Meine liebe Frau hatte mir Vorvorgestern in der Kulturbeilage unserer Tageszeitung folgenden Beitrag mit Textmarker gezeichnet:
Dresden bekommt was zu hören!
Scheune startet Song Slam
Am 18. Januar startet um 21 Uhr Dresdens erster regelmäßiger Song Slam in der Scheune. Jeden dritten Freitag im Monat werden dabei zehn regionale und überregionale Songschreiber und Sänger ihr Können zeigen.
Vorgestern abend also machte ich mich, nach einem recht anstrengenden Arbeitstag etwas zögerlich, auf den Weg zur "Scheune". Die Alaunstraße war völlig im Besitz von jungen Leuten. Das gab mir einerseits einen positiven Stich, andererseits war ich betroffen über den Prozentsatz der Gestalten, welche in Aussehen und Verhalten deutlich auf soziales Abseits verwiesen. So war ich froh, als ich an Ort und Stelle war.
Sofort war mir klar, dass die zuspät Kommenden das Leben bestraft, denn alle 30 Stühle waren besetzt. :heul: Sie standen je zur Hälfte an den Längsseiten des Raumes um kleine runde Tische. In der Mitte eine große Fläche mit vereinzelten Stehtischen, darunter Berge von Jacken und Taschen. Wo sollte ich hin? :frage: Ich fand einen Sitzplatz ganz an der Seite auf dem Bühnenrand.
Es blieb gar keine Zeit sich darüber zu ärgern, weil mir das freudige Erstaunen über Menge und Altersstruktur der Besucher zuvor kam. Ich sah zwei Menschen etwa meines Alters. Ansonsten war das der reine Studentenclub. Und der Saal füllte sich meiner Schätzung nach auf wenigstens 120 Besucher. Ein großer Teil der im vorderen Bereich der Stehfläche anwesenden Gäste setzte sich zu Beginn des Wettbewerbes im Schneidersitz auf den Pakettboden. Die Leute wollten wirklich zuhören! Es wurde vor den einzelnen Beiträgen so still, dass eine Sängerin verlegen darum bat , es möge doch etwas lauter sein.
Und schon kommt die nächste der positiven Überraschungen:
Es gibt sie, die Leute die singen wollen und tatsächlich auch gute Voraussetzungen dafür mitbringen.
Und damit wären wir beim Programm.
SteffenHaas, der Initiator und Moderator der Veranstaltungsreihe begann die Einleitung mit einem eigens gefertigten Begrüßungslied, natürlich außerhalb der Wertung. Nach einigen kurzen Hinweisen zum Ablauf des Abends* und zum Bewertungsprozedere** wurde der erste Teilnehmer auf die Bühne gerufen.
(*2 Blöcke a 5 Teilnehmer, 9 gesetzte ein offener Platz ; jeder max. 7 Minuten; die besten drei nocheinmal je 7 Minuten;
**1 ausgeteilte Pfennigmünze pro Zuhörer sollte am Ende in den Topf der jeweilig favorisierten Person eingeworfen werden) nach Auszählung der 3 Favoriten und deren erneutem Vortrag Siegerwahl durch „Applausometer“
- Max Rademann aus Dresden hatte eine uralte Orgel mitgebracht auf der er sich zu seinem Lied „Scheiße, der Rademann“ begleitete. Ich verstand akustisch nicht mehr als diesen Titel und zudem überhaupt nicht, wie man sich in diese Orgel
verlieben kann. Den jungen Leuten ging es offenbar anders und sie spendeten herzlichen Applaus.
- Alin Coen , sie studiert und lebt noch in Weimar, war für mich die Entdeckung des Abends. Sie entschuldigte sich für ihre Erkältung, fügte aber gleich hinzu, dass sie gern mit dieser Stimme singt. Einfach toll was dann kam – auch das Gitarrenspiel.
- Konrad Küchenmeister aus Berlin rockte die Scheune mit seiner Loop-Station, was bedeutet er produziert verschiedene Geräusche und Töne welche elektronisch auf eine Endlosschleife gebannt sich überlagernd den Song ergeben. Er nennt sich daher auch lieber Songbastler als Liedermacher. Der Saal ließ sich anstecken – ich eher nicht.
