nur drei (glaube ich) LPs erschienen sind?
KH: Die Kröhers hatten von Anfang an eine besondere Affinität zu mir, und zwar die von einer, die man nicht verstehen kann. Das haben sie bis heute beibehalten. Aber als solche mochten sie mich und mögen mich auch heute noch, wenn wir uns sehen. Nein, verkannt war ich nicht. Attackiert wurde ich. Bis nach Israel war's zeitungsgemäß gedrungen, daß ich 'elitär', 'reich' und 'viel zu gut verheiratet' war, alles natürlich Todsünden, die übrigens auch gar nicht zutrafen, bis auf meine Ehe. Aber das Vorurteil hat sich so zäh gehalten, daß noch nach über 20 Jahren Kröhers Blicke bewundernd auf einem Paar billiger Ausverkaufsstiefel hafteten, von denen sie meinten, daß das wieder einmal alles vom Allerbesten bei mir sei. - Und in PARDON stand, daß mein Hund ein goldenes Armband trüge. Wie dann anschließend meine Texte besprochen wurden, kannst Du Dir vorstellen. Ich gehörte - das wurde damals ganz richtig von allen gespürt - nicht in die Szene. Ich gehörte niemals irgendwo in eine Szene. Und das hat mich auch frei bleiben lassen. Und das war es vielleicht auch letzten Endes, was einerseits das große Interesse an mir und andererseits die Ausgrenzung bewirkte: daß ich frei war und frei bleiben wollte, also kein Abklatsch von irgendwem oder irgendeiner Idee oder einem Trend. Kurz und gut: nicht verkannt, aber auch nicht verstanden. Denn freilich kam das hinzu, daß damals in den Anfängen die Hörsensibilität nicht annähernd geschult war. Obwohl meine Lieder damals nicht übermäßig anspruchsvoll waren. Und ich merke gerade, daß ich lächle (oder grinse?), während ich das schreibe. Du, es ist mir so wurschtpiep, ob ich damals schon verkannt oder unverstanden war. Hauptsache war doch, daß mit der Waldeck die ganze Liedermacherei in Bewegung kam. Denn das kam sie ja tatsächlich trotz aller Mickrigkeiten. Wo gibt es die denn nicht!
GH:
Was Hein & Oss schreiben, scheint auch darauf hinzuweisen, daß das Publikum sich von den Texten der Kristin Bauer-Horn überfordert fühlte. Ich zitiere: "Kristin Bauer-Horn, der man am Sonntag einen Auftritt auf dem großen Festkonzert verweigert hatte, weil man ihre 'kleinen Lieder' offenbar für ungeeignet hielt, veranstaltete grollend vor einem Zirkel 'geladener Gäste' einen zweiten, nahezu privaten Abend." Welches Jahr war das, und wer verweigerte den großen Auftritt, mit welcher Begründung?
KH:
Ja, also überfordert kann man sagen im Sinne von erschwertem Verstehen. Und verweigert wurde mir gar nichts! Das klingt nur besser, als wenn man schriebe, daß es den Veranstaltern zu mühselig war, ein Klavier auf die Bühne zu transportieren. Warum es zu mühselig war, ist freilich eine andere Frage, irgendwo oben schon 'durch die Blume' beantwortet. Und das Konzert, das ich dann im Sälchen gab, war so rammeldicke voll, daß keiner mehr hineinging, und um ungestört arbeiten zu können, stellten wir einen Türposten auf, der keinen mehr reinließ. Und damit hing auch mein Groll zusammen: weil es so unruhig war. An dem Abend übrigens habe ich, erinnere mich gerade daran, viel zwischen den Liedern geredet, was sonst gar nicht meine Art war, damals. Es muß mir also gut gegangen sein. Selbst wenn ich aggressiv gewesen sein sollte - geredet habe ich immer nur, wenn es mir gutging. Meine Kompensationsmöglichkeiten habe ich anderswo gesucht und gefunden: nämlich mit den Augen. Die Leute ansehen!
GH:
Das idyllische Bild, das Hein & Oss sonst so zeichnen, wirft durchaus Risse - hast Du es damals so empfunden, daß es Konkurrenzverhalten und Eifersüchteleien unter den Waldeckern gab?
KH: [Satzanschluß von KH dezent anders, wahrscheinlich war die Frage ursprünglich anders gestellt] Dazu habe ich vorne schon gesagt, daß es natürlich Kämpfe gab, harte! Es gab einen ,der sehr darunter zu leiden gehabt hat, aber ich tue ihm den Gefallen nicht, seinen Namen zu nennen, weil der mir so viel Schaden in den letzten Jahren beigefügt hat, indem er den Veranstaltern ausredete, mich zu nehmen, weil ich 'zu gut, einfach zu gut und zu stark für kleine Säle' (die ich kaum füllte) sei. "Kristin gehört in Hallen!" (Wenn er das je lesen sollte, ärgert er sich kaputt!) Und idyllisch? Ich weiß nicht, ob man es idyllisch nennen kann, wenn auf Teifelkommheraus gesoffen und gebumst wird. Ich erinnere mich nicht, auf meinen Spaziergängen in der wirklich schönen (meinetwegen auch idyllischen) Landschaft je einen gesehen zu haben. Die hingen da tagelang rum und ergingen sich aneinander. Idyllisch?
GH:
Hein & Oss schreiben weiter, daß "die Tiefendimension solcher Lyrik nicht so sehr mit dem Verstand, als mit der Phantasie und dem inneren Erlebnisvermögen erfaßt sein wollten". Teilst Du diese Meinung? Und - wenn ja - gilt das auch noch für die Texte der 80er Jahre, oder hat sich Dein Stil sehr geändert?
