Liebe Rex2005,
es ist mir durchaus klar, daß der erste von Dir verlinkte Artikel - das Interview mit Hannes Wader in der Jungen Welt - selbstredend etwas mit Hannes Wader zu tun hat.
Meine Unverständniss äußernde Anfrage bezieht sich auf den zweiten von Dir verlinkten Artikel - die Rede des Herrn Modrow zu Ehren einer Thälmann-Gedenkstätte.
Trotz aufmerksamen Lesens bin ich mental nicht in der Lage, einen wie auch immer gearteten Zusammenhang zwischen beiden Artikeln zu erkennen. Das kann nun an meinen persönlichen geistigen Fähigkeiten liegen oder an meiner politischen Bildung. War denn Hannes Wader bei dieser Gedenkfeier anwesend oder hat etwas vorgetragen oder was sonst hat Wader mit Thälmann zu tun? Aus Modrows Rede erschließt sich mir der Zusammenhang nicht. Vielleicht kannst Du es mir bitte erklären.
Dann möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich outen, weil es so schön hier her paßt.
Einen Kopf zum Denken hatte schließlich jeder Ossi - nur keinen Arsch in der Hose, weil´s eben bequem war, mit dem Strom mitzuschwimmen egal wohin die Reise geht
Ja - auch ich habe Hannes Waders Lieder mißbraucht!!!
Den Kopf zum Denken hab ich folgenderweise benutzt: Hannes Wader ist mehrfach in der DDR zum "Festival des politischen Liedes" aufgetreten und es ist in der DDR beim Label "Amiga" eine Platte von ihm veröffentlicht worden (ein Exemplar befindet sich in meinem Besitz). Folglich hab ich mir gedacht, kann es in der DDR ja nicht unerwünscht sein, Hannes' Lieder zu singen. Da ich schon mit im zarten Alter von 15 Jahren des Gitarrespielens mächtig war hab ich mich mit eben jener Platte von Hannes beschäftigt und besonders intensiv mit dem Lied "Es ist an der Zeit".
Nun muß man wissen, daß zu fast jeder FDJ-Veranstaltung im Rahmen der Schule oder Schulklasse ein fast obligatorisches sozialistisches Kulturprogramm gehörte, also von wem bekannt war daß er über ein gewisses Talent verfügt (Instrument, Singen, Vortragen usw...), der "durfte" dieses Talent auch zum Wohle der sozialistischen Gemeinschaft einsetzen und z.B. seine Schulklasse beim FDJ-Nachmittag mit seiner Kunst erfreuen. So auch Jung-Carsten.
Nun gut, die nächste sozialistische Bildungsveranstaltung stand an, und zwar eine Werbeveranstaltung der "Nationalen Volksarmee" (NVA), zu der extra ein Werbeoffizier des Wehrkreiskomandos eingeladen war. Der gute Mann hatte die Aufgabe uns zu erklären, wie toll und wichtig doch eine Laufbahn als Offizier in der Armee sei und daß es doch zur Verteidigung unserer sozialistischen Heimat unerläßlich ist, sich wenigstens als Zeitsoldat zu einem verlängertem Wehrdienst zu verpflichten. Naja - und vor der Rede natürlich Kulturprogramm, zu welchem sich Jung-Carsten spontan bereit erklärt hat.
Jung-Carsten schnappt sich also seine Gitarre, erzählt kurz was zum Liedermacher Hannes Wader (dessen kommunistische Einstellung natürlich wunderbar ins sozialistische Bild passt - natürlich ganz toll daß er DKP-Mitglied war und im Westen beim Klassenfeind zeitweise Berufsverbot hatte) und singt ausgerechnet welches Lied? Jawoll doch - "Es ist an der Zeit"!!
Es war mir ein inneres Fest, den Werbeoffizier bei der bekannten Zeile:
"... ja auch dich haben sie schon genau so belogen, so wie sie es mit UNS HEUTE immer noch tun..." zu beobachten.
In dem Moment hat er genau gewußt daß seine schöne geplante Rede im A.... ist. Er hat es noch versucht hinzubiegen indem er meinte, in dem Lied sind ja die Faschisten gemeint und eine sozialistische Armee belügt niemanden und jawohl, es ist an der Zeit für den Frieden zu kämpfen und wachsam zu sein... aber richtig genützt hat es ihm doch nicht.
Und nun möge die Nachwelt und insbesondere Hannes über mich urteilen - war das nun Mißbrauch? Oder war es "Arsch in der Hose" - eine kleine feine Art von Widerstand im Rahmen der künstlerischen Freiheit? Kunst als Waffe? Ja aber sicher doch... Ob Hannes mir nun böse ist daß ich sein Lied benutzt hab um die sozialistische Armee zu verunglimpfen? Bin ich jetzt Faschist im Sinne von Hannes Interview? Ja ich weiß, Kommunisten können Pazifisten auch nicht so richtig leiden, die kämpfen ja nicht gegen den Klassenfeind.
Nur zur Information: ich bin kein Offizier geworden und auch kein Zeitsoldat - ich hab den Dienst an der Waffe verweigert und mich höchst freiwillig als "Bausoldat" beworben. (gehört zum Thema "Arsch in der Hose") An meiner Schule und von meinen Lehrern hab ich nach diesem Liedvortrag übrigens nie Schwierigkeiten bekommen, ich "durfte" sogar weiter auftreten.
Seid bereit - immer bereit!
Euer Carsten
Glaubt keinem Sänger - ist meine erste und letzte Parole.
Glaubt keinem Sänger - schlachtet die Idole!
(Heinz Rudolf Kunze 1984)
:murmel3: