Gut. Die Informationen waren tatsächlich etwas umfangreicher als die prognostizierten 9 Seiten, allerdings war der InformationsWERT bedeutend geringer.
Es gab tatsächlich einige Promo-Sheets, die mit den entsprechenden Alben für die Pressevertreter mitgeliefert wurden. Die Aussagekraft derselben ist allerdings eher mau. Christian Czerny scheint entweder ein typisch schweigsamer norddeutscher Vertreter zu sein, oder er wollte sein Privatleben aus der Presse grundsätzlich raushalten. Oder sein Leben ist auf eine bemerkenswerte Weise unbemerkenswert, denn über Lebensdaten oder sein persönliches Umfeld läßt sich keine Quelle ausführlich aus, was ziemlich wenig ist, wenn man bedenkt, daß die Pressetexte nicht selten das DSDS der 70er waren mit der Betonung des gutbürgerlichen Umfelds, des Rebellentums des Interpreten, und dann hatter auch noch vier Kinder von fünf Frauen zu ernähren ... kein Wort davon bei Christian Czerny. Ach ja, außer: die Frau an seiner Seite hieß 1973 Magdalene.
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Fast einhellig wird er als Kieler bezeichnet, in einem ausführlicheren Bericht zu seiner Person wird erzählt, daß es ihn während seiner Zeit beim Bund nach Diepholz verschlagen hätte, und daß er noch immer ("noch immer" - wir befinden uns in der Mitte der 70er Jahre) dort wohnhaft sei. An einigen Stellen wird gesagt, daß er in seiner Kindheit und Jugend Gitarre, Geige und Trompete gelernt hat; da man Geige und Trompete auf seinen Alben meines Wissens nicht von ihm gespielt hört, und die Gitarrenkünste auf seinen Alben würde ich vorrangig Wilfried Grünberg zuschreiben ... egal. Mit der Schweinezucht habe er angefangen, um sein Studium zu finanzieren, heißt es, was ich zugegebenermaßen für eine der originellsten Begründungen halte, die ich in jüngerer Zeit zu lesen bekommen habe. In Diepholz selbst sei er umfangreich musikalisch aktiv gewesen, habe eine Beatband ("The Hang Men", weiß ein Klappentext, wie auch schon von Viktor gefunden) gegründet, eine Folklore- und eine Spiritual-Gruppe. Diese habe er zurückgelassen, als er sich entschloß, auf Solopfaden zu wandeln.
Wie es dazu kam, ist nicht eindeutig belegt. Ob der NDR tatsächlich von Czerny mit einem Lied ("Melonenstrickerin") bemustert wurde und daraufhin alles ins Rollen kam, ob Walther Richter unabhängig vom NDR auf Czerny aufmerksam wurde, ob Richter durch den NDR Czerny kennengelernt hat - wer kennt die Wahrheit, alle drei Versionen waren jedenfalls zu lesen.
Es hat mich etwas stutzig gemacht, an mehreren Stellen (und über mehrere Jahre verteilt) bestätigt zu finden, daß er studiert, allerdings studiert er mal Philosophie (Uni Kiel), mal Kunst und Musik, Pädagogik ... wenn dem so wäre, würde ich den Titel "Der ewige Student" auf seinem letzten Album selbstironisch interpretieren. Von einem oder mehreren Abschlüssen ist nirgendwo die Rede, diese fanden, wenn überhaupt, außerhalb der Presse statt.
Bleiben wir kurz bei der Person Walther Richter. Richter blieb über die komplette Plattenkarriere der Produzent von Christian Czerny.
- Das Wichtigste sind die Löcher im Sieb, 1973
- Für jeden das richtige Hemd, 1973
- Ein Hund wie du und ich, 1974
- Der Puppenspieler ist da, 1975
- Ein Stück aus einem Jahr, 1978
(die ersten vier bei Telefunken, das letzte Album bei Ariola)
Zusätzlich
- Jeder muß mit seiner Nase leben, 1978
was eine Kompilation aus den ersten vier Alben darstellt, entsprechend bei Telefunken rausgekommen. Es gibt noch zwei Singles
- Das Lied vom fahrbaren Untersatz, 1973
- Ex und hopp, 1975
Die Singles enthalten ausschließlich Stücke der im selben Jahr erschienen Alben in derselben Abmischung, sind also eher was für Komplettisten oder für so Deppen wie mich.