KH:
Na, nun ist mir ja oft genug 'bestätigt' worden, daß ich eigentlich überhaupt nur mit dem Kopf und über den Kopf arbeite. Und erst in der letzten Zeit war das durchgebrochen (ja, es war wirklich ein Durchbruch!), daß ich zwar noch über den Kopf sang, aber direkt durch den Kopf mitten in die Mitte (Herz, Bauch und so - wie man sagt). Und das ist doch klar, daß der Liedermacher das alles braucht: Verstand, Phantasie, Erlebnisvermögen. Und der Zuhörer braucht's auch. Und weißt Du, die 'Tiefendimension meiner Lyrik' ist schon immer eine Riesensehnsucht nach Klarheit gewesen, wie ich vorhin sagte: nach Bewußtsein. Und freilich hat sich mein Stil geändert, oder sagen wir: daß er 25 Jahre älter geworden ist - gelebtes Leben! So wie mein Gesicht heute auch noch dasselbe ist, nur eben auch 25 Jahre älter. Und dann kommt hinzu, nein, das kommt nicht hinzu, das ist das Primäre: Die Ängste, die ich damals (berechtigt) hatte, mich zu verlieren, bevor ich mich überhaupt wirklich hatte, die sind natürlich weg. Vor keiner Beeinflussung der Welt würde ich mich heute noch fürchten, ohne aber etwa verschlossen zu sein. Ich rühre sowieso tagtäglich mein Leben um, damit kein Bodensatz entsteht. Gerne nehme ich alles auf, was sich mir nähert. Und stoße es auch wieder ab. Je nachdem eben. Verändert ja und nein also. Ich würde sagen: die Frau ist nicht nur älter geworden, die hat auch inzwischen gearbeitet (gelebt!), und das merkt man.
GH:
Weiter Hein & Oss: Ihre Melodien sind "im Grunde konventionell". Nun kenne ich die der 60er Jahre nicht, und auf die der 80er scheint mir das nicht zuzutreffen. Was meint Kristin Horn dazu?
KH:
Meine Musik soll jeder hören, wie er mag. Sie ist schön, spröde, lullt nicht ein, hat Überraschungen zu bieten, und biedert sich vor allem nicht an. Und Du kannst Dich sogar in ihr wohlfühlen. Das weiß ich von mir selbst. Und das heißt etwas, denn stets habe ich das kritische Ohr offen. Wenn's nicht prahlerisch klingt: bei jedem Ton. Und da ich einfache Musik mache (also eine, die die Schnörkel und Aufgedunsenheiten hinter sich hat), kommt es ja tatsächlich auf jeden Ton an. Und konventionell ist ja weiß Gott (zumindest in der letzten Zeit) was ganz anderes. Nee. Ich habe meine Musik gemacht, und die ist deshalb auch mit keiner zu vergleichen.
GH:
Alte Waldeckleute geraten ja leicht ins Schwärmen, wenn von den Waldeckjahren die Rede ist, schwelgen in Erinnerungen und Anekdoten und die Nachgeborenen sitzen daneben und verstehen nur Bahnhof. Aber gibt es darüber hinaus heute noch einen Zusammenhang, eine Zusammenarbeit, so eine Art "Waldeck Internationale"? Daß z. B. Carsten Linde Deine LPs produziert [Anm.: Linde, einer der ersten wichtigeren Produzenten von Folk- und Liedermacheralben, auch im Zusammenhang mit dem Irish Folk Festival gerne genannt, hat die Produktion der beiden 80er Alben von KH übernommen] und Christof Stählin bei einer der Covergestaltung mitwirkt [Anm.: Stählin hat seine Handschrift für "Einfach Lieder" zur Verfügung gestellt], kann diesen Eindruck erwecken - oder ist das reiner Zufall?
KH:
Sicher ist da so ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl (siehe Lied) sentimentaler Art: Man hat doch mal zusammen angefangen, schließlich. Und da gibt es auch Treffs. Auch mal auf der Waldeck. Aber da ich vom Schwärmen nichts halte ... na, das weißt Du inzwischen.
Mir fällt Deine Frage nach den LPs ein. Du weißt anscheinend gar nicht, daß ich 'jahrhundertelang' keine Lieder mehr gemacht und gesungen hatte. Gemalt hatte ich inzwischen, und halt gelebt. Und als ich dann wieder endgültig entschieden hatte, zurückzukommen (ein paar kurze 'Gastspiele' zwischendurch hatten keinen Entscheidungswert), kam ja sofort mit dem Deutschen Kleinkunstpreis '82 die erste und kurz darauf die zweite Platte. Diese LP, die ich jetzt ohne Mädchennamen (also ohne Bauer vorm Horn) machte, kam mir plötzlich maniriert vor (um Deine Frage weiter vorne noch zu beantworten. Nein, Carsten Linde ist nicht Erdmann Linde, das verwechselst Du, der ist kein Waldeckianer. Und Christof Stählin ist mir ihm befreundet, glaube ich [Anm.: Carsten Linde war der Produzent des ersten Stählin-Albums "Privatlieder"] und Carsten Linde gefiel diese Schrift, die übrigens mir überhaupt nicht gefällt - auch maniriert.
GH:
Cobi Schreijer [Anm.: Niederländische Liedermacherin], ebenfalls eine der wenigen von Hein & Oss erwähnten Frauen, hat in den 70er Jahren immer wieder den Festivalveranstaltern vorgeworfen, Frauen zu ignorieren und ihnen geringere Auftrittschancen einzuräumen als den Männern. Deckt sich das mit Deinen Erfahrungen von damals, oder hast Du ganz andere Erfahrungen gemacht?
