Also mal was zur Linkspartei.
Sie besteht ja nur zum einen Teil aus der ehemaligen PDS - und zum anderen nicht unwesentlichen Teil aus der WASG, also vor allem ehemaligen SPD-Mitgliedern, die mit der Schröder-Regierung nicht einverstanden waren. Die PDS für sich genommen war bis 2007 ja in keinem westddeutschen Landesparlament vertreten und von 2002 bis 2005 sogar nur mit 2 Direktmandaten im Bundestag - obwohl im Osten "Volkspartei"...
Die Diskussionen um die Stasi-Verstrickungen einiger ihrer Mitglieder gibt es seit fast 20 Jahren. Sie haben die SPD aber nicht davon abgehalten, in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern Koalitionen mit der PDS einzugehen, bzw. sich in Sachsen-Anhalt von ihr "dulden" zu lassen. Auf kommunaler Ebene hat sich sogar die CDU davon nicht abschrecken lassen, mit der PDS zusammenzuarbeiten.
Ich wünsche mir auch, dass z. B. Gregor Gysi mehr über seine Zeit als Rechtsanwalt in der DDR erzählt, vor allem auch als Zeitzeuge. Immerhin hat er Regimekritiker wie Robert Havemann vertreten und käme in meinen Augen glaubwürdiger rüber, wenn er entsprechend zur Aufarbeitung der DDR-Zeit beitragen würde. Tut er aber leider nicht - trotz seiner hervorragenden rhetorischen Begabung... Will er nicht? Oder kann er nicht, weil es vielleicht das Ende seiner politischen Karriere wäre?
Die Aufarbeitung der DDR-Zeit halte ich für ungemein wichtig, vor allem, damit sich so etwas wie Stasi nie wiederholt. Ist aber in meinen Augen nicht nur eine Frage bezüglich der ehemaligen PDS.
Auch von Wolfgang Schnur würde ich heute gerne mehr darüber erfahren. Er war ebenfalls Rechtsanwalt in der DDR, hat regimekritische Mandaten (vor allem aus dem Umfeld der evangelischen Kirche) vertreten, war 1989 Mitbegründer des "Demokratischen Aufbruchs", 1990 der "Allianz für Deutschland" und erster Förderer Angela Merkels (noch vor Helmut Kohl!). Er wäre vielleicht sogar statt Lothar de Mazière (Mitglied der Blockpartei CDU) letzter DDR-Ministerpräsident geworden, wenn nicht kurz vor der Volkskammerwahl seine IM-Tätigkeit bekannt geworden wäre, wenn er dieses nicht zugegen hätte und von allen Ämtern zurückgetreten wäre.
Wolfgang Schnur erkrankte danach schwer, wurde laut Wikipedia zwar von Wolfgang Schäuble (der die "Vorratsdatensicherung" einführen möchte, wogegen sich z. B. die Piratenpartei einsetzt, die nicht nur "ein einziges Thema" hat, Reino!) im Krankenhaus besucht, bekam 1993 aber seine Zulassung als Anwalt entzogen und wurde 1996 wegen politischer Verdächtigung in 2 Fällen, 1997 wegen Beleidigung eines Richters und 1999 wegen Konkursverschleppung verurteilt. Was seitdem aus ihm geworden ist, weiß ich nicht - vielleicht wird er es mir erzählen, wenn ich ihm eines Tages in irgendeiner Fußgängerzone begegne, wo er um Geld bettelt und ich meine Straßenmusik mache...
