Okay, dann ein wenig detaillierter.
Wenn man's genau nimmt, sind die CDs falsch sortiert innerhalb der Veröffentlichung. Eigentlich müsste man mit der
CD 3 "Im kleinen Club (Historische Aufnahmen)" anfangen. Die CD bietet zwar die schlechteste Tonqualität der drei, an einigen Stellen leiert die Datenquelle recht gut vernehmbar und es gibt auch ein paar Aussetzer, möglicherweise verursacht durch ein geklebtes Band, aber hier bekommt man Zupfgeigenhansel zu ihrer Anfangszeit auf die Ohren, noch ohne jiddische Lieder, noch ohne Texte von Theodor Kramer und noch ohne Plattenvertrag. Das hier ist gewissermaßen die Basis ihrer ersten drei Alben "Volkslieder 1", "Volkslieder 2", "Volkslieder 3 - Im Krug zum Grünen Kranze" (im Jahresrhythmus 1976–1978), und hier hört man auch noch Material, das einige Wegbereiter und -begleiter vor Zupfgeigenhansel bereits etabliert hatten, egal ob es sich dabei um Peter Rohland oder um Hein & Oss handelt. Wahrscheinlich fielen bei der Zusammenstellung der Schallplatten später einige Lieder unter den Tisch, weil sie zur selben Zeit bereits von anderen Interpreten oder Gruppen aufgegriffen worden waren (z. B. Fiedel Michel, Liederjan) und Schmeckenbecher/Friz sich nicht unnötig Vergleichen aussetzen wollten. Einiges wirkt im Vortrag noch nicht so ausgereift, die Tonqualität schluckt an der einen oder anderen Stelle die exakte Wortwahl, das Publikum würde ich an dieser Stelle verbuchen unter "akustisch nicht vorhanden", eventuell vorhandene Ansagen wurden ausgeblendet - ob dies bereits bei der Quelle der Fall war oder ob man sich erst bei der aktuellen Nachbearbeitung dazu entschlossen hat, wird nicht aufgeklärt -, aber hey, es ist ein unerwarteter Einblick in die unmittelbare Zeit vor den ersten Aufnahmen. Und ein paar ausgiebig in Nostalgie eingelegte Erinnerungen gibt's noch im dazugehörigen Booklet obendrauf.
01 O König von Preußen
02 Die Hungersnot
03 Bibel und Flinte
04 Die Trommel
05 Die Bauern von St. Pölten
06 Papst und Sultan
07 Ach, bin ich nicht ein armer Mann
08 Wenn ich ans Heiraten denke
09 Es soll sich ja keiner mit der Liebe abgeben
10 Schab ab - Tanz
11 Es het a Buur es Töchterli
12 Lieber Nachbar
13 Der Winter ist vergangen
14 Lied der Pariser Kommune
15 Es kann ja nicht immer so bleiben
16 Hallo zum wilden Jagen
17 Arbeiter - Stille Nacht
18 Der Revoluzzer
19 Ich hab die Nacht geträumet
20 Stets in Trauern muß ich leben
21 Der Kuckuck
22 O Klosterleben
23 Die Vögelhochzeit
24 Schnada-Hupf
Es folgt
CD 2 "Live auf großen Bühnen". 1980 erschien das Zupfgeigenhansel-Album "Eintritt frei", auf CD (möglicherweise unfreiwillig) neu aufgelegt als "Oj! Oj! Oj! Ein jiddisch-deutsches Konzert". Von diesem Mitschnitt ist hier nichts zu hören, allerdings stammen die Bänder, die die Basis für die Auswahl bildeten, allesamt aus derselben Zeit - oder soll man sagen "von derselben Tournee"? -, von daher überrascht es nicht, dass zwei Drittel der Lieder von "Eintritt frei" auch hier enthalten sind. Inhaltlich - nun, die drei "Volkslieder"-Alben waren mittlerweile erschienen, die "Jiddischen Lieder" ebenfalls, und das Material dieser vier Alben bildet hier den Schwerpunkt. Da sich Zupfgeigenhansel bei dieser Gelegenheit mit Bruno Brandenberger und Lutz Berger an Baß und Violine verstärkt haben, werden noch einige weitere Stücke eingestreut, bei denen die Mitmusiker entweder ein wenig glänzen dürfen oder das erweiterte Instrumentarium dazu genutzt wird, ein wenig Druck zu machen (z. B. "Schwobaexpress", auch bekannt als "Auf der schwäbsche Eisebahne" und "Das Windlied"). Im Gegensatz zur dritten CD wurden bei "Live auf großen Bühnen" mehrere Bänder als Quelle verwendet, und man hat sich keine Mühe gemacht, das zu verbergen, wozu auch. Das führt erstens zu Schwankungen in der Tonqualität - mal stehen Schmeckenbecher und Friz mit ihrem Gesang ganz klar im Vordergrund, während die Stimmen an anderen Stellen ein einem sumpfigen Klang und der geballten Macht von vier Instrumenten versinken, was auch dem Textverständnis abträglich ist. Bezeichnen wir zweitens die Übergänge zwischen den Titeln einfach mal als "amateurhaft", halt so das, was man selbst hingekriegt hat, wenn man früher Titel auf Cassette gebracht hat - deutlich vernehmbare Brüche im Applaus und so. Aber zugegebenermaßen gewinnt das Album dadurch irgendwie auch, denn es paßt so gut zur damaligen Zeit. Kassettenkind halt. Ansagen beschränken sich hier meistens auf einen oder zwei simple Sätze, auch hier stehen die wertvollsten Informationen zu den Liedern im dazugehörigen Booklet. Eine hörenswerte Ausnahme bildet der Titel "... aus der Badischen Zeitung", in dem ein Zeitungsartikel das 1978 erschienene Zupfgeigenhansel-Liederbuch "Es wollt' ein Bauer früh aufstehn - 222 Volkslieder" so herrlich absurd zerreißt, daß man ihn einfach nur unkommentiert laut vorlesen muß, um Heiterkeit im Saale zu erzeugen, was Zupfgeigenhansel gemerkt haben. Da wie bereits angedeutet das Publikum in diesem Fall ebenfalls zu hören ist, sei hier noch die bemerkenswert unverkrampfte, durchgängig gute Stimmung bei den Konzerten hervorgehoben.
01 Schwobaexpress
02 Im Krug zum grünen Kranze
03 Ich bin ein freier Bauernknecht
04 Fordre niemand mein Schicksal zu hören
05 Als wir jüngst verschütt jegangen waren
06 Der Karmeliter
07 Die Bauern von St. Pölten
08 Wenn oiner a stoinigs Äckerle hot
09 Das Bürgerlied
10 Ich bin Soldat, doch bin ich es nicht gerne
11 Ein stolzes Schiff
12 Mein Vater wird gesucht
13 ... aus der Badischen Zeitung
14 Das Windlied
15 Wenn ein Kind geboren ist
16 Mein Kind wir waren Kinder
17 Di mame
18 Huljet, huljet kinderlech
19 Arbetlosemarsch
20 Dos kelbl
21 Di mesinke
22 Dire-gelt
23 Tsen brider
24 Wenn alle Brünnlein fließen
Und somit kommen wir zur
CD 1 "Das Beste der Studio CDs". Gleich vorweg: der Untertitel ist falsch, da erstens nicht alle von Zupfeigenhansels Studioalben stammen ("Deserteur" stammt von der Folkfreak-Kompilation "Wir wollen leben - Lieder gegen den Untergang", 1982), zweitens somit auch nicht alle Titel auf CD aufgelegt waren (selber Titel) und drittens - na ja, wie gesagt sind die CDs eigentlich verkehrt angeordnet. Während die dritte CD die Anfangszeit von Zupfgeigenhansel beleuchtet, die zweite sich dem mehr oder weniger Zenit der Karriere des Duos widmet, konzentriert sich CD 1 auf die "Zeit danach", bedeutet: die "Volkslieder"-Alben sind mit einem bzw. zwei Titeln vertreten, die "Jiddischen Lieder" mit dreien, der Rest speist sich aus den verbliebenen nachfolgenden vier Alben des Duos ("Miteinander", "Kein schöner Land", "Liebeslieder", "Andre, die das Land so sehr nicht liebten", 1982–1985) und zwei zusätzlichen Liedern. Verständlich, wenn man sich die beiden Live-CDs anschaut, die ja bereits die populären Lieder der ersten Alben enthalten, insofern wollte man hier Dopplungen vermeiden, aber somit enthält CD 1 halt trotzdem nicht "das Beste"

, ohne die Zusammenstellung abwerten zu wollen.
