Grundsätzliche Informationen zum Projekt "Jeden Tag ein neues Lied"
Am 01.01.2023 habe ich mit das Projekt Jeden Tag ein neues Lied gestartet.
Das Prinzip ist simpel und bereits im Namen wird erklärt, was genau ich damit meine: ich werde jeden Tag in diesem Forum ein Lied des Tages posten und in Form eines Videos in den Beitrag einbauen.
Die Idee dahinter ist, mich selbst mit den Liedern auseinanderzusetzen, meine Einstellung bzw. meine "Beziehung" zum jeweiligen Lied zu beschreiben UND gleichzeitig alle dazu einladen, die eigene "Geschichte zum Lied" mit den anderen Besuchern des Forums zu teilen.
Zu jedem Lied starte ich zudem eine Umfrage, die eine Woche laufen soll und bei der alle kurz und knackig ihre Einstellung zum Lied abgeben können, ohne eigenen Beitrag.
Das Prinzip ist simpel und bereits im Namen wird erklärt, was genau ich damit meine: ich werde jeden Tag in diesem Forum ein Lied des Tages posten und in Form eines Videos in den Beitrag einbauen.
Die Idee dahinter ist, mich selbst mit den Liedern auseinanderzusetzen, meine Einstellung bzw. meine "Beziehung" zum jeweiligen Lied zu beschreiben UND gleichzeitig alle dazu einladen, die eigene "Geschichte zum Lied" mit den anderen Besuchern des Forums zu teilen.
Zu jedem Lied starte ich zudem eine Umfrage, die eine Woche laufen soll und bei der alle kurz und knackig ihre Einstellung zum Lied abgeben können, ohne eigenen Beitrag.
Auf die Idee, mich heute mit diesem Lied aus den Anfangsjahren des Liedermachers zu beschäftigen, bin ich gekommen aufgrund dieses Kommentars von Viktor:
Lieber @Viktor, Du hast mit zwei Dingen recht: 1. bin ich echt ziemlich verrückt (würde Dir im Zweifel aber den Vorrang gebenViktor hat geschrieben: ↑Fr 6. Jan 2023, 12:11migoe: Das mit den längsten Songtiteln ist ja mal ein kurioses Untersuchungsfeld. Du bist ja verrückter als ich!
Da fällt mir auf, dass dieses Lied sich mit dem "oder" im Titel natürlich einen Vorteil verschafft. "Lied auf dem Grund eines Bierglases gelesen - Vor mir auf dem Tisch ein Krug voller Bier" hat ebenfalls beide Titel hintereinanderweg auf der Albumrückseite abgedruckt, aber verzichtet blöderweise aufs "oder", wäre sonst sicher heiß im Rennen.

Die auf den LPs aufgedruckten Titel haben mich darauf gebracht
Der Text handelt davon, wie der Erzähler in einer Kneipe sitzt und (ein) Bier (nach dem anderen) trinkt, während er über das Leben nachdenkt. Er denkt an verschiedene Dinge, wie die Zukunft, den Tod und den Krieg. Der Erzähler genießt es, in der Kneipe zu sitzen und sich Gedanken zu machen, während er dem Geiger zuhört, der für ihn spielt und er beschließt, noch ein wenig länger in der Kneipe zu bleiben, bevor er sich auf den Weg ins Jenseits macht. So interpretiere ich dieses Lied (ganz grob gesagt), auf musikguru.de wird der Song etwas anders interpretiert, nämlich:
Wie würdet ihr es interpretieren?Interpretation des Songs auf musikguru.de hat geschrieben:Der Protagonist erkennt schließlich, dass es einen Hoffnungsschimmer gibt, solange noch Musiker in Kneipen spielen. Er bestellt sich zum Schluss noch ein Bier.
Für mich zeigt dieses Lied (neben einigen anderen in der damaligen Schaffensphase des Künstlers) ganz klar seine Herkunft aus dem bürgerlichen Millieu und auch, dass er ein "typischer" Student der 68er-Generation war. Naja, nicht typisch im Sinne, dass er auf die Straße gegangen ist und gegen die Generation der Eltern und Großeltern offen aufbegehrt hat. Das war nicht sein Ding und dafür wurde er ja von eben diesen "Revolutionären" auch angefeindet und vielleicht sogar verachtet. Ich meine, er war ein typischer junger Mann seiner Zeit / Generation und das drückt sich in diesem Text aus, denn die Themen, die ihn hier beschäftigen, haben ALLE jungen Menschen am Ende der 1960er Jahre beschäftigt.