- Der singende klingende Preibisch ist lokaler „Radiomacher“ und gab den Spaßmacher, der sich nicht zwischen Bierverkäuferin oder Apothekerin entscheiden kann. Auch er bekam herzlichen und anhaltenden Applaus.
- Pause
- Polly kommt aus Dresden. Er setzte sich unspektakulär auf den Barhocker und legte los. Nach der Publikumsreaktion war er noch nicht so bekannt wie seine Kollegen, welche teilweise schon auf „Fanblöcke“ sahen. Aber auch er schlug sich beachtlich, und ihm wurde mit der gleichen Herzlichkeit von den Zuhörern Applaus zuteil.
- Nylonsaiten und Saitenstrümpfe eine weitere Frau in der Runde kommt aus Leipzig, singt und spielt Gitarre, nach meinem Empfinden, mindestens auf dem Niveau ihrer Kollegen . Den Titel „Tonight“ hab ich mir gemerkt, auch wenn ich vom Inhalt mal wieder wenig verstanden habe.
- Axel Stiller kommt aus Chemnitz. Er wurde begeistert empfangen und sang vom Kampf gegen Windmühlen. Axel bekennt, das er Gundi noch erlebt hat. Ein bisschen ein Protestsänger. Für mich durchaus interessant.
- Mara von Ferne ist die letze gesetzte Größe, weil Rani(Dresden) absagen musste. Mara studiert derzeit Jazzmusik in Dresden uns ist daher die Lokalmatadorin. Ihre tolle Stimme begleitet sie gekonnt auf dem Klavier. Hätte ich 3 Pfennige zum Abstimmen bekommen, sie wären für das weibliche Dreigestirn eingelegt worden. Und das wirklich ausschließlich wegen der künstlerischen Leistung – Hut ab!
Aber halt, da kommt doch noch der mutige Freiwillige aus der Zuhörerschar:
- Roger heißt der junge Mann, welcher sich aufgeregt aber todesmutig auf die Bühne wagt – vor einen vollen Saal und Zuhörer, die schon gute Kost geboten bekamen. Er spielte schon in mehreren Bands und brachte sein Lied (Voraussetzung wie bei allen anderen auch T.u.M. selbst gemacht) souverän zu Gehör. Er bekam den verdient langen Beifall.
Dann aber ging es an die Stimm – oder Pfennigabgabe. Und die fiel natürlich nicht genauso aus, wie ich gestimmt hätte. Aber meine 1.Wahl fiel unter die drei Finalisten. Das waren Alin, Axel und Konrad.
Axel sang über ehemalige Kommilitonen – Juristen und Konrad bastelte wieder.
Den Schlusspunkt setzte Alin mit einem leisen Abschieds-Lied. Da man jeweils nur einmal klatschen „durfte“ fiel das Ergebnis wirklich deutlich aus.
ALIN COEN ist Siegerin dieses Songslam! Herzlichen Glückwunsch! (Foto am Ende) Ach ja - die anderen Künstler gönntes es Alin und tanzten gmeinsam hinter ihr auf der Bühne während der Siegerin-Zugabe.
Liebe Forümler,
die unter die Namen gelegten „Links“ führen alle zu MySpace. Schade für die Fraktion unter uns, welche dort nicht hinsehen - und hören will. Außer Polly und Preibisch verfügt noch keiner diesen jungen Künstler über eine eigene Internetseite. Naja, geht halt hin, wenn es Euch interessiert. Für mich hat es sich in einigen Fällen gelohnt.
Mal sehen ob ich hier noch ein paar Fotos hinbekomme...
Da dies eine gerade begonnene Veranstaltungsreihe ist, mag sie auch für den einen oder die andere als Auftrittsmöglichkeit von Interesse sein. Deshalb hier: http://www.songslam.de
Seid lieb gegrüßt von Clemens
P.s: Fragt mal Micha G. danach, ob und wo es in Dresden freie Kost und Logie gibt.
Weitere Bilder von diesem Ereignis findet man in der Bildergalerie im Album Songslam in Dresden/18.01.08