Hallo Marc,
zugegebenermaßen wäre ich auch irritiert gewesen, wenn mich eine Kassiererin derart unqualifiziert angesprochen hätte. Sie sollte allerdings aufpassen, dass ihr Chef das nicht mitkriegt, denn immerhin hat er diese 'merkwürdigen Artikel' im Sortiment.
Als ich so alt war wie Du heute, war Reinhard Mey in den Anfangsjahren. Meine Freunde standen nicht unbedingt auf seine Musik, aber da er nur 10 Jahre älter war als wir, fanden sie es nicht so abwegig, dass ich ihn gerne hörte.
Heute gehe ich nicht gerade mit meinem Musikgeschmack hausieren, aber als neulich mal die Sprache drauf kam, meinte jemand: 'Was, Reinhard Mey, der Hektiksänger?' Im ersten Moment konnte ich damit gar nichts anfangen, aber offensichtlich hatte da jemand 'Annabelle' gekannt und weiter nichts. Damit wären wir wieder bei den Schubladen. Es ist fast so, wie wenn ein Blinder einen Elefanten beschreiben soll: Je nachdem, ob er den Rüssel, den Schwanz, ein Bein oder den Bauch betastet, wird die Beschreibung völlig unterschiedlich ausfallen. Auf der Suche nach CDs von Ulrich Roski wurde ich schon einmal in die Comedy-Abteilung geschickt, als ich nach Gerhard Schöne fragte gar in die Klassik-Abteilung (vermutlich eine Verwechslung) und Reinhard Mey sollte ich unter Volksmusik finden. Derart entmutigt, bat ich im Drogerie-Markt Müller in Freiburg darum, im Computer nachzusehen, ob Schöne-CDs vorrätig seien. Zu meiner Überraschung erklärte mir der Verkäufer, dass er dazu nicht in den PC schauen müsse; er erzählte mir, welche Musik Gerhard Schöne macht und zeigte mir eine Abteilung, die mit 'Liedermacher' bezeichnet wurde.
Könnt ihr getrost darüber hinwegsehen, wenn ihr in eine falsche "Schublade" gesteckt werdet?
Mit Deiner Frage meinst Du doch offensichtlich nicht die Schublade, in die die Liedermacher gesteckt werden, sondern die Schublade, in die man als Liebhaber dieser Musik gesteckt wird. Erfahrungsgemäß bringt es nicht viel, jemanden durch Vorspielen einer CD zu überzeugen. Gerade bei den Liedermachern ist es ja zwingend notwendig, dass man sich die Zeit nimmt zuzuhören. Wenn jemand voreingenommen ist und sich nicht auf diese Musik einlassen will, kann man zunächst mal nicht viel machen. Manchmal ist es einfach so, dass jemand zufällig bei einem bestimmten Lied in der passenden Stimmungslage ist und so den Zugang zu dieser Musik oder einem bestimmten Interpreten findet.
Als ich einer Freundin erzählte, dass ich kurz hintereinander in zwei RM-Konzerte gegangen bin, fragte sie mich mitleidig lächelnd: 'Warum heiratest Du ihn nicht einfach?' Darüber sehe ich weg und lenke das Gespräch in Zukunft nicht extra auf dieses Thema. Menschen, die verächtlich die Nase über meinen Musikgeschmack rümpfen, tun mir eher ein bisschen leid, weil sie nicht wissen, was ihnen entgeht.
Hier im Internet ist der Anteil jüngerer Leute, die Liedermacher mögen, relativ groß, weil sich auch das Internet verstärkt bei den jüngeren Leuten breitgemacht hat. Jedenfalls hat es Dich hierhergeführt, was mich persönlich sehr freut.
Fang ja nicht an, Dich für Deinen Musikgeschmack zu schämen!
Es grüßt Dich ganz herzlich
Petra, die gerade aus dem Urlaub zurückgekommen ist.8-)