25 Jahre nach dem 2.Weltkrieg hatte die junge Generation die Revolution im Blut
Nach dem Prolog beschreibt der Text, wie der Erzähler in der Kneipe sitzt und das Licht beobachtet, wie es sich "in tausend funkelnden Perlen bricht" - herrliche Prosa. Während er das Licht beobachtet, denkt er an verschiedene Dinge, wie die Vergangenheit, die Zukunft, seine Zeche beim jüngsten Gericht (eine Redewendung, die auf die Vorstellung verweist, dass die Menschen für ihre Taten im Leben Rechenschaft ablegen müssen) und Revolutionen. Er fragt sich, warum er noch am Leben ist, angesichts all der Gewalt und Katastrophen, die in der Welt um ihn herum stattfinden. Der Erzähler schließt daraus, dass er wahrscheinlich verschont wurde, weil er meistens in der Kneipe ist, wo es sicher ist. Die "innere Logik" dieser Einstellung ist zwar etwas kindlich und naiv, aber durchaus nachvollziehbar! Er bestellt sich daraufhin noch ein Bier. Der Text ist entstanden in den Unruhezeiten 1968/69. Revolution war aber nicht die Sache des jungen Reinhard Mey, im Gegenteil, war er davon abgeschreckt und für ihn war der Kneipengang attraktiver und "weltbewegender" als die Gewalt, mit der seine Generation versuchte, die Republik zu verändern. Einige Jahrzehnte später hat er diese Einstellung in Douce france so ausgedrückt:
Bemerkenswert finde ich in diesem Zusammenhang auch die Rezension der Sammeledition Jahreszeiten (1967 - 2013) von WELT-Redakteur Michael Pilz, der 2014 in seinem Artikel Wie mir Reinhard Mey Deutschland erklärte in Anspielung auf das Lied Ein Tag, welches auch auf Ankomme Freitag, den 13. (Lied Nr.10) drauf ist, anmerkt:Douce france hat geschrieben:Ich sah Pflastersteine fliegen, sah die Fratze der Gewalt,
Sah die Klugheit unterliegen, sah die Hand zur Faust geballt,
Sah sie offen ausgestreckt und zur Versöhnung schon bereit,
Lebte Freiheit, fühlte Gleichheit und ich fand Brüderlichkeit.
Michael Pilz hat geschrieben:Noch einmal zurück ins legendäre Frühjahr 1968: Reinhard Mey flogen in seiner Wahlheimat Paris die Pflastersteine um die Ohren. In Berlin trat er damals mit Hannes Wader im „Quartier Latin“ auf, so hießen die Clubs des Westens, „Go In“ oder „Reichskabarett“, und sang über die Pflastersteine in den deutschen Städten: „Der Pflasterstein nach dem elften Schritt links/ Der hebt sich hervor wie ein Prophet/ Und gläubiges Moos umwächst ihn rings/ Und wartet darauf, dass die Zeit vergeht.“ Am Ende von „Ein Tag“ fällt ein Betrunkener über den festgefügten Stein im Pflaster auf die Straße zwischen Kneipe und Kirche. Dann ist Ruh‘ im Land der Langeweile und des Glücks.
Oh nein, der Artikel ist nicht mehr online verfügbar, was soll ich nur machen?
Herr Charon setzt uns noch nicht über den Styx
In der zweiten Strophe wird Herr Charon als Synonym für den Fährmann des Flusses Styx verwendet, der in der griechischen Mythologie dafür verantwortlich ist, die Seelen der Verstorbenen über den Fluss zu bringen, der die Welt der Lebenden von der Welt der Toten trennt. Herr Charon als eine Art Grim Reaper (in späteren Texten nennt Mey ihn auch Sensenmann oder "grimme Schnitter"...), der zur Kneipe kommt, um den Erzähler zu holen und ihn in das Jenseits zu bringen. Der Erzähler versucht jedoch, Herrn Charon davon zu überzeugen, dass es noch nicht an der Zeit ist, ihn zu holen, und bestellt sich stattdessen noch ein Bier.