Stasi-Vergangenheit ist also nicht nur ein Thema der ehemaligen PDS. Und wenn Roland Koch meint, Angela Merkel vernichten zu müssen, wird er sicherlich nicht davor zurückschrecken, ihre Stasi-Akte aus dem Hut zu zaubern, vorausgesetzt, er findet nicht wirklich nur ein vergilbtes leeres Blatt… Immerhin hat sie in der DDR Physik studiert, das durften auch nicht alle - und schon gar keine Mitglieder jedweder “Bürgerrechtsbewegung”… Angela Merkel trägt meiner Meinung nach leider ebenso wie Gregor Gysi wenig dazu bei, DDR-Geschichte aufzuarbeiten. Vielleicht aus gutem Grund, denn wer möchte mir schon in irgendeiner Fußgängerzone begegnen und mir die Lebensgeschichte beichten? - “Ich war früher prominenter Oppositionellen-Rechtsanwalt in der DDR, haste mal’n Euro für ne Pulle Oettinger?” - “Ich war früher Bundeskanzlerin, haste mal’n Euro für ne Pulle Wilthener Goldkrone?”
Und Wolfgang Schnur hat es die politische Karriere, den Beruf und sicher noch sehr viel anderes gekostet, dass er alles zugegeben hat. Zahlt sich Wahrheit in diesem Land aus? Wollen wir Aufklärung und Aufarbeitung - oder nur Rache? Ich finde es jedenfalls nachvollziehbar, wenn sich Merkel und Gysi bezüglich ihrer DDR-Vergangenheit bedeckt halten, weil sie nicht wie Wolfgang Schnur enden möchten… Andererseits, ein Wolfgang Schnur könnte zur historischen Wahrheitsfindung sicherlich mehr beitragen, wenn er Bundestagsabgeordneter wäre, und nicht potentieller Obdachloser in irgendeiner Fußgängerzone…
Oskar Lafontaine hat 1990 als SPD-Kanzlerkandidat behauptet, die “deutsche Einheit” würde Geld kosten. Sein CDU-Gegenkandidat Helmut Kohl (“Kanzler der Einheit”) versprach “blühende Landschaften” und gewann die Wahl. Lafontaine war erstmal weg vom Fenster, putschte sich dann gegen Scharping zum Parteivorsitzenden hoch, machte Schröder zum Kanzler und verabschiedete sich dann ziemlich bald von seinem Ministerposten, seinem Parteivorsitz und am Ende auch von der SPD, weil er die Politik Gerhard Schröders nicht mittragen wollte und konnte.
Auch viele andere (weniger prominente) SPD-Mitglieder und -WählerInnen waren mit Schröders Politik nicht einverstanden, einige gingen danach gar nicht mehr wählen, andere gründeten die WASG, die dann mit der PDS zur Linkspartei fusionierten.
Oskar Lafontaine, heute führender Kopf der Linkspartei, kann man zwar manches aus seiner Vergangenheit als Saarbrücker Oberbürgermeister und saarländischer Ministerpräsident vorwerfen, auch seine Arbeit für die Bild-Zeitung, aber IM des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR war er meines Wissens nicht, oder?
Kurzum, wenn Rot-Rot-Grün bis heute scheitert, liegt es nicht an etwaigen Stasi-Verstrickungen ehemaliger PDS-Mitglieder, sondern an verletzten Eitelkeiten seitens der SPD. Die Folge hier in Hessen sind weitere 5 Jahre Roland Koch. Danke SPD! Wofür ein Roland Koch steht, muss ich wohl nicht näher beschreiben, oder? Man könnte ihn auch beliebig durch seinen NRW-Kollegen Jürgen Rüttgers (“Kinder statt Inder”) ersetzen…
Angela Merkel dagegen habe ich mir bei dieser Bundestagswahl als kommende Kanzlerin gewünscht, denn vielleicht nutzt sie ja wenigstens dieses Mal - bzw. in der kommenden Legislaturperiode - die Gelegenheit, mehr von ihrer DDR-Vergangenheit zu erzählen. Wird sie aus den o. g. Gründen vermutlich nicht tun, aber immerhin hätte sie sicherlich mehr und interessanteres zu erzählen als Franz-Josef Steinmüller, oder?
Insofern, ich wollt’s ja nur mal sagen, ich bin glücklich!
"Wenn man als junger Mensch aussah wie ein Hippie und sich einigermaßen treu geblieben ist, sieht man als alter Sack halt aus wie ein Penner und nicht wie Joschka Fischer."
Harry Rowohlt (1945-2015)