KH:
Ach weißt Du, das kann sich mit meinen Erfahrungen deshalb nicht so decken, weil ja die Frauen genau wie die Männer gegen mich eingestellt sind. Die Emanzipationswelle wollte mich so gerne mitschwappen, aber da setzte ich halt meine inzwischen gewonnene Sicherheit des eigenen Weges durch, was heißt, daß ich einigen Absagen an das enggefaßte, eindeutige, zielgerichtete Emanzipationslied - denn das war das an mich gerichtete Ansinnen - niemals wieder auf ein Frauenfestival eingeladen wurde. Sogar EMMA hat sich nach zwei Vorstößen schließlich doch gegen mich entschieden, obwohl die, sollte man meinen, eine Schicht mehr denken kann. - Tja, und die Männer (jetzt nicht die Kollegen, sondern die Veranstalter), ... ich hab's ihnen halt immer ziemlich schwer gemacht, sich als Glücksbringer zu fühlen. Und ich sag's noch mal, ich bin nicht so sehr als Frau ignoriert worden, sondern eher als jemand, dem gegenüber sie sich durchsetzen mußten. Woll'n doch mal sehen, wer hier der Stärkere ist! Und nun seh'n wir's ja! Und also wissen wir jetzt, wer die Stärkeren sind. Auf jeden Fall die, die es in der Hand haben, ob sie einen eine Sendung machen lassen oder was auch immer. So viel Macht, einem den Hahn abzudrehen. Welch Glücksgefühl. (Aber jetzt mußt Du endlich noch wissen, daß ich 182 cm groß bin und sehr drahtig - wenn Du was von Psychologie verstehst).
GH:
Ich möchte einen Text von Deiner LP "Was treibt uns um?", 1983, zitieren:
"Wenn du eine Faust machst,
pflanzt du keinen Baum.
Wenn du einen Stein wirfst,
fliegt keine Taube aus deiner Hand.
Wenn du eine Waffe abdrückst,
wächst keine Rose aus dem Lauf.
Das mußt du wissen,
wie sehr du auch im Recht bist."
Dieses Lied kommt hinter dem Lied "Karl Marx", wobei Karl Marx nicht unbedingt dagegen war, den Stein zu werfen. Ist es ein Bekenntnis zum Pazifismus?
Im Zusammenhang mit Karl Marx fällt mir auf, daß Männer viel häufiger als Frauen in Deinen Liedern die Hauptpersonen sind (Karl Marx, Hauke Haukeson, der General, der Gärtner) - spiegelt das einfach nur die Verhältnisse innerhalb der Musikszene wider oder hat es einen besonderen Grund?
KH:
Also liebe Gabriele, ich habe den Verdacht, daß Du Dir nur mal schnell so die Textblätter angesehen hast, und das womöglich auch nur von "Was treibt uns um?". Denn wieso könntest Du sonst meine "Gärtnerseele" einem Mann zuordnen. Jetzt guck aber gleich mal nach. Das ist nämlich eine alte Frau. Und zum Stein: ich bin ein Steinschmeißer, natürlich! Ich bin einfach (im Sinne des Wortes) radikal: suche die Wurzel und gehe an die Wurzel. Und wenn nur der Stein, der fliegende und treffende, die Wurzel bloßlegt, dann fliegt und trifft er eben (lieber ist mir, wenn die Drehung [Anm.: KH hat hier einen Tippfehler, schreibt "Drhung". Nach meiner Interpretation müßte hier eigentlich "Drohung" stehen, aber vielleicht geht mir auch etwas durch die Lappen] reicht). Und so ist dies Liedchen also eine Mahnung an mich selber. Mir selber sage ich: Paß auf, was Du tust! Tu, was Du mußt, aber wisse auch, was Du tust! Gerade eben, weil ich zeitweise sozusagen mit der MP unterm Arm rumlaufe bei dieser Widerwärtigkeit von Großherrentum in Politik und Wirtschaft. Aber so wird es sein: Letzten Endes wird dieses Lied mir nichts nützen. Ich gehöre nicht zu denen, die zusehen, bis alles, aber auch wirklich alles kaputt ist. Und weißt Du, warum? Weil es so viel Mühe macht, sich selbst zu belügen, Ausreden zu ersinnen, Friedlichkeit vorzuschützen, wo nichts war als falsche Skrupel und vor allem wahrscheinlich Feigheit. Gut. Okay, Ich sag nichts weiter.
Und es kommen Männer deshalb oft vor in meinen Liedern, weil es sie gibt, genau wie die Frauen. Kennst Du Clara nicht? Die Mutter in der Eschenstraße und die Elfriede? Und die drei Frauen? Aber ich versuche jetzt nicht, mich zu erinnern, bin schon gar nicht bereit, morgen, wenn ich nach Hause komme, meinen Ordner mit den Liedern (ca.400) zu nehmen, um Dir statistisch zu beweisen, daß Männlein und Weiblein gerecht drankamen. Nein, Gabriele, ich singe über Menschen, und ich mache mir - sang! machte! - keine Gedanken darüber, wer jetzt dranzukommen hatte. Das sind wirklich keine Fragen.
GH:
Aber, zum Schluß, eine sehr wichtige Frage: Welchen Waldeckmenschen würdest Du auf eine einsame Insel mitnehmen?
KH:
Auf eine einsame Insel würde ich gar keinen mitnehmen. Oder umgekehrt, eine ganze Menge, die abladen und wieder wegfahren, das verheuchelte ausgelaugte Volk, damit sie mal wieder was Richtiges zu leben bekommen und es aus ist mit der Routine, die die Worte gekonnt fließen und die Töne so einschmeichelnd klingen läßt.
Ich sehe gerade, daß ich Deine erste Seite als die letzte vor mir habe. Also bekommst Du jetzt Deine Antworten darauf. Obwohl, eigentlich ist alles beantwortet. Oder habe ich nur so viel geredet und Deine Fragen gar nicht wirklich beantwortet? Du kannst aber alles kürzen, wie Dirs zumute ist. Nur muß ich dann die Bedingung stellen, daß Du mir Deine Zusammenstellung zuschickst, bevor Du sie veröffentlichst, falls Du sie veröffentlichst!