Die Lieder erschienen im Verlag von Ingrid Richter. Die gute Frau Richter hat regelmäßig von den Walther/Ingrid-Richter-Betreuten Liederbücher/Notenhefte veröffentlicht. Da ich im Kabarettarchiv von Christian Cerny die Bände I und III in der Hand hatte, behaupte ich, daß wenigstens drei Bände erschienen sind.
Christian Czerny hatte eine Handvoll Auftritte in Radio und Fernsehen. Die ZDF "Drehscheibe" wird in Berichten ebenso erwähnt wie Dreharbeiten für den NDR, allerdings wird der Name der zugehörigen Sendung nicht genannt. Über die Radioauftritte bei verschiedenen Sendern (u. a. RIAS) findet sich inhaltlich nichts außer einigen Ankündigungen aus Programmheften. Schon fast kurios in diesem Zusammenhang sind die Listen der übrigen Gäste der jeweiligen Sendung, denn da haben die Redakteure von mir weiter oben abgeschrieben.
... ebenso wie Ulrich Roski, Joana, Schobert & Black, Inga & Wolf, Thomas Weden, Uwe Treutner, Lothar von Versen, Jutta & Michael Kausch etc. ...
Mag sich jeder seine Gedanken dazu machen. Hab' ich ja auch gemacht.
Die Single "Ex und hopp" wird sowohl hier als auch bei den Plattenrezensionen erwähnt; ob das irgendwas zu bedeuten hat, beispielsweise daß die Scheibe häufiger im Rundfunk oder im TV zum Einsatz gekommen ist oder Ähnliches, läßt sich anhand der Bestände des Kabarettarchivs nicht recherchieren.
In den wenigen Plattenbesprechungen drängt sich mir der Eindruck auf, als sei Walther Richter gleichermaßen Segen und Fluch gewesen. Die Rezensenten betonen durch die Bank artig, daß die Aufnahmen vom Erfolgsrichter Walther Produzent organisiert wurden, der ja auch mit Reinhard Mey und Joana und so. Allerdings kritisieren diverse Autoren eben dadurch die stilistische Nähe zu eben diesen Interpreten, hinterfragen, was Richter höchstselbst gegen den simplen Klang einer unbegleiteten Gitarre einzuwenden habe etc. Interessant, daß niemand wirklich gegen Czerny und seine Lieder wettert, sondern eher gegen deren Verpackung; da habe ich schon unfairere Kommentare aus jener Zeit lesen müssen. Die Betonung von Walther Richter führte bei praktisch jeder Gelegenheit zu einem definitiv ungewollten Vergleich zwischen Mey und Czerny, und dieses ungleiche Feuilleton-Duell konnte Czerny nicht gewinnen, der keine Hits vorzuweisen hatte. Ich hatte während der Recherche überlegt, zu Vergleichszwecken auch mal einen Blick bei Thomas Weden reinzuwerfen, der ja im Kern unter denselben Rahmenbedingungen künstlerisch aktiv war, allerdings ging noch Zeit für eine andere Recherche drauf, meint: meine paar Minuten waren auch so schon knapp genug - aufgeschoben ist aber nicht aufgehoben.
Die Czerny-Konzerte scheinen keine Erwähnung wert gewesen zu sein, die es bis ins Kabarettarchiv geschafft hätte. Es ist zwar die Rede davon, daß welche stattgefunden hätten, aber Journalisten hatten damals wohl Besseres zu tun. Es wird auch gesagt, daß Czerny der "dritten Generation von Liedermachern" angehöre - wußte gar nicht, daß es da mittlerweile einen Stammbaum gibt. Aber natürlich - den Burg-Waldeck-Folkloristen und den 68ern läßt sich Czerny nur schwer zuordnen, auch wenn er mit seinem kritischen Blick auf Gesellschaft und Konsum und nicht zuletzt den immer wieder auftauchenden Liedern zu den Themen Natur und Umwelt doch etwas seiner Vorreiter aufgreift. Es wirkt bei den Artikeln so, als habe Czerny ein Publikum gehabt, wenn auch kein sonderlich großes, denn anderenfalls - siehe oben bezüglich ausführlichere Konzertbesprechungen.
So viel mehr hab' ich nicht finden können ... "EInmal im Jahr Tapetenwechsel" scheint im schwedischen Rundfunk für Deutschunterricht herangezogen worden zu sein, was das auch immer an Auszeichnung sein mag.
Gruß
Skywise
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