Hallo, liebe Recording-Freunde,
hin und wieder haben wir schon mal darüber diskutiert, wie sich Gesang und Gitarre möglichst gut aufnehmen lassen. Ich habe in den vergangenen Wochen viel in meinem Studio experimentiert und es an einigen Stellen auch noch optimiert. Dabei kam mir die Idee zu diesem Thread, in dem wir Produktionen vorstellen und ihre Entstehung dokumentieren können - mit dem Ziel, herauszufinden, wie gute Aufnahmen gemacht wurden, aber auch, was vielleicht noch nicht so gut ist und wie sich gemachte Fehler künftig vermeiden lassen.
Das Internet ist voll von Anleitungen à la "Wie nehme ich Gitarre und Gesang auf?". Eine brauchbare habe ich bislang noch nicht gefunden. Die besseren richten sich stets an Bands, bei denen die Gitarre als eines von vielen Instrumenten im Mix mitspielt. Vielleicht können wir hier einen Thread aufbauen, der den Anforderungen von Liedermachern eher Rechnung trägt.
Da zumindest ich kein professioneller Tontechniker bin, kann ich natürlich auch keine Anleitung geben. Bekanntlich macht aber Übung den Meister und so können wir hier ja unsere Erfahrungen austauschen, Anregungen sammeln, ausprobieren und anderen wiederum Einblicke in unsere Arbeit geben. Damit will ich nun anfangen.
Mit dem neuen Setup habe ich mein Lied "Durch Dich", das ich letztes Jahr an anderer Stelle im Forum vorgestellt habe, neu aufgenommen. Gehört werden kann es hier:
Carsten Langner - Durch Dich
An dieser Stelle soll es um die Technik gehen, nicht um das Lied.
Ich werde beschreiben, mit welcher Technik ich gearbeitet habe und wie sie sich bei mir gemacht hat. Ich schreibe als Musiker und technischer Tollpatsch, nicht als Tonmeister.
Nun zum Setup:
Meinen Gesang habe ich mit einem Neumann KMS 105 abgenommen. Das unterdrückt die Gitarre auf der Gesangsspur sehr wirksam. Da es als Bühnenmikrofon nicht ganz so detailreich ist wie ein gutes Großmembraner, würde ich es nicht für jedes Lied nehmen. Das ist aber Kritik auf sehr hohem Niveau. Es wird durchaus auch in manchen Profi-Studios gerne für Gesangsaufnahmen verwendet, wenn der Sänger gleichzeitig noch ein Instrument spielt.
Die Gitarre habe ich mit zwei Großmembran-Mikrofonen und einer kleinen Kapsel abgenommen.
Ein Neumann TLM 103 zeigte aus ca. 30 Zentimetern Entfernung auf den Übergang zwischen Hals und Korpus (Winkel: ca. 45 Grad). Das TLM 103 hat bei meinen Aufnahmen seinem Ruf als "rauschärmstes Mikro der Welt" alle Ehre gemacht. Rauschen gibt es hier wohl nur in der Theorie, denn vorher werden trotz schallisolierter Kammer die Vögel im Garten ein "Problem". Sagenhaft!
Ein Rode NT5S war ebenfalls mit einem Abstand von ca. 30 Zentimetern auf den siebten Bund ausgerichtet. Allein ist es etwas dünn und nicht ganz so präzise wie sein Vorbild, das Neumann KM184. Im Mix macht es aber eine gute Figur und ist mit Blick auf seinen Preis eine sehr gute Alternative.
Ein Rode NT1000 mit etwa 50 Zentimetern Abstand und ähnlichem Winkel wie das TLM 103 zeigte von der Nicht-Schalloch-Seite auf den Steg. Geht in Ordnung, ein zweites NT5S wäre hier aber angebrachter. Insofern: Gratulation an alle, die ein Stereoset besitzen.
Eine abschließende Bemerkung noch zur Mikrofonierung: Es gibt viele Aufstellungen, die gut klingen. Alle haben ihre Vor- und Nachteile. Ich habe zwei/drei Setups gefunden, die meinem Geschmack entsprechen und zwischen denen ich - je nach Stimmung des Songs - gern wechsle.
Genauso wichtig wie eine gute Mikrofonie sind übrigens frische Saiten (bei mir grundsätzlich von Hannabach (Konzertgitarre) bzw. Wyres auf der Akustikgitarre). Das weiß jeder, man vergisst es aber gerne mal, wie ich aus eigener, leidvoller Erfahrung weiß .
Aufgenommen habe ich über ein Saffire Pro 40 Audiointerface von Focusrite. Nach meinem Empfinden ist es berechtigt, das dieses in vielen Tests klanglich der Oberklasse zugeordnet wird. Wandler und Preamps klingen sehr amtlich, sodass man sich einen zusätzlichen Vorverstärker erst mal sparen kann, solange man nicht einige Tausender für ein Edelgerät aus dem Hause Avalon, Neve etc. ausgeben möchte. Vor dem Kauf habe ich das Saffire Pro 40 mit dem mehr als doppelt so teuren Digidesign 003 Interface verglichen. Fazit: Ungeachtet des Preises ein ganz klarer Sieg für Focusrite. Entscheidend ist aber wohl der persönliche Geschmack. Ich habe es lieber klar, höhenreich und detailliert als "fett".
Gemischt wurde in Pro Tools 9.
Mit Cubase bin ich nie so richtig warm geworden und Audition, das ich viele Jahre lang benutzt habe, eignet sich nach meinem Eindruck eher nicht für Musikaufnahmen. Pro Tools ist sicher aus gutem Grund Marktführer bei den Profis.
Aber: Pro Tools erfordert im Zusammenspiel mit einem Interface, auf dem nicht "Digidesign" steht, häufig noch gute Nerven - obwohl es seit Version 9 auch mit anderen Geräten problemlos laufen soll. Tatsächlich wird es mit jedem Update stabiler. Wenn es einmal läuft, dann problemlos, aber beim Anlegen einer neuen Session hat man manchmal noch mit einigen lästigen Kinderkrankheiten zu kämpfen, die sich nach einschneidenden Frust-Erlebnissen allerdings ganz gut umgehen lassen.
Zum Mix:
Im Stereopanorama bleiben die Spuren des KMS 105 (Gesang) und des TLM 103 (das mit Abstand beste Gitarrenmikro in meinem Setup) in der Mitte. Das Rode NT1000 wird auf die linke Box gepannt, das NT5 auf die rechte (beide nicht komplett, sondern nach Geschmack).
Dann geht es an die Nachbearbeitung.
Hier verzichte ich auf die Auflistung aller PlugIns, nur so viel: Je weniger, desto besser.
An den Gitarren mache ich fast nichts: Ein dezenter EQ, ein ganz schüchterner Kompressor und etwas Hall - auf einer separaten Spur!
Der Gesang durchläuft ebenfalls einen EQ, wird vorsichtig komprimiert und bekommt etwas Hall.
Das war's. Gemastert habe ich den Titel noch nicht, da fehlt es mir auch noch an der nötigen Erfahrung.
Soweit mein Erfahrungsbericht.
Ich hoffe, einigen damit weiter geholfen zu haben und freue mich auf eure "Produktionstagebücher" sowie einen für uns alle inspirierenden Austausch.
Grüße vom
clabauter