Einige autobiographische Daten:
Musikstudium (Klavier), wegen unheilbarer Sehnengeschichte mit etwas mehr als 13 Jahren abgebrochen (aha Wunderkind, denkste jetzt, gel?). Das war in Weimar, bei Celenzék, und dann mit 15 (Sondererlaubnis als jüngste deutsche Vollstudierende) bei Heckel und Baumeister Malerei (bis zu Baumeisters Tod, da war ich 18). Dann Guy Walter kennengelernt, der fand, daß ich eine Chansonstimme hätte. Und dann gings halt mit dem SWF und Willy Schaeffers in Berlin los. Bis ich meinen Mann kennenlernte (23), wonach bereits eine größere Pause eintrat. Und dann die Waldeckzeiten. Und dann wieder Malen (Portraits übrigens, falls Dich das interessiert), und mal wieder ein paar Lieder, und immer so weiter bis um '80 herum. Und da wußte ich plötzlich: Jetzt ist der große Zeitpunkt da! Und er war da! Und nun ist es wieder vorbei. So ist das. Und ich merke, wie das alles langsam Vergangenheit wird, so sehr, daß ich mich schon kaum mehr an die Titel meiner Lieder erinnere.
P. S. Weißt Du, daß ich mit beiden LPs auf der Bestenliste [Anm.: Liederbestenliste des SWR] stand, und zwar 5 mal und 1 mal auf dem ersten Platz (mit dem Bächlein).
Und noch ein P. S. Immerhin ist es erstaunlich, daß Du mich, scheint jetzt erst kennenlernst. Für wen, wenn nicht für Leute wie Dich, hat Thomas Rothschild mit mit Heinrich Heine verglichen und mit Biermann auf eine Höhe gestellt. Da ist es doch wirklich kein Wunder, wenn man als "beste Liedermacherin deutscher Sprache" vor die Hunde geht. Ihr habt wirklich alles fleißig mitgeholfen, auch wenn Ihrs nicht wißt. Aber ich sags noch mal: verbittert bin ich nicht! Zorn habe ich, das ja. Und viel vor!!!!!
* * *
Gruß
Skywise
Dieser Beitrag enthält 4005 Wörter
"Ist wirklich wahr - ich hab's in meinen Träumen selbst geseh'n ..."
Herman van Veen - "Die Clowns"
Äääh... Was soll ich sagen? "I'm glad I asked."
Vielen Dank für diesen Deep-Dive. (Ich hoffe, es hat Dir auch ein wenig Spaß gemacht?)
Die Früchte Deiner Arbeit las ich mir gestern alle in Ruhe durch.
Deine Quasi-Gesamtzusammenfassung ist fantastisch. Will fast sagen: Schreib doch mal einen Wikipedia-Artikel. :-P
Und das Interview aus ausgerechnet dieser Phase ist ebenfalls sehr erhellend.
(Besten Dank auch für die Gegenüberstellung mit der Druckfassung. Sehr interessant. [Zum Thema "Drhung" bin ich voll bei Dir.])
Nun wage ich es gar nicht zu sagen, aber ein wenig unsympathisch kommt die Dame in ihren Selbstaussagen schon rüber. (Vielleicht muss ich mich auf latente Frauenfeindlichkeit selbst hinterfragen und bei ihren männlichen Kollegen fände ich eine solche Art als erfrischend ehrlich und direkt und selbstbewusst? Aber ich glaube, nein.)
Wer so oft sagt, nicht verbittert zu sein, macht es vielleicht, um sich selbst davon zu überzeugen. Aber das nur am Rande.
Christl Lena Thea Maria Horn, genannt Kristin, geborene Bauer.
* 16. Dezember 1936 in Sömmerda
† 17. August 2014 in Freudenstadt
Und das beantwortet ja meine ursprüngliche Frage.
Ich bin ein wenig schockiert, daß es 2014 offenbar keine Nachrufe oder sonstige postume Würdigungen gab.
Umso besser, daß, wenn man wirklich will, offenbar in Leben und Werk der K(B)H eingetaucht werden kann dank dem Kabarettarchiv.
Ich selbst muss erst einmal bei Album #2 und #3 anfangen.
Will fast sagen: Schreib doch mal einen Wikipedia-Artikel. :-P
Die Geschichte geht so:
ich habe nach Recherchen im Kabarettarchiv tatsächlich einmal einen ausführlichen Wikipedia-Artikel zu einer anderen Künstlerin geschrieben. Dieser wurde allerdings komplett gelöscht, weil sich die von mir angeführten Informationen nicht online verfizieren ließen. Ich meine - klar, logisch, weil - das Fehlen von Online-Quellen war ja der Grund für mich, Druckwerk von anno dunnemals zu durchsuchen. Nach der Löschung habe ich schulterzuckend die Informationen in einen (mittlerweile nicht mehr existenten) Bereich des Liedermacher-Forums eingetragen. Kurze Zeit später fanden sich Leute, die genau diese Informationen nutzten, um den Wikipedia-Beitrag zu ergänzen, denn - jetzt war mein Geschreibsel hier die Online-Referenz, die für die Wikipedia-Anpassungen notwendig war. Insofern sehe ich das recht entspannt.
Gruß
Skywise
Dieser Beitrag enthält 148 Wörter
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor Skywise für den Beitrag:
Es gab ein weiterführendes Interesse meinerseits an den Romanen von Kristin Horn sowie bislang zwei Rückfragen (aus anderen Quellen), die mich am Montag, 3. Februar, nochmal ins Kabarettarchiv an die dicken Ordner führen werden.
Eine Rückfrage dreht sich um Herkunft und Jugend von Kristin Bauer. Damit ist jetzt nicht die Ortschaft gemeint, die ist ja bekannt. Aber der familiäre Hintergrund wäre von Interesse. Meine Vermutung war ja: eventuell ausreichend betucht, Bildungsbürgertum, aufgrund der künstlerischen Schwerpunkte bezüglich der Ausbildung von Kristin Bauer-Horn. Ob hier möglicherweise etwas in ihre Lieder einfloß. Aus Interviews ging wie gesagt nichts hervor, soweit ich das gesehen habe. Da allerdings ihre Romane stark autobiographisch gefärbt sind, besteht durchaus die Möglichkeit, hier zumindest Spuren zu finden. Keine Ahnung, ob ich ihr völlige Fiktion zutraue ... ich werde einfach mal ein wenig in diese Richtung blättern.
Eine zweite Rückfrage drehte sich um zwei Lieder, die bei der '68er Sendung "Beinah' böse Lieder" von Kristin Bauer-Horn gesungen wurden, die allerdings nicht auf Tonträger enthalten sind und auch nicht angekündigt wurden. "Angekündigt" meint: so wie auch diverse Diseusen gerne vor ihrem Gesangsbeitrag Titel und eventuell auch Verfasser eines Stückes in den Raum warfen, gab auch Kristin Bauer-Horn wohl üblicherweise ihrem Publikum diese Informationen vorneweg. Inzwischen habe ich mich durch einige ihrer Tonbänder mit Probeaufnahmen und Demos gewerkelt, und auch dort und damals (1963 bis frühe 1970er) hielt sie sehr eisern an diesem Punkt fest. Bei "Beinah' böse Lieder" hat sie dies jedoch unterlassen. Die Sendung existiert im Kabarettarchiv, da kann ich mir dann auch gleich mal noch andere blutjunge Leute anschauen wie die Herren Schobert & Black, Degenhardt, Wader, Mey (hey, "Polterabend"!), gegebenenfalls gleich mit dem Liedtext-Ordner abgleichen. Übrigens, die Lieder, die Kristin Bauer-Horn '67 bei der Sendung "Jamboree" sang, waren übrigens "Gaudeamus igitur" (Liedermacher-Raritäten) sowie das "Trinklied", beides auf ihrem "68 Jahre"-Album enthalten.
Gibt's noch weitere Punkte, auf die ich achten sollte?
Gruß
Skywise
Dieser Beitrag enthält 344 Wörter
"Ist wirklich wahr - ich hab's in meinen Träumen selbst geseh'n ..."
Herman van Veen - "Die Clowns"
Eine Rückfrage dreht sich um Herkunft und Jugend von Kristin Bauer. Damit ist jetzt nicht die Ortschaft gemeint, die ist ja bekannt. Aber der familiäre Hintergrund wäre von Interesse. Meine Vermutung war ja: eventuell ausreichend betucht, Bildungsbürgertum, aufgrund der künstlerischen Schwerpunkte bezüglich der Ausbildung von Kristin Bauer-Horn. Ob hier möglicherweise etwas in ihre Lieder einfloß. Aus Interviews ging wie gesagt nichts hervor, soweit ich das gesehen habe. Da allerdings ihre Romane stark autobiographisch gefärbt sind, besteht durchaus die Möglichkeit, hier zumindest Spuren zu finden.
Zu diesem Punkt habe ich mich nach erster Sichtung in drei Quellen begeben. Bei der ersten handelt es sich um Tagebucheintragungen von Kristin Horn, die 1971 begannen und wahrscheinlich 1975 endeten. Sie erinnert sich an einen Umzug und zieht bei dieser Gelegenheit einige Parallelen zu ihrer Herkunft. Diese Tagebucheinträge befinden sich unter der Überschrift "Tagebücher einer Ehe", wobei die eigentlichen "Tagebücher" wie gesagt eine umfangreiche Gedichtsammlung darstellen; es ist fraglich, ob Kristin Horn ihre Tagebuchseiten so veröffentlicht gesehen haben wollte. Umgekehrt - die Sachen sind mit der Schreibmaschine getippt, augenscheinlich "ins Reine". Das hat sie auch mit anderen Erzählungen und Gedichten gemacht, mitunter wiederholt. Die zweite Quelle ist eine Art Roman oder Romanversuch namens "Mein Mann, ich und die anderen Menschen" ... oder "Leute"? Ich hätt's mir doch notieren sollen ... Die dritte Quelle ist eine fiktive Romantrilogie oder ein entsprechendes Fragment namens "Die Engels", ursprünglich "Die Schuldlosen" genannt. Ich komme gleich dazu, weshalb mir die trotzdem interessant erschien.
Kristin Horn zieht bei oben genanntem Umzug ein Resümee, indem sie beschreibt, wie ihr Wohnumfeld eigentlich immer kleiner wird, was sie durchaus begrüßt. Sie beschreibt das Umfeld, in dem sie aufgewachsen ist, wie folgt "aufgewachsen in riesenhaften Häusern, saalhaften Zimmern, die immer, auch sommers, kalt waren". Sie schreibt von Personal und von Gästen, meistens im Zusammenhang mit der Person ihrer Mutter. Kristin Bauer macht den Eindruck, als ob sie sich in diesen Zimmerfluchten regelrecht verloren gefühlt hat. Sie betont zwar durchaus die Liebe zu ihren Eltern, allerdings kann man den Eindruck gewinnen, als ob sie vor allem durch ein Kindermädchen erzogen wurde, auch wenn das nicht explizit gesagt wird. An dieser Stelle greife ich bei der Bewertung auf den "Engels"-Roman zurück: die "Engels" ist eine Familie namens Engel sowie das Dienstmädchen Marie, genannt "Mieze", das zufälligerweise ebenfalls den Nachnamen Engel trägt. Der Roman spielt in Thüringen, also dort, wo Kristin Horn ihre Kindheit verbrachte, und das in der gehobenen Gesellschaft, wie man sie wohl ebenfalls den Bauers unterstellen darf, und etwa in der Zeit, die auch die kleine Kristin in diesem Umfeld lebte. Die Art, wie Horn im Roman das Umfeld aufbaut, legt die Vermutung nahe, daß ihr diese Situation wenigstens geläufig war. Mieze Engel erlebt ein spannungsgeladenes familiäres Umfeld, das vor allem gespeist wird durch Papa und Mama Engel, deren Eltern und den widersprüchlichen Beziehungen zu den Nationalsozialisten, denn während ein Elternteil die NS-Herrschaft strikt ablehnt, ist der andere Elternteil ein deutlicher Fürsprecher. Verlassen wir diese Fiktion, behalten aber diese Gewichtung für die nachfolgenden Absätze im Hinterkopf.
Kristin Horn sagt zwar zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich, daß sie in wohlhabenden Verhältnissen aufgewachsen ist. Aber wenn ein nicht mal zehnjähriges Kind einen ausgewachsenen Konzertflügel zum Geburtstag geschenkt bekommt, dann ist da Geld im Spiel. Auch wenn das Dingens noch so sehr in Mitleidenschaft gezogen war, weil dem Vorbesitzer so unachtsam mitgespielt wurde, ihm mittels Bomben ein Loch ins Dach zu sprengen, weshalb es auf das Instrument geregnet hat - so ein Teil muß man auch transportieren und sich ins Haus stellen können. Darüber hinaus gibt es einen hübschen, bescheidenen Nebensatz in ihrem Tagebuch, der (zur gleichen Zeit!) auf eine Stadtwohnung, auf ein Landhaus, auf ein Jagdschloß sowie dazugehöriges Jagdgelände schließen läßt, mit der anschließenden Vermutung, daß es möglicherweise das größte in ganz Thüringen war. So, und jetzt machen wir uns mal nix vor: wenn wir hier wirklich davon sprechen, daß Papa Bauer oft und unbehelligt Gäste beherbergte, eventuell sogar Jagdgesellschaften abhielt und Klein Kristin dennoch eine relativ sorgenfreie Kindheit verleben konnte, dann ist die Wahrscheinlichkeit gar nicht mal so klein, daß hier tatsächlich Querverbindungen zur politischen, meint: NS-Ebene bestanden und eventuell ausgenutzt wurden. Kristin Horn spricht an einer Stelle davon, daß sie dennoch eines Tages fliehen mußten, damit ihr Vater nicht "in Sibirien" landet. Sonderbar ist an dem Punkt die zeitliche Reihenfolge. Die Chronologie paßt zumindest nicht, wenn man davon ausgeht, daß sie damit ihren Vater schon so halb im Volkssturm sieht. Ein paar Monate später würde zwar schon wieder chronologisch eher passen, aber inhaltlich nicht, denn dann müßte man davon ausgehen, daß zumindest die Angst umging, daß die Sowjetunion Nationalsozialisten und Beifang Richtung Sibirien verfrachtet, wo die idyllischen Zwangsarbeitslager zu finden sind. Nun war Thüringen allerdings anfangs für einige Wochen US-amerikanische Besatzungszone ... irgendwie gehen mir hier die Ideen aus, wie dieser Einwurf zu verstehen ist.
Zur Kindheit sei noch nachgereicht, daß Kristin Horn zu keinem einzigen Zeitpunkt in ihren Erinnerungen von anderen Kindern spricht, mit denen sie aufgewachsen ist. Die Vermutung liegt daher nahe, daß es im Hause Bauer abseits von Kristin keine weiteren Kinder, somit auch keine Geschwister gab. Das wäre für die damalige Zeit zwar extrem ungewöhnlich, aber - kann natürlich passieren, sei es wegen der Zeit oder aus biologischen Gründen ... Aber wenn man davon ausgeht, daß tatsächlich Geld und Land vorhanden waren, dann dürften Papa und Mama Bauer doch bestimmt auch keine Einzelkinder gewesen sein. Umso erstaunlicher, daß sich dennoch so kein Verwandter gefunden hat, der bereit war, das Erbe von Kristin Horn anzutreten. Wobei ich natürlich auch der Allererste bin, der die Problematik anerkennt, die Familiengeschichte einer Familie "Bauer" nachzuzeichnen, die Drittes Reich und Weltkrieg wahrscheinlich "versprengt" haben.
Ebenfalls noch nachgereicht: an dem Tag, an dem Kristin Horn erfuhr, daß die chronische Sehnenscheidenentzündung ihren Traum vernichtet hatte, Konzertpianistin zu werden, unternahm sie als Zwölfjährige einen Selbstmordversuch, indem sie sich von einem Balkon stürzte (gehen wir davon aus, daß der nicht zu ebener Erde lag). Hat ihr Kopfschmerzen, einige blaue Flecken und zwei gebrochene Schlüsselbeine eingebracht. Bei der darauffolgenden Untersuchung wurde "das mit dem Gebärmutterknick" festgestellt. Ich habe keine weitere Stelle in den Tagebucheinträgen oder bei den sonstigen Schriften gefunden, sofern ich sie gelesen habe, in der "das" genauer erklärt wurde. Gut, ich bin kein Gynäkologe, aber wenn Kristin Horn das an dieser Stelle so deutlich benannt hat, gehe ich davon aus, daß diese Diagnose weitreichende Folgen hatte, die unter Umständen ihre eigene Kinderlosigkeit erklären würden ... rein männlicher Spekulatius meinerseits.
Kristin Horn beschreibt ebenfalls in der Umzugsszene, daß die mit ihr verbundene Mitgift (wie gesagt: Hochzeit 1959 oder 1960) aus einem 8-Zimmer-Haus bestand. Das kriegt man schwerlich zusammengestrickt, wenn man 1948 nur mit dem damaligen DM-Starterset ausgestattet ins neue Leben aufbricht. Meint: da muß bei der Familie Bauer noch einiges an Geld und Anlagevermögen vorhanden gewesen sein. Auch flüssig, denn Kristin Horn beschreibt in dem "Mein Mann"-Roman, wie sie (!) ihm (!) einen Scheck über eine ungenannte, aber wohl doch bemerkenswert hohe Summe ausstellt, damit er einer skurrilen Idee nachgehen kann. Auch wird in diesem Zusammenhang ebenfalls deutlich von seiner mehrmonatigen Arbeitslosigkeit gesprochen, ohne daß das Thema Geldsorgen während der gesamten Passage auch nur einmal erwähnt wird. Der häufiger genannte Umzug führt übrigens aus dem 8-Zimmre-Haus über vier Stationen in eine 1-Zimmer-Wohnung, von dort ebenfalls weiter in eine weitere 1-Zimmer-Wohnung. Was von Kristin Horn nicht als Abstieg gewertet wird, sondern als Erfüllung ihres Wunsches nach einer gemütlichen, heimeligen Umgebung. Inwiefern später noch Geld vorhanden war oder von ihrem Mann durch seine Einkünfte bezuschußt wurde, ließ sich nicht herausfinden. Ebenso wenig, ob es wirklich bei dieser 1-Zimmer-Wohnung blieb. Mittels Google bin ich zur letzten bekannten Adresse von Uwe und Kristin Horn gereist, vermute hinter diesen Mauern aber eher 2ZKB, ebenso vermute ich ob des Baustils ein späteres Baudatum als 70er Jahre ... jetzt kling' ich schon wie so'n Stalker ...
Ich halte es übrigens für extrem wahrscheinlich, daß trotz ihrer Umsiedlung Richtung Ba-Wü entweder freundschaftliche oder familiäre Beziehungen Richtung DDR weiter existiert haben. Der Ordner, an dem ich mich vorhin recht intensiv festgelesen habe, beinhaltete ihr "Politisches Tagebuch" ab Oktober '89. Dabei handelt es sich um Gedanken in Gedichtform, ohne Reim, ohne Versmaß. Politische Kommentare rund um die damaligen Ereignisse in Deutschland. Dabei zeigte sie ein äußerst bemerkenswertes Gespür für das Umfeld, aus dem "die Ossis" kamen, für das Klima, auf das sie bei "den Wessis" trafen, für die bestehenden gegenseitigen Verständnis-Probleme und die "Blindheit" der betreffenden Politiker. Ich hätte auch Essig pur trinken können, hätte kaum einen Unterschied gemacht. Zumal sie mit einigen Kommentaren erstaunlich richtig lag, wenn man sich die weitere Historie vor Augen führt. Ich hatte nach dieser Lektüre ein wenig genauer darauf geachtet, ob sich Hinweise finden lassen auf eine Orientierung Richtung Thüringen, sprich: in ihre alte Heimat, nach der Wende. Das war allerdings nicht der Fall.
Es gab ein weiterführendes Interesse meinerseits an den Romanen von Kristin Horn
Um's mal so zu sagen: ich habe in verschiedene Romane und sonstige Schriften reingeschaut und bin zu der Überzeugung gelangt, daß Kristin Horn sehr bewußt weitestgehend für die Schublade schrieb. Nicht ausschließlich. Es gibt eine Handvoll dramaturgische Versuche, von denen sie auch sicher welche zu Wettbewerben geschickt hat, wo sie zumindest (und meiner Meinung nach zurecht) ein gewisses Echo hervorgerufen haben, wenn ich auch nichts gesehen habe, das den 1. Platz gemacht hätte. Und, na ja, meistens gilt bei solchen Wettbewerben ja auch: der zweite Platz ist der erste Verlierer. Das Mammutwerk "Singtaun" mit 82 Geschichten hat sie Verlagen angeboten, aber wohl keine (positive) Rückmeldung bekommen. Es gibt eine Reihe von Märchen, die gemeinsam mit ihrem Mann entstanden oder von ihm inspiriert wurden, diese wirken allerdings über weite Strecken recht belanglos, oberflächlich. Die sonstigen Erzählungen und Romane lassen einen ordentlichen Spannungsbogen vermissen. Nicht, daß da keine Handlung existiert, im Gegenteil. Aber Kristin Horn beißt sich gerne in Kleinigkeiten fest, tanzt manchmal in Umwegen durch einen Raum und bläht dadurch einzelne Szenen unnötig auf, wo sie besser schnell durchgegangen wäre. Damit will ich bitt'schön nicht auf dieses Klischee hinaus, daß Frauen in Kreisbewegungen kommunizieren, wo Männer Linien bevorzugen. Es wirkt eher so, als ob Kristin Horn bestimmte Punkte in einer Szenerie sucht, an denen sie sich hinsichtlich Beschreibungen und Assoziationen austoben kann, ehe sie wieder weiterzieht, gewissermaßen im Zickzack. Sprachlich jeweils interessant, gewitzt oder wahlweise gallig, in der Summe aber doch irgendwo ermüdend. Und ich schätze, daß ihr das auch bewußt war. Denn ihre Gedichte sind da in der Regel ganz anders. Sprachlich knapp. Relativ streng im Versmaß, was ihre Liedtexte angeht, ziemlich frei bei ihrem sonstigen lyrischen Werk. Das zwar auch mit Blitzgedanken und Querverweisen im Vorbeiziehen, aber konzentriert auf kurze Eindrücke und kluge, teilweise messerscharfe und pointierte (wenn auch nicht immer lustige) Kommentare. Will sagen: sie kann durchaus packend schreiben. Aber wahrscheinlich hat sie wenigstens bei ihren Romanen nicht die Notwendigkeit gesehen.
So, das schick' ich erst mal ab, für die Rückfrage um die "Beinah' bösen Lieder" brauch' ich erst mal den Scanner. Huhu, Scanner ... bist du wach?
Zur Einordnung: nachdem die "Waldeck"-Festivals Aufmerksamkeit hervorriefen, wurden in verschiedenen Sendern verschiedene Sendungen aus dem Boden gestampft, in denen sich Liedermacher & Co. präsentieren konnten. Gute alte Zeit.
Das ZDF hat die Sendung "Beinah' böse Lieder" im Jahr 1968 gebracht (ich meine, das war am 9. August ...?)
Natürlich war das eine Aufzeichnung. Der ursprüngliche Titel lautete "Bärte, Bier und böse Lieder". Mitgeschnitten wurden die Lieder wie folgt:
Beinah' böse Lieder_Setlist.jpg
Dieter Süverkrüp, Franz Josef Degenhardt, Hannes Wader, Reinhard Mey, Walter Moßmann, Kristin Bauer-Horn, Schobert & Black, dann wahrscheinlich weniger bekannt in dem Umfeld: Nono Breitenstein und Dieter Höss. Nicht gesungen, sehr wohl aber am Tresen gestanden und bedient hat Jochen Busse. Den instrumentalen Ausklang besorgte Degenhardts "Adieu, Kumpanen".
Die handschriftlichen Zahlen zeigen die Reihenfolge der Titel, die später bei der Sendung verwendet wurde. Der "Polterabend" von Reinhard Mey wird übrigens in den Unterlagen geführt als "Musik & Text: Reinhard Mey". Es existiert ebenfalls ein Sendungsprotokoll, das vermuten läßt, daß zwischen den Titeln ein "zwangloses" Gespräch der einzelnen Beteiligten stattfand.
Kristin Bauer-Horn hat es mit den Liedern "Sarahs Kinder" und "Gut Nacht" in die Sendung geschafft. "Sarahs Kinder" befindet sich als Live-Mitschnitt ebenfalls in der Burg-Waldeck-Box (im '67er Jahr), "Gut Nacht" ist auf Platte unveröffentlicht. Im Kabarettarchiv fand sich neben den Texten (teilweise in verschiedenen Ausführungen) auch ein paar Noten zwecks Orientierung.
Kristin Bauer-Horn - Sarahs Kinder_Text.jpg
Kristin Bauer-Horn - Sarahs Kinder_Noten.jpg
Kristin Bauer-Horn - Gut Nacht_Text.jpg
Kristin Bauer-Horn - Gut Nacht_Noten.jpg
Der "Pensionär", der auf der Setlist gestrichen wurde, ist das Titelstück ihres Albums "68 Lebensjahre". Ob es tatsächlich nicht aufgezeichnet wurde oder ob die restlichen Sachen auf der Liste irgendwo noch existieren, ist nicht bekannt.
Gruß
Skywise
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Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor Skywise für den Beitrag:
Ich danke Dir für diesen, sozusagen, 2. Teil Deines (vormals ja schon recht deepen) Deep-Dives in das Leben und Werk der Kristin Horn.
Ich erahne beim Lesen, wie viele Eindrücke und Material Du erst einmal im Kopf ordnen musstest, und mir gefällt, wie Du hier gewissermaßen auch Spekulationen und eigene Wertungen undsoweiter zu einer zusammenhängenden Präsentation bringst, in Deinem eigenen Schreibstil. Ganz tolle Aufbereitung. Muss ich nun mal verdauen.
So bin ich jedenfalls verblüfft, wie man diese Frau näher "kennenlernen" kann, von der ich vor ein paar Wochen nicht einmal wusste, ob sie nach den 1960ern noch in Erscheinung getreten ist (na gut, das hätte ich googlen können, shame on me), oder ob sie noch lebt oder nicht.
P.S.: Die Sache mit Wikipedia-Referenzen ist ja eine arge Katze-Schwanzbeiß-Angelegenheit. Na, vielleicht schlachtet ja eines Tages ein Wiki-Editor dort die Früchte Deiner Arbeit aus.
Ich habe Kristin Horn bei unseren beiden Begegnungen als durchaus streitbar erlebt. Einmal nur als Zuschauer:
Kreisler wollte [beim Folk- und Liedermacherfestival 1975 in Tübingen] zwar nicht offiziell auftreten, aber insgeheim hoffte man doch, er würde in kleinem Rahmen in die Tasten greifen. Deshalb wurde ein Klavierstimmer bestellt, der den Drahtesel im kleinen Club Voltaire in der Haaggasse stimmen sollte.
Und tatsächlich erklärte sich Kreisler zu einem kleinen Privatkonzert am Nachmittag bereit. Die Eingeweihten überfüllten den etwa 80 Besucher fassenden Raum, die Eingangstür wurde von einem unerbittlichen Zerberus namens Gretel Holler (Frau des Vereinsvorsitzenden Eckard Holler und von Bernhard Lassahn mit "Selbst die Powerhits von K-Tel sind nicht so powerfull wie Gretel" charakterisiert) bewacht. Eine wunderbare Frauenfeindschaft entstand, als Kristin Horn (auf der Waldeck entdeckt, 1982 Preisträgerin des deutschen Kleinkunstpreises in der Sparte "Chanson") von eben dieser Power-Gretel am gewaltsamen Betreten des Clubs mit ebensolcher Gewalt gehindert wurde. Wenn Blicke töten könnten ...
Kreisler wollte [beim Folk- und Liedermacherfestival 1975 in Tübingen] zwar nicht offiziell auftreten, aber insgeheim hoffte man doch, er würde in kleinem Rahmen in die Tasten greifen. Deshalb wurde ein Klavierstimmer bestellt, der den Drahtesel im kleinen Club Voltaire in der Haaggasse stimmen sollte.
Und tatsächlich erklärte sich Kreisler zu einem kleinen Privatkonzert am Nachmittag bereit. Die Eingeweihten überfüllten den etwa 80 Besucher fassenden Raum, die Eingangstür wurde von einem unerbittlichen Zerberus namens Gretel Holler (Frau des Vereinsvorsitzenden Eckard Holler und von Bernhard Lassahn mit "Selbst die Powerhits von K-Tel sind nicht so powerfull wie Gretel" charakterisiert) bewacht. Eine wunderbare Frauenfeindschaft entstand, als Kristin Horn (auf der Waldeck entdeckt, 1982 Preisträgerin des deutschen Kleinkunstpreises in der Sparte "Chanson") von eben dieser Power-Gretel am gewaltsamen Betreten des Clubs mit ebensolcher Gewalt gehindert wurde. Wenn Blicke töten könnten ...
Und das zweite Mal bei einem von Reinhard Hippen organisierten Konzert im Rahmen der Stuttgarter Kabaretttage.
Kristin Horn hat mich mal nach einem Konzert schier erwürgt, als ich in einem Gespräch einflocht, daß ich ein Lied, das sie laut eigener Aussage erst 1979 geschrieben hatte, schon 1975 von ihr gehört hatte. Es war übrigens auch 1975 im FOLKmagazin abgedruckt, was die Klärung in diesem Fall sehr vereinfacht.