Am Samstagabend war ich zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen zu Gast im 'Schüttekeller' in Bühl. Anfang Februar hatte ich bereits ein Konzert von Erich Schmeckenbecher besucht und damals die Homepage des Veranstaltungsortes angesehen. Zum 'Schüttekeller' gehört ein eingetragener Verein zur Förderung der Kleinkunst. Das Backsteingewölbe bietet Platz für ungefähr 120 Gäste, vielleicht auch mehr. Im Veranstaltungskalender entdeckte ich dann den Termin am 31.03./Timon Hoffmann.
Auf ihn bin ich bereits 2006 aufmerksam geworden, da war ich mit Michael Günther im 'Oxident' in Berlin bei einem Benefizkonzert für Tom Cunningham. Timon Hoffmann hatte, wie viele andere, nur einen kurzen Auftritt, aber der hat mich überzeugt und ich ließ mir seine CD Geiz ist geil schicken. Kurz darauf zog Timon von Berlin nach Hamburg, blieb somit weiterhin deutlich außerhalb meines Aktionsradius'. Letztes Jahr bei den 'Songs an einem Sommerabend' habe ich ihn wiedergesehen. Er trat beim Konzert der Nachwuchspreisträger der Hanns-Seidel-Stiftung auf und er war hinreißend. Wegen des drohenden Regens durfte jeder nur zwei Lieder singen, aber der Veranstalter musste nachgeben, bei ihm erzwang das Publikum eine Zugabe. 2011 erschien auch seine 'erste' CD Drahtseilakt (ich besitze ja schon seine allererste
), über die ich nur Gutes hörte und die ich mir deshalb zu Weihnachten schenken ließ. Der langen Rede kurzer Sinn: Natürlich war klar, dass ich auch sein Konzert im 'Schüttekeller' besuchen würde.
Als ich die Treppe zum Keller hinabstieg, öffnete sich unten die Tür und Timon Hoffmann stand vor mir. Die Hauptperson war also schon mal da, sehr beruhigend. Im Februar hatte ich mich mit dem Veranstalter Rüdiger Schmitt unterhalten, für den der Auftritt eines unbekannten Künstlers ein gewisses Risiko bedeutet. Ein Publikumsmagnet ist natürlich eine sichere Bank, während unbekannte Namen nicht so leicht Zuhörer ins Konzert locken. Dabei ist Timon Hoffmann nicht wirklich unbekannt, bereits 2007 wirkte er beispielsweise als Gitarrist auf Hannes Waders CD Neue Bekannte mit.
Wie dem auch sei, die Sorge war unbegründet, es hatten sich schätzungsweise knapp 100 Zuhörer eingefunden. Nach einem Begrüßungswort des Veranstalters kam Timon mit einem Glas Wein auf die Bühne, schließlich befanden wir uns in einem Weinkeller, versicherte aber, dass man das Programm auch nüchtern ertragen könne. Er verlieh erstmal seiner Begeisterung über die Akustik des Raumes Ausdruck, um dann darüber zu sinnieren, als was man ihn bezeichnen könnte. Er sprach über Fernsehsendungen, in denen Stars gesucht und über andere, in denen Stars im Dschungel wieder entsorgt werden. Darauf folgte das erste Lied Ich bin ein Star.
Der Funke sprang sofort über, was an der familiären Atmosphäre im 'Schüttekeller' gelegen haben mag. Das Publikum bestand aus vielen Vereinsmitgliedern und Stammgästen, man kannte sich und - ein Vorteil kleinerer Lokalitäten - man ist sehr nah dran am Künstler. Sicherlich lag es aber auch an Timon Hoffmann selbst, er ist groß, sehr schlank und gut aussehend, hat eine sympathische Ausstrahlung, spielt toll Gitarre und er hatte das Publikum im Griff. Mit lockeren Plaudereien verband er seine Lieder, die Leute waren super drauf und reagierten auf jeden Scherz. Timon stellte sogar fest, dass wir Pointen entdeckten, die er so gar nicht vorgesehen hatte. Er schreibt über alles, was ihm vor den Stift kommt, wobei man mitunter das Gefühl hat, dass er vor rein gar nichts Halt macht… wenn er zum Beispiel fragt: "Dürfen Katholiken beim Orgasmus lustvoll quieken?" Das war das letzte Stück vor der Pause. Er wollte es fairerweise noch vorstellen, damit die CD-Käufer schon im Voraus wussten, was sie sich da ins Haus holen. Es soll schon vorgekommen sein, dass jemand bei diesem Lied das Konzert verlassen hat, aber in Bühl war es der Knaller, es wurde lauthals gelacht. Damit auch die anderen ihr Fett abbekamen, gab es noch eine Version für die evangelischen Zuhörer und eine für Deutschlands Osten für Menschen nach der Jugendweihe. Aber im Grunde ging es um die Frage, wieso der Papst über Dinge redet, von denen er nichts versteht. Mein persönliches Highlight der ersten Hälfte war Grüner Punkt, das von der Umweltproblematik handelt. Das Intro klingt sehr bedrohlich, aber insgesamt hat das Stück eine eingängige Melodie, wie eigentlich alle Kompositionen an diesem Abend. Selbst als Timon über seine Haustiere, die Silberfische, sang, waren alle begeistert. Das ist deshalb bemerkenswert, weil keine wirklich jungen Leute im Publikum saßen. Mitglieder eines Kulturvereins sind eher mittelalt bis älter.
In der Pause zog sich der Künstler nicht zurück, sondern verkaufte und signierte fleißig CDs. Auch ich holte mir zwei Autogramme, auf die erste und die allererste CD, die ich natürlich von zu Hause mitgebracht hatte.
