„An mir liegt's nicht“ - vielleicht aber am „Meinungsbunker“ oder an „Rita Lynn“?!
Uwe X bewegt mit seinem neuen Album frisch aus dem Release-Konzert (11.02.2017)
Zugegeben, wenn man die starken neuen Lieder von Uwe X. (Schäfer) nicht erst auf dem Release-Konzert, sondern bereits bei einem Release-Release-Konzert Mitte Januar genießen durfte, wäre es wohl kaum zu viel verlangt, dass die CD-Besprechung wie geplant zur Veröffentlichung fertig ist...war sie aber eben leider nicht!
Die Entschuldigung dafür liefert – praktischerweise – direkt der Albumtitel „An mir liegt's nicht“ - dann schon eher am Alltagsstress und an Zeitmangel. Doch was lange währt, wird endlich gut – und zum Glück haben Lieder und CDs ja kein Verfallsdatum!
Auch in seinem fünften Album bleibt der engagierte Pfarrer und Liedermacher seinem individuellen Stil treu: einer Mischung aus Blues, Folk und Rock, aussagekräftigen Texten, einer guten Prise Humor, den Instrumenten, die er selbst spielt (Gitarre, Irische Bouzouki, Bluesharp, Footpercussion), sowie seinem Bandkollegen Jojo Walter am Bass. Neu sind Hanjo Gäbler am E-Piano sowie die Stimme von Hannah Tinkybell in mehrstimmigen Passagen, und es gibt erstmals ein Cover unter den zehn neuen Songs, was sonst eigentlich gar nicht Uwe X.'s Ding ist (man erinnere sich nur an „Hömma, wenn ich du wär, dann wär ich lieber ich!“): Doch bei Carsten Cullas „Verlorene Söhne“ (oder wie es im Heimatdialekt des Ennepetalers so schön hieße „Wechgekommene Blagen“) stimmt einfach die Identifikation zu 100 Prozent - „Genau so hätte ich über das Thema auch geschrieben, ein großartiges Lied von Carschti!“, kommentiert Uwe X seine Wahl. Inhaltlich handelt es von dem biblischen Gleichnis vom verlorenen Sohn, allerdings eher noch aus „psychologischer“ Perspektive.
Religiösen Bezug, wahrscheinlich schon von Berufs wegen, haben dann noch zwei weitere Songs: das ruhige und stimmungsvolle „Bei Dir zuhause“, das die Dankbarkeit, sich bei Gott geborgen zu fühlen, ausdrückt, und das rockige und selbstironische Titelstück „An mir liegt's nicht“, das an die Haltung des betenden Pharisäers gegenüber dem Zöllner angelehnt ist. Frei nach dem Motto: Die Welt könnte so viel schöner sein, wenn alle so wären und sich so korrekt verhalten würden wie ich!
Mit viel Schwung und mal mehr, mal weniger Country-Stil, aber immer sehr eingängig, kommen „Rita Lynn“, eine ironisch-witzige Lobeshymne auf das wohl bekannteste Beruhigungsmittel bei ADHS, und „Nach leer kommt implodier'n“ daher. Letzteres hat eine sehr gute und lebensnahe Message, gerade bei Workaholics oder Menschen mit Helfersyndrom: „Mehr geben, als man hat, nein, das kann nicht funktionier'n // denn nach voll kommt leer, und nach leer kommt implodier'n!// Was and're von dir woll'n, das ist lange keine Pflicht, // gib fröhlich, was du kannst, doch vergiss dich dabei nicht!“ Auf das Implodieren kam Uwe Schäfer laut Ansage übrigens durch sein persönliches Unwort des Jahres: „Leergut – na, wenn meine Flasche Bier leer ist, dann ist das gar nicht gut! Doch dann hab ich überlegt, was wohl passieren würde, wenn ich versuchte, aus der leeren Flasche immer weiter zu trinken – die würde implodieren, also ist es dann doch gut, wenn ich merke, wann sie leer ist!“
Im Kontrast zu diesen sehr humorvollen Stücken stehen „Gnadenloser Richter“, ein Blues mit hervorstechender Basslinie und Bluesharp im Zwischenspiel, das sich mit dem Auflehnen gegen den eigenen, inneren Richter und Zensor befasst und diesen letztlich rauswirft, und „Meinungsbunker" , das sich dann mehr den schädlichen Einflüssen von außen zuwendet: Es plädiert für mehr Toleranz im Gegensatz zu starren, festgezurrten Meinungen und Haltungen, die absolut gesetzt werden und damit ausgrenzen. Man sollte sich nicht in solche Meinungsbunker zurückziehen, und vor allem anderen, die sich daraus befreit haben, nicht die Luft zum Atmen nehmen. Hinterfragen, reflektieren, sich weiter entwickeln, Fragen zu lassen, wäre die sinnvolle Alternative.
Auch Liebeslieder dürfen auf dem neuen Album nicht fehlen: „Sinn gehabt“ beschäftigt sich humorvoll mit der Frage, was denn geworden wäre, wenn man denn Maler, Barde, Eismann oder Erfinder wäre und in jeder Rolle seine Liebste verwöhnte – was allem gemeinsam ist: „Ich hätte nicht umsonst gelebt, denn mein Leben hätte Sinn gehabt.“ Die Situation, wenn einen die Liebe schlagartig, wie ein Blitz überkommt, beschreibt die Rockballade „Schmetterling“, die analog zum „Feel-good-Movie“ als „Feel-Good-Song“ bezeichnet werden könnte, textlich wie musikalisch: „Schmetterlinge aus dem Paradies // starten durch, wenn der Amor seine Pfeile verschießt, // wenn die Sehnsucht kommt, alle Tränen vergießt, // wenn man überfließt und es so genießt!“
„Wenn du traurig bist“ spendet durch seinen Refrain Trost und die Gewissheit, nicht allein zu sein. Musikalisch setzt Uwe X dies durch unterschiedliche Tonarten und Rhythmen in Strophen und Refrain um. Als Bonustrack hat der Liedermacher „Tanzen auf Scherben“ ausgewählt und neu aufgelegt. Ein tiefgründiger Song, der auf jeden einzelnen, insbesondere aber sicherlich auf die Schutzsuchenden anwendbar ist: die Kinder und Mädchen, die Uwe X zusammen mit Schlussstrich e.V. aus der Kinderprostitution bringen will. Das gesamte Album widmet er daher Triveni Acharya, einem „Engel der Barmherzigkeit. Gemeinsam mit ihrem mutigen Team rettet sie Tausende von Mädchen aus der Zwangsprostitution und ermöglicht ihnen ein neues Leben.“
Wer ein Konzert von Uwe X besucht oder eine CD kauft, tut damit gleichzeitig ein gutes Werk, da der Erlös Schlussstrich e.V. zugute kommt, und sowohl bei organisatorischen Aufgaben der ehrenamtlich wirkenden Mitglieder sowie ganz konkret für Maßnahmen vor Ort und in Einzelfällen benötigt und eingesetzt wird.
Alle Texte zum neuen Album sowie Konzerttermine finden sich, wie gewohnt, auf der Website
www.uwex-musik.de
Anne Drerup