Interview

Fragen, Berichte und sonstige Beiträge, die den deutschen Liedermacher Hannes Wader betreffen haben hier ihren Platz
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Beitrag von Rex2005 »

Hallo
Wader gab ein Interview in der Zeitung "Junge Welt"
passend dazu ist dort auch dieser interessante Beitrag zu lesen

Rex2005
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Mario
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Beitrag von Mario »

Also, irgendwie habe ich den Hannes vom Aussehen anders in Erinnerung :weissnicht:
Mario

((Anmerkung: Foto wurde inzwischen aus der Online-Ausgabe entfernt ;-) LG Doro))
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Skywise
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Beitrag von Skywise »


Mario schrieb:
Also, irgendwie habe ich den Hannes vom Aussehen anders in Erinnerung :weissnicht:
Das macht die Krawatte :lichtaufgeh:
Gruß
Skywise
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"Ist wirklich wahr - ich hab's in meinen Träumen selbst geseh'n ..."
Herman van Veen - "Die Clowns"

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Carsten
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Beitrag von Carsten »

Liebe Rex2005,
Erkläre mir bitte Folgendes:
Was bitte genau darf ich aus dem 2. Beitrag der Zeitschrift "Junge Welt" lernen?
passend dazu ist dort auch dieser interessante Beitrag zu lesen

Erstens ist die "Junge Welt" mir von "damals" noch bekannt - als "freiwillg" zu abonierendes Politblatt der FDJ, welcher man "freiwillig" angehörte - und genau aus dem Grund verhaßt. (Für "Nichtwissende": FDJ ist die Jugendorganisation der SED, welche sich in PDS umbenannt hat.)
Zweitens: Herr Modrow ist also der Meinung, weil die Hitler-Diktatur so unvorstellbar schlimm war, darf die DDR also nicht auch als Diktatur bezeichnet werden.
Jene, die über die DDR als zweite deutsche Diktatur sprechen oder diese Bewertung tolerieren, sollten eines wissen: Wer sich so verhält, steht denen nahe, die die faschistische Diktatur mit ihren Verbrechen und Grausamkeiten herunterspielen. In der faschistischen Diktatur wurden Millionen Juden, Hunderttausende Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen und weitere aufrechte Demokraten ermordet.

Seltsame Logik:
These 1: Weil Diktatur 1 viel schlimmer war als Diktatur 2 - kann folglich Diktatur 2 keine Diktatur gewesen sein.
Oder aber noch seltsamer:
These 2: Weil Diktatur 2 nicht so schlimm war wie Diktatur 1, behauptet also jeder der Diktatur 2 als Diktatur bezeichnet, daß Diktatur 1 nicht schlimm war.
Schlußfolgerung:
Weil Diktatur 1 aber offensichtlich sehr schlimm war, ist ergo jeder der Diktatur 2 als Diktatur bezeichnet ein Lügner.
Jawoll Herr Modrow, genau so hab ich sozialistische Parteilogik in bester Erinnerung. Ich hab in "Staatsbürgerkunde" gut aufgepasst.
Was also genau ist nun eine Diktatur? Wenn Millionen Menschen sterben mußten, war es offensichtlich eine, sterben wenige oder keine, war es keine Diktatur? Wo ist die zahlenmäße Grenze? Was ist mit den Diktaturen in Lateinamerika? Rein zahlenmäßig starben dort weniger Menschen als während der Hitler-Diktatur, aber mehr als in der DDR als zweiter deutscher Diktatur. Sind das nun Diktaturen oder keine? Man müßte Herrn Modrow fragen...
Zumal sich die Herrschaft der Arbeiterklasse selbst in ihren Lehren als "Diktatur des Proletariats" bezeichnet. (hat Herr Modrow als altes SED-Mitglied und Mitglied des Zentralkomitees der SED bestimmt nur kurz vergessen, bestimmt hat er auch nur kurz vergessen daß auch unter der SED-Herrschaft Menschen ermordet wurden - aber das darf man ja nicht vergleichen weil es keine Millionen waren.)
Und drittens: Was um alles in der Welt hat dieser Artikel mit Hannes Wader zu tun? Bin ich blind?
Mit sozialistischem Gruß!
Seid bereit!
Carsten
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Beitrag von Rex2005 »

Hallo Carsten

Erkläre mir bitte Folgendes:
Was bitte genau darf ich aus dem 2. Beitrag der Zeitschrift "Junge Welt" lernen?


hm, ich weiß nicht, ob du unbedingt daraus was lernen musst!

Erstens ist die "Junge Welt" mir von "damals" noch bekannt - als "freiwillg" zu abonierendes Politblatt der FDJ, welcher man "freiwillig" angehörte - und genau aus dem Grund verhaßt.

Ich kenne von früher genügend Leute, die die "Junge Welt" nicht abonniert hatten und auch nicht in der FDJ waren. Es ist ein Unterschied ob man aus Selbstverständlichkeