Ihr Lieben,
Viktor schrieb:
Ach ja, ich persönlich finde die Zusammenstellungen "fremder" Online-Eindrücke eigentlich ganz anregend, danke dafür, Marc. Aber gib zu: Du hast da doch korrekturgelesen, oder?
Ein Arzt kann doch auch nicht tatenlos an einem Hilfebedürftigen vorübergehen...!
Georg schrieb:
Die Rezensionen und Meinungen im Web von mir gänzlich unbekannten Menschen würde ich bei Bedarf ohnehin selbst suchen und lesen, aber dieser Bedarf besteht bei mir nicht.
Mich interessieren grundsätzlich alle Meinungen, wenn sie überzeugend begründet werden, egal, ob ich die Menschen kenne oder nicht, egal, ob ich die Meinungen teile oder nicht. Ich habe die Meinungen in erster Linie gesammelt und angefügt, weil ich sie interessant fand. Hier im Forum hat sich ja leider kein spontaner Austausch wie an anderer Stelle ergeben. Seis drum!
Hier meine ersten Gedanken zu den Liedern:
So viele Sommer: Es gibt Lieder, die man vielleicht nur als älterer Mensch schreiben kann, umso mehr berührt und bewegt mich dieses Lied auch als jüngerer Mensch. Die Frage, wie viele Sommer es noch geben mag, stelle auch ich mir, stellt sich vielleicht jeder irgendwann mal, besonders dann, wenn man mit einer tragischen Nachricht im Freundes- oder Familienkreis konfrontiert wird. Für mich eines der ergreifendsten Liebeslieder, die Reinhard Mey je geschrieben hat – vielleicht sogar das ergreifendste? Mein Lieblingsvers: „Blütenträume, die nicht erblühn.“
Im goldenen Hahn: Eines der wenigen Lieder, zu dem ich noch keinen Zugang gefunden habe. Ich mag die Mandoline, das Bild vom Rosenverkäufer, doch die letzte Strophe erschließt sich mir noch nicht.
Dr. Brand: Hach, Dr. Brand. Dr. Brand kannte ich als Schüler und kenne ich auch jetzt als Lehrer. Natürlich heißt Dr. Brand in meinem Leben nicht Dr. Brand, aber er ist mir wohlvertraut, sodass mir das Lied nahe geht. Die versöhnliche Botschaft des Liedes finde ich anrührend. Musikalisch finde ich das Lied weniger packend.
Dr. Fellmann, Bonsai und ich: Cooles Arrangement, vielleicht mein Lieblingslied des Albums. Eine typische Mey-Ballade – das kann Reinhard. Mein Lieblingsvers: „Frisur wie Bert und Ernie und an den Seiten ausrasiert, / Elvis lebt und I Herz Mutti auf den Nacken tätowiert“. Das Bild, wie Herr Fellmann Opa Bölkes Zähne eintütet, der Geruch von Pipi im Haus Waldesruhe, wie Reinhard Opa Bölke imitiert, die Anspielung auf „Viertel vor Sieben“ – herrlich!
Lucky Laschinski: Erst überlesen: Das Lied ist Malene und Klaus Hoffmann, zwei großen Katzenliebhabern, gewidmet. Ein leichtes, nettes Lied, erstaunlich, auf welche Namen Lucky Laschinski hört. Wahrscheinlich kein Lied, das ich oft hören werde, aber Katzenliebhaber wie ich finden sich in den Versen natürlich wieder...
Mr. Lee: Geheimnisvoll, rätselhaft, packend. Was hat es mit der Havelchaussee auf sich? Wie viele Verbindungen zu anderen Liedern gibt es? Was hat es mit dem Bild vom Weißen Elefanten auf sich? Warum Mr. Lee, warum nicht...? Ein Lied, das mich sehr überrascht hat...