Musik ist alles, Musik ist mehr

In der dritten Strophe beschreibt er, wie laut seiner Kneipenphilosophie ihm ein Geiger unentwegt in seinem Mittelohr-Jalousie etwas geigt, was ihm die Brille beschlagen lässt. Was für ein Bild hier aufgemacht wird. Zunächst habe ich mit dem Begriff gekämpft, aber ich denke, er meint damit ganz einfach das Trommelfell. Gibt es noch andere Begriffserklärungen? Der Geiger spielt auf jeden Fall so schaurig schön "in seiner Eustach'schen Röhre" (ein Kanal im Ohr, der Schallwellen zum Trommelfell leitet), dass er sich wie neugeboren fühlt und all seine Sorgen und Ängste verschwinden. Der Erzähler schließt daraus, dass es noch Hoffnung gibt, solange der Geiger spielt und noch nicht aufhört. Der Morgen dämmert durchs Fenster und der Wirt wird dem Erzähler wahrscheinlich noch ein Bier borgen.
Typisch meysche Wortschöpfungen und schöne Formulierungen
Das Lied kommt so unscheinbar daher in seinem melodischen und ruhigen "Paris-der-60erJahre"-Style, hat es aber faustdick hinter den Ohren und es wundert mich, dass es den Song nicht auch in einer französischen Version gibt, zumindest ich habe nix dazu gefunden...Hier ein paar Beispiele für gelungene Formulierungen bzw. typische Mey-Wortschöpfungen:
weiße Mütze von Schaum - räume in meinen Gedanken auf - während ich zusehe, wie sich das Licht in tausend funkelnden Perlen bricht - denk ich an alles und denke an nichts - Es kracht im Gebälk rings um mich her - In meinem Mittelohr-Jalousie -schaurig, dass mir meine Brille beschlägt
Clever gesetzte Reime machen den UnterschiedDas Reimschema, welches Reinhard Mey hier verwendet ist bemerkenswert, denn er unterteilt die Strophen jeweils in 3 Blöcke in der Form ababcc ababcc ababcc ... nächste Strophe ... und das Lied endet in einem Epilog im Reimschema abab indem er die ersten 4 Zeilen der ersten Strophe wiederholt. Das ist eine gute Methode, um dem Lied in einen bildlichen Rahmen zu packen, denn es endet so, wie es beginnt und es ist leicht, sich in die Situation zu versetzen, dass man Reinhard in einer Kneipe antrifft und ihn fragt: "Hey Reinhard, was machst Du hier?" und er beginnt direkt mit seiner Erzählung...
Meine Wertung:Prolog & Epilog des Lieds sind identisch und bilden somit eine gute Klammer hat geschrieben:Vor mir auf dem Tisch ein Krug voller Bier
Eine weiße Mütze von Schaum darauf
So hab ich es gerne, so sitz ich oft hier
Und räume in meinen Gedanken auf


Das Lied vom Grunde eines Bierglases gelesen wurde auf dem Album Ankomme, Freitag den 13. veröffentlicht. Das Album war das zweite deutschsprachige Studioalbum von Reinhard Mey und erschien im Jahr 1969 bei Intercord. Produziert wurde das Album von Walther Richter, der auch weitere Alben von Reinhard Mey produzierte. Richter komponierte und produzierte auch Lieder und Alben von Ulrich Roski, Joana, Inge & Wolf sowie Hana Hegerova...
Weitere Informationen zur Produktion und zu Mitwirkenden bietet die Datenbank von discogs.com
Titelliste von "Ankomme Freitag, den 13."
- Ankomme Freitag, den 13. – 4:51
- Irgendwann, irgendwo – 2:21
- Klagelied eines sentimentalen Programmierers– 3:11
- Warten – 3:05
- Lied, auf dem Grund eines Bierglases gelesen (Alternativ: Vor mir auf dem Tisch ein Krug voller Bier) – 4:13
- Manchmal, da fallen mir Bilder ein 4:30
- Diplomatenjagd – 3:01
- Heute noch – 3:15
- Kaspar – 4:27
- Ein Tag – 4:27
- Heimkehr – 3:00
- Lied zur Nacht – 3:02