Wie bereits zuvor gesagt, spart das dazugehörige Booklet an Informationen zur Quelle des Lieds ... kriegen wir aber geregelt.
01 Miteinander (5)
02 Es wollt ein Bauer früh aufstehn (1)
03 Es, es, es und es (1)
04 Soldatenschicksal (2)
05 Wenn ich einmal der Herrgott wär' (3)
06 Waldfest (5)
07 Gesang der Edellatscher (6)
08 Bella ciao (5)
09 Neue Liebe, neues Leben (7)
10 Oj, dortn, dortn (4)
11 Di grine kusine (4)
12 Lomir sich iberbetn (4)
13 Ein Krampenschlag vor Tag (8)
14 Beim Stromwirt (8)
15 Es ist schön (8)
16 Trinklied vom Abgang (8)
17 Andre, die das Lied so sehr nicht liebten (8)
18 Ein schönes Land (6)
19 Es ist ein Schnee gefallen (7)
20 Nicht nur nebenbei (7)
21 Deserteur (aus "Wir wollen leben")
22 Es dunkelt schon in der Heide (mit Hannes Wader und dem Black) (ursprünglich "Volkslieder 2", in der vorliegenden Fassung auf dem Album "2007" bzw. "Romantik 2007")
23 Muß i denn, muß i denn ... (6)
(1) "Volkslieder 1", 1976
(2) "Volkslieder 2", 1977
(3) "Volkslieder 3 - Im Krug zum Grünen Kranze", 1978
(4) "Jiddische Lieder ('ch hob gehert sogn)", 1979
(5) "Miteinander", 1982
(6) "Kein schöner Land", 1983
(7) "Liebeslieder", 1984
(8) "Andre, die das Land so sehr nicht liebten" (1985)
Also, Fazit. "Miteinander - 50 Jahre 70 Lieder" probt einen Spagat. Diejenigen, die Zupfgeigenhansel nicht oder nur oberflächlich kennen, sollen ebenso etwas zum Entdecken haben wie die Kenner, also bekommt man unveröffentlichte Aufnahmen hier ebenso an die Hand wie eine Kompilation. Das Konzept an sich geht eigentlich sehr gut auf - 71 Stücke, gut dreieinhalb Stunden Spielzeit und ein ordentlich geschnürtes Bündel an Informationen bekommt man zu einem angemessenen Preis. Naturgemäß müssen hier einige Augen zugedrückt werden aufgrund der nicht immer optimalen Tonqualität sowie der leider weggefallenen Studio-Arrangements, aber das gleichen Spielfreude und reichlich bislang unveröffentlichtes Material bequem wieder aus. Bei der Kompilation kann man sich zumindest darüber freuen, dass hier der Fokus auf den Alben liegt, die man tendenziell schwierig auf CD bekommt, da die Alben abseits der "Volkslieder" und "Jiddische Lieder" nur kleine CD-Auflagen erlebt haben; "Andre, die das Land so sehr nicht liebten" ist meines Wissens derzeit auch nicht als Download zu bekommen.
Aktuelle Entwicklungen lassen vermuten, daß das Zupfgeigenhansel-Archiv noch mehr zu bieten hätte - vor einigen Tagen wurde "Miteinander" in einer Live-Version von 1982 als Download veröffentlicht. Ob man diese 3-CD-Box als einen Testballon versteht, um das aktuelle Interesse an Zupfgeigenhansel-Material auszuloten, entzieht sich meiner Kenntnis, aber gegen eine Fortsetzung, wenn auch in etwas kleinerem Maßstab, hätte ich nichts einzuwenden. Veröffentlichung gelungen. Weiter im Text.
Gruß
Skywise