Wenn’s Wackersteine auf dich regnet: Drei liebevoll erzählte Geschichten, ein cooles Mandolinen-Solo, ein Refrain, den ich bereits munter mitsinge. Höre ich ein Lachen beim „Stacheldrahtzaun“? Mein Lieblingsvers: Dass Rita vom Matheüben nicht schwanger geworden ist (ich habe übrigens immer mit... Mathe geübt – aber das würde jetzt zu weit führen).
Wenn Hannah lacht: Ein Lied, das sich mir erst beim zweiten Mal erschlossen hat und mich dann wahrhaftig umgehauen hat. Wie lebensbejahend! Großartig! By the way: Starkes Gitarrenintro!
Hörst du, wie die Gläser klingen: Drei unfassbar anrührende Geschichten, dann diese mystischen Töne im Refrain, die wie aus der Vergangenheit in die Gegenwart tönen. Ein atmosphärisch unglaublich dichtes Lied. Schön: Reinhard (fast) allein mit seiner Gitarre (ich finde, dass er sich hinter den Virtuosen nicht verstecken sollte)! Passend: Das Bild im Booklet – die verregnete Fensterscheibe, der verschwommene Blick zurück.
Wenningstedt Mitte: Der „kleine Ort an der See“ und das „winzige Café“ sind mir wohlvertraut, auch der Kampf mit dem inneren Schweinehund, den ersten Schritt zu wagen – bei dem Lied fühle ich mich auf eigentümliche Weise ganz persönlich angesprochen.
Heimweh nach Berlin: Ich mag die lässige Melodie à la „Friedrichstraße“. „Berlin“ ließe sich mühelos durch „Hannover“ ersetzen, dann kann ich das Lied durchaus nachempfinden. Meine Lieblingsverse: „Wenn dicke Mädchen sich in enge Tops und Hot Pants zwängen / und sich miesepetrig in versiffte S-Bahnen drängen“, auch witzig: der „Gratis-Kaffee Togo“.
Im Haus am Meer: Das Lied empfinde ich atmosphärisch so dicht, so düster, dass ich bei jedem Hören eine Gänsehaut bekomme. Das Gitarrenspiel, die Geige, der starke Ausdruck in der Stimme – ein Lied, das mich enorm gepackt und in seiner Machart sehr überrascht hat. Hat Reinhard schon mal ein solches Lied geschrieben?
So lange schon: Tröstlich finde ich die Entwicklung vom verzweifelt-hoffnungsvollen Lied „Drachenblut“ zur liebevoll-schmerzhaften Erinnerung „Dann mach’s gut“ zum dankbaren Lied „Schon so lang“. Wie mögen Eltern diese drei Lieder hören, die Ähnliches erleiden mussten? Ich glaube, dass diese Lieder unglaublich viel Trost spenden können.
Zeit zu leben: Wie gut, dass diese Lied auf „So lange schon“ folgt. Es baut auf! Ich gestehe: Obwohl ich alle Alben von Klaus habe, hatte ich ausgerechnet dieses Lied ein wenig aus den Augen verloren. Nun habe ich es für mich wiederentdeckt. Die feengleiche Stimme von Tochter Victoria-Luise berührt mich sehr. Dass Hawo Bleich und Micha Brandt an dem Lied mitgewirkt haben, empfinde ich als Sahnehäubchen.
Lavender’s Blue: Bevor ich wusste, dass Reinhard dieses Lied singen würde, war klar, dass Constanze und ich zu diesem Lied auf unserer Hochzeit tanzen würden – umso mehr freue ich mich, dass wir jetzt eine Version gefunden haben, die wir beide besonders mögen... merci, Reinhard!
Das Booklet: Die Gestaltung finde ansprechend. Schmunzeln musste ich bei einigen Tippfehlern und Schnitzern („Instrument knallt zu sehr rein!“ bei „Wenn’s Wackersteine auf sich regnet“ und der arme Bonsai, der nicht am Rollator, sondern am „Rolltor“ festgezurrt wird). Was sich mir noch nicht erschließt: Warum dieser Oldtimer auf dem Cover?
Lieben Gruß!
Marc