Als er auf die Bühne zurückkam, lobte er noch einmal die Akustik und setzte dann sein unterhaltsames Programm fort. Von den 14 Liedern der aktuellen CD brachte er an diesem Abend insgesamt 10 zu Gehör, eines, Stille ("Ich brenn' mir eine leere CD"), kannte ich von der alten CD. Auch das Stück, mit dem er bei den 'Songs' so abgeräumt hatte, spielte er uns vor. Es geht um Liedermacher, die zur Gitarre auch noch Mundharmonika spielen. Timon tut das nicht, er findet, das sieht bescheuert aus. Stattdessen hebt er am Schluss die Gitarre hinter den Kopf und spielt auf diese akrobatische Weise weiter. Sieht auch lustig aus, ist aber sehr publikumswirksam. Das Lied Kleine Frau hatte ich bereits in der Radiosendung gehört, die Carsten Langner vor einiger Zeit mit Timon aufgenommen hat. Damals hieß es allerdings noch Kleiner Mann. Geschrieben wurde es für Timons ungeborenes Kind, das sich irgendwann als 'Greta' entpuppte, sodass der Titel überarbeitet werden musste. Bei Kater fühle ich mich immer sehr stark an Rüdiger Bierhorsts Sonntag 2 erinnert. Beide Künstler begegnen in ihrem Lied am Morgen nach einem Zechgelage ihrem personifizierten Kater. Aber durch seine Art zu dichten und mit den Worten zu spielen, hat Kater doch eindeutig den timon'schen Touch.
Obwohl Timon Hoffmann für mich kein Unbekannter war, hatte ich doch knapp die Hälfte des Programms noch nie gehört. Das ist ein schlagendes Argument dafür, auch die nächste CD zu kaufen, die im ersten Halbjahr fertiggestellt wird und spätestens bei den diesjährigen 'Songs' erstanden werden kann. Timon wird dort einen etwa halbstündigen Auftritt haben, ich freue mich schon darauf.
Der Zugabenteil ist auch noch einmal einen extra Abschnitt wert. Zunächst spielte uns Timon die ersten zehn Zeilen des Talking-Blues' Frau Klotzke von Hannes Wader vor. Danach benutzte er seine Gitarre als Drum und machte einen Rap daraus. Was dann kam, war abzusehen, finde ich. Natürlich gab sich das Publikum mit den zehn Zeilen nicht zufrieden und er machte weiter. Frau Klotzke ist ein Riesentext und wenn er das wirklich unvorbereitet vorgetragen hat, war es trotz einiger Hänger eine beachtliche Leistung. Timon meinte, der Text sei von 1969 und er hätte ihn vielleicht seither noch einmal durchlesen sollen. *g* Wie gesagt, ich denke, dass es absehbar war, dass er den ganzen Text braucht. Er kürzte die Sache etwas ab, auch weil es im 'Schüttekeller' Tradition ist, nach den Konzerten noch im Gasthaus 'Burg Windeck' essen zu gehen und es wurde immer später. Er wollte dann noch etwas singen, bei dem er textsicher war, und wählte wieder etwas sehr Wortreiches. Ich glaube, es hieß Vielen Dank und es war zungenbrecherisch. Das Publikum war immer noch nicht zufrieden, inzwischen gab es sogar standing ovations. Nun hörten wir noch ein Lied, das Timon an Jürgen von der Lippe verkauft hat. Es geht darum, dass man auch mal stehen bleiben sollte, wenn einen das Glück verfolgt. Der Refrain war angeblich zum Mitsingen gedacht und lautete: "Ich fahre immer hinter Fahrradfahrerinnenhintern hinterher." Das musste sehr schnell gesungen werden und ich bezweifle, dass der Wortlaut stimmte, verstanden habe ich nicht viel. Timon lauschte fasziniert und meinte: "In Eurem Dialekt klingt das aber auch nicht schlecht. Ein Mundartradfahrerhintern sozusagen." Schließlich kam der Veranstalter auf die Bühne, um das Konzert zu beenden. Er machte dann zwar noch ein Zugeständnis für eine allerletzte Zugabe, da standen aber schon die ersten älteren Herrschaften auf, um sich auf den Heimweg zu machen. Es war immerhin schon elf Uhr und Timon wird nicht böse gewesen sein, dass er endlich Feierabend hatte.
Und hat mich auch etwas gestört an diesem Abend? Ja. Das Rhythmusgeräusch, das mit dem Fuß erzeugt wurde, war zumindest am Anfang störend laut. Und der running gag zur Ankurbelung des CD-Verkaufs kam ein bisschen zu oft, allerdings gehörte ich ja nicht zur Zielgruppe, ich hatte meine CDs ja schon in der Tasche. Habe ich noch etwas vergessen? Ja. Den Gesang habe ich noch nicht lobend erwähnt und die Mimik, mit der Timon, der ja auch Schauspieler ist, seinen Vortrag begleitet. Insgesamt ein rundum gelungener Abend, der hielt, was er versprochen hatte: Lieder für Zwerchfell, Ohren und Hirn.
Noch etwas Erfreuliches: Die Damen von der Presse sind bis zum Schluss geblieben, und ich hatte den Eindruck, sie waren sehr angetan. Ich würde die 110 km jederzeit wieder unter die Räder nehmen, wenn ich ein Timon-Hoffmann-Konzert besuchen könnte. Ein schöner Abend ist so gut wie garantiert.
Viele Grüße von Petra