Danke, dass Du, lieber Viktor, auf diese Doku aufmerksam machst. Ich hatte sie letzte Woche auch gesehen und mir vorgenommen, einen Betrag dazu zu schreiben, es aber dann nicht sofort gemacht und danach vergessen
Viktor hat geschrieben: ↑Mi 14. Dez 2022, 18:20Die großen Stars können bei der Preisgestaltung immer noch mitreden - wenn sie denn wollen.
Ich denke, es ist keine Frage von "wollen" sondern eher eine Frage des "müssen", wenn von den wirklich großen Stars gesprochen wird. Ist natürlich nicht bei allen so, aber meine Einschätzung ist, dass bei vielen Stars und Bands heute im Vergleich zu - sagen wir vor 20 Jahren - die professionelle und strukturierte Vermarktung zugenommen hat, und das vor allem aufgrund des geänderten Konsumverhaltens, was wiederum damit zu tun hat, wie heute Musik konsumiert/gehört/gekauft wird. Anfang der 2000er Jahre wurde die Musikbranche über den Verkauf von Tonträgern (CD/Vinyl/MC/Video/DVD) finanziert.
Die folgende Grafik zeigt die Anteile der Ertragsanteile beim Verkauf einer CD für 15.99 € aus 2008 (andere Daten habe ich nicht gefunden). Wer sich genau darüber informieren will, findet diese und weitere Informationen auf der Webseite
delamar.de
Anteile beim Verkauf einer Musik CD
Screenshot_Delamar_Was verdient ein Künstler am Verkauf einer CD.jpeg
Es ist direkt zu erkennen, dass der finanzielle Ertrag am Verkauf einer CD zwar "nur" 4% beträgt/betrug, dafür aber auch der Vertrieb und die Arbeit des Managements und der Plattenverträge über den Verkaufspreis erwirtschaftet werden konnten. Wenn also ein*e Künstler*in bzw. Band eine gewisse Menge von Tonträgern verkaufen konnte, waren bereits dadurch schon viele ausreichend versorgt. Konzerte waren also vor allem wichtig, um den Verkauf der CD zu pushen und weniger die Haupteinnahmequelle der Künstler*innen.
Doch diese Situation hat sich in den vergangenen 20 Jahren vollkommen verändert, vor allem seit 2010 ist der Markt um 4/5 geschrumpft, wie die
de.statista.com Auswertung es zeigt:
Die Zahlen bei Statista.de zeigen dass sehr eindeutig!
Screenshot_Statista_Rückgang Verkäufe Musik CDs 2001-2021.jpeg
Mit diesem Wissen ist es, für mich zumindest, nachvollziehbar, dass die finanzielle Situation auch für richtige große Stars in der Musikbranche sich komplett gedreht hat und schon 2018 Konzerte und Tourneen DIE Haupteinnahmequelle für diese geworden ist. Der Verkauf einer CD war/ist nicht mehr der Hauptzweck der eigenen künstlerischen Arbeit, sondern eigentlich nur noch eine Art "Service" und ein Nebenthema, welches nicht mehr groß auf der Einnahmenseite bedeutend ist. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass sich der Anteil von 4% im besten Fall nicht verändert hat, so muss auch gesehen werden, dass eine CD heute oft nur noch ca. 8-10 € im Durchschnitt kostet.
Damit sind die Einnahmen nicht nur durch den Verkaufseinbruch zurückgegangen, sondern auch durch den Verkaufspreisrückgang sind die Einnahmen fast vollständig verschwunden. Auch dazu, wie sich der Umsatz im Musikmarkt weltweit seit dem 1970er Jahren entwickelt hat, gibt es eine sehr aufschlussreiche Auswertung aus
statista.de
Die Grafik zeigt den inflationsbereinigten Musikumsatz in den USA
Screenshot_Statista_Was hat die Musikbranche seit 1999 verändert.jpeg
Matthias Brand schreibt zu dieser Grafik hat geschrieben:1999 war ein extrem umsatzstarkes Jahr für die US-Musikindustrie. 21,5 Milliarden US-Dollar wurden damals erwirtschaftet - davon 89 Prozent durch CDs. Gut möglich, dass sie damals in den Chefetagen der Major Labels dachten, dass es genau so weiter gehen würde. Tatsächlich sollte es aber erstmal für mehr als ein Jahrzehnt bergab gehen für die Branche, wie die Statista-Grafik zeigt. Schuld daran war maßgeblich das Internet, dessen Möglichkeiten von den Musikmanagern lange nicht erkannt worden waren. 2018 hat sich das längst geändert, wie auch das dominierende Medium. Streaming ist mit einem Umsatzanteil von 75 Prozent die neue Nummer 1 in den USA und hat dafür gesorgt, dass das Musikgeschäft wieder anzieht. Von der Größe des Jahres 1999 ist die US-Musikindustrie mit 9,8 Milliarden US-Dollar Umsatz indes immer noch weit entfernt.
Nach all dem Gelaber, das kurze aber schmerzhafte Fazit:
Der Konsument kauft heute keine CD mehr, sondern streamt seine Musik zu einem Bruchteil der Kosten im Vergleich zur Hochzeit der CD Verkäufe.
Der Musikbranche ging es schon vor der Corona Pandemie nicht gut. Die monatelangen Auftrittsverbote und die daraus erfolgten Einnahmeausfälle haben die Situation von Künstlern und Veranstaltern noch einmal geschwächt.
Nun versuchen alle Branchenteilnehmer, ihre Position im Markt zu finden und die eigene Situation stabil und Planungssicherheit zu gestalten.
Marc hat geschrieben: ↑Mi 14. Dez 2022, 21:36Tja, und dann ist da das eigene Verhalten: Ausgerechnet bei kleineren Veranstaltungen warte ich mittlerweile mit dem Kauf eines Tickets - da geht es mir wie Dir, Viktor. Gründe: Etwaige Krankheit, mögliche Verlegungen… lieber Reihe 10 und dafür spontan. Für manchen „Kleinkünstler“ und für manche „Kleinkunstbühne“ gar nicht gut - ich sollte mein Verhalten ändern…!
So ehrlich wie Viktor und Du, lieber Marc, möchte ich auch sein, denn mir geht es genauso, wie Ihr es geschrieben habt. Die letzte Konzertkarte, die ich gekauft hatte, war 2020 die Karte für's Konzert von Reinhard Mey. Seitdem habe ich mich zurückgehalten und auch kein Konzert (außer eben Reinhard Mey) mehr besucht. 2 mal hätte ich die Gelegenheit gehabt, in der Nähe Konzerte von Wolfgang Buck und Bodo Wartke zu besuchen und habe letztlich verzichtet.
Da stecken die Künstler*innen in einem Dilemma, weil sie immer weniger planen können und gleichzeitig immer weniger Geld verdienen können. Die Konzertbesucher*innen stecken im Dilemma fest, unsicher zu sein, ob ein Konzert überhaupt stattfindet und wenn nein, ob sie dann das vorgestreckt Geld unkompliziert zurückbekommen (wenn gewünscht).
UiUiUi, jetzt habe ich nicht mal alles geschrieben, was mir auf der Zunge liegt, aber jetzt ist erstmal Schluss! Bin gespannt, ob jemand eine Lösung oder einen anderen Blick darauf hat...
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