Hallo Marianne,
wenn dein Mann bisher nur die englischen Cohen-Originale kannte, kann ich ein gewisses Zusammenzucken nachvollziehen. Dabei hätte er schon seit den späten 60ern die Möglichkeit gehabt, Cohen-Übertragungen in den Sprachen des "alten" Europas und darüber hinaus zu hören.
Es gibt bis heute über 700 erfasste Cover-Versionen von Cohen-Songs, unter anderem in italienischer, polnischer, ungarischer und tschechischer Sprache.
Bereits Ende der 60er nahmen Francoise Hardy und Herman van Veen den Titel "Suzanne" in ihren jeweiligen Muttersprachen auf.
"First we take Manhattan", einer der wenigen Chart-Hits Leonard Cohens am Ende der 80er, wurde von Wolfgang Niedeckens BAP in einer kölschen Version ("Eez steht he: Manhattan") gespielt.
Die von dir festgestellte "Respektlosigkeit" der schwiizerdüütschen Übertragungen würde ich eher "liebevolle Annäherungen" nennen. Die Mundart ist ja seit jeher die Sprache der "kleinen" Leute, die halt reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Da gehen Zärtlichkeit und Derbheit oft Hand in Hand, Gefühle können viel unmittelbarer als in den "Hochsprachen" transportiert werden. Die Texte des hier im Forum in letzter Zeit viel besprochenen und arg gescholtenen Hans Söllner sind für mich ein gutes Beispiel für die eindruckvolle Kraft der Mundart.
Ich habe es immer geschätzt und genossen, wenn sich Künstler getraut haben, ihre "Heroes" in die Muttersprache zu bringen (auch wenn es zuweilen in die Hose ging).
Mir taten sich damals Welten auf, als ich zum ersten Mal Jaques Brels "Ne me quitte pas" in Scott Walkers englischer Version "If you go away" hörte.
Das wiederholte sich dann viele Jahre später noch einmal, als Klaus Hoffmann endlich die Zeit für gekommen hielt, seinen Fans und denen, die es werden sollten, seine großartigen deutschsprachigen Brel-Interpretationen zu schenken.
Dass Leonard Cohen zuerst Poet war und dann Musiker wurde, ist richtig und falsch. Tatsache ist, dass er zuerst mit seinen Gedichten und Romanen Berühmtheit erlangte, bevor er die internationale Musik-Szene betrat.
Musiker war er aber schon mit 17 Jahren, als er in einer Montrealer Country-Western-Band spielte. Wer ihn einmal auf der Bühne die 12-saitige Gitarre hat spielen sehen/hören, weiß, dass er ein sauguter Musiker ist - nur lässt er dieses Talent nie raushängen.
Sein Anspruch mit seinen ersten Songs in den 60ern war es nach eigenem Bekunden, die "enttäuschten Mittdreißiger" zu erreichen. Dass er dann plötzlich die eher jugendliche "Woodstock"- und "Isle of Wight"-Generation erreichte, war ihm zunächst unheimlich.
Die Thierry Sechan-Songs gefallen mir übrigens gut. Mittlerweile gibt es ja wieder eine neue Generation von Musikern, die sich offensiv zu Cohen bekennt.
Und auch da hat es der Meister vorgemacht, wenn er ab und an einen seiner musikalischen Helden in seinen Texten auftreten ließ, wie hier in "Tower Of Song":
" I said to Hank Williams: how lonely does it get?
Hank Williams hasn't answered yet
But I hear him coughing all night long
A hundred floors above me
In the Tower of Song…"
Uups, so lang sollte mein Beitrag eigentlich nicht werden, aber wenn man einmal anfängt…
Liebe Grüße *zodiak*