gestern habe ich mein zweites Klaus-Hoffmann-Konzert besucht – das erste gute, ha!
Vor ein paar Jahren trat er hier auf einem Marktplatz auf, freier Eintritt, man musste eigenen Campingstuhl mitbringen. Damals war der Ton zu leise bzw. die Bierbuden zu laut und vernünftig sehen konnte ich auch nicht, weil ich recht spät kam. Das Konzert ist mir der Umstände wegen also kaum positiv im Gedächtnis.
Gestern sagte Klaus Hoffmann dazu: „Wir waren vor -- ich weiß nicht wann -- auf diesem... Blücherplatz?“ Ein erstaunlich großer Teil des Publikums applaudierte – waren die alle dabei oder freuten die sich nur, dass er den Blücherplatz richtig benennen konnte? Jedenfalls der alte Spaßvogel prompt: „Ich habe Sie gleich wiedererkannt.“
Also dieses Jahr nun meine persönliche Wiedergutmachung, diesmal auf der Freilichtbühne Krusenkoppel, einem schönen Amphitheater im Grünen. Ein paar Eindrücke.
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Was mir gut gefallen hat
Die Lieder. Mit dem Werk überhaupt nicht vertraut sein, das hat auch mal was Erfrischendes. Für mich waren es viele Erstbegegnungen mit schönen Stücken. Wenn eines ein alteingesessener Hit war, konnte ichs meist nur an Publikumsreaktionen ablesen. Besonders gefallen haben mir Stücke, die in zackigem Rhythmus und Molltonart daherkommen, wie z.B. „Was gut ist und was nicht“ oder „Das Ende aller Tage“. Aber nicht, dass nicht auch die zarteren Lieder schön wären… Als musikalisch nervig im Gedächtnis geblieben ist mir nur das kinderlied-mäßige „Treppe ruff, Treppe runter“. Ich habe hinterher jedenfalls recherchiert, wie alt die Lieder jeweils sind: Vieles im Programm stammte aus diesem Jahrtausend. Das rechne ich dem Künstler hoch an, dass es kein retromäßiges Abfeiern vergangener Zeiten ist.
Hawo Bleich. Als „am Flügel“ angekündigt war mir gar nicht klar, dass er auch mit Keyboard manchen Streicher- oder Orgelsound uvm. herzaubern würde. Die Besetzung zu zweit war auf jeden Fall super. Manchmal braucht Hoffmann gar keine Gitarre, manchmal kann er zu jeder Strophe den Capo verschieben, weil das Klavier die Übergänge regelt. Mega eingespieltes Team sowieso: Super! Und ich freue mich ja direkt, wenn kein Schlagzeug dabei ist. Brauchen die Lieder für meinen Geschmack nicht, sonst kommt man arg in Richtung Popmusik-Aufmachung.
Bühnenpräsenz. Das Gestikulieren und „theatralische“ Züge machten mich bei Klaus Hoffmann schon immer skeptisch, aber gestern gefiel es mir ganz gut. Auch sehr schön, dass er für ein paar Stücke ganz wie nebenbei sein Mikrofon vor die Bühne versetzte, um näher an den Leuten zu sein. Mancher Gang durch die ersten Reihen wirkte auch wie selbstverständlich. Das ist natürlich schöner, als wenn ein Künstler wie hinter einer einseitig durchschaubaren Glasscheibe sein Programm ungeachtet des Publikums abspult.
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Was ich interessant fand
Struktur des Abends. Denn die erste Hälfte (70min) war länger als die zweite (55min). Und der Zugabenblock recht kurz. Stört nicht, aber ich hätte es anders erwartet. Vielleicht auch der 23-Uhr-Curfew geschuldet.
Das Publikum. Ich konnte nicht recht herausfinden, ob es viele eingefleischte Klaus-Hoffmann-Fans waren oder wegen des günstigen Eintritts auch viele „warum nicht“-Gäste bzw. Freunde der Veranstaltungsreihe wie ich. Bei manchen Mitsing-Passagen (die sah ich nie kommen; interessanter Kulturschock) war die Textsicherheit im Publikum jedenfalls durchwachsen. (Den Refrain von „Blinde Katharina“ musste ich mir zuhause erstmal durchlesen, weil niemand kräftig genug sang, ha.)
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Was mir nicht gefallen hat
Die Anmoderationen. Das wusste ich natürlich im Voraus schon, dass mir Klaus Hoffmanns Witzeleien und dergleichen nicht unbedingt zusagen. Ich glaube, jetzt kann ichs noch besser benennen, was mich stört: Gar nicht unbedingt, dass es manchmal für meinen Geschmack unlustig ist, wat solls. Viel mehr vermisse ich „vernünftige“ Einordnungen zu den Liedern. Die Anmoderationen hatten stattdessen häufig nichts mit dem folgenden Stück zu tun, waren wirr, sprunghaft, nur kurz angerissen, oder man wusste nicht, ob ernstgemeint oder ironisch – oder wenn es ernst war, wurde es blitzschnell wieder ins Alberne gezogen. Auf „Kriege müssen enden“ folgt fast im selben Atemzug ne lustige Bemerkung darüber, dass der Pianist sich jeden Abend das gleiche anhören müsse: Unpassend? Insgesamt wurde viel geredet und wenig gesagt. Verpasste Chancen und verschwendete Zeit für meinen Geschmack.
Sich-ablenken-Lassen. Dass der Künstler aufs Publikum eingeht, habe ich ja schon gelobt, aber manchmal nahm es leider übermäßige Züge an. Wenn er etwa mitten im Stück kommentiert „Betest du?“, weil jemand mit gefalteten Händen ganz normal sitzt, muss das sein? Oder die Bierholer und WC-Gänger mussten natürlich auch immer eine Bemerkung ernten. Das wirft den Rest des Publikums auch mal ausm Hörgenuss.
Aber wenn mal etwas schiefläuft, ist dieser Hang zum Kommentieren – das muss ich gestehen – wiederum gute Showmanship. Etwa schallten nämlich die ganze Zeit Partysprechchöre und Basswummern von einer anderen Kieler-Woche-Bühne herüber: In Kiel sei es nie leicht, aber man könne sich gegen diesen „Herzschlag“ durchsetzen, kommentierte Hoffmann – eine Erleichterung, dass der Künstler selbst etwas dazu sagte, was allen irgendwie im Sinn war. Oder zu Beginn gab es technische Probleme mit Störgeräuschen im In-Ear-Monitoring des Sängers: Die wiederholten Bitten an den Tontechniker wirkten locker und entspannt, obwohl es wohl eine arge Belastung („das Hirn wegfetzen“) beim Singen war: „Sollte ich irgendwann umfallen, machen Sie bitte allein weiter.“ Als erst nach vier Liedern der Funkkanal gewechselt wurde: „Wir werden versuchen, das jetzt jeden Abend so zu machen.“
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So bin ich nach meinem persönlichen Blücherplatz-Fiasko vorerst versöhnt mit Klaus Hoffmann, auch wenn ich jetzt nicht unbedingt anfangen werde, mich in seine unzähligen Alben reinzufuchsen.
Nächster Konzertbesuch vielleicht in einem vernünftigen Konzertsaal ganz ohne Getränkeholer? Mal schauen.
Wie sind so eure Hoffmann-(Live-)Erfahrungen? (Dass es bei Marc unzählige sind, ist mir ja bekannt, ha.) Welche Besetzung ist euch am liebsten? Habe ich ein durchschnittliches Konzert erlebt?
Viele Grüße
Viktor
PS: Vollständiges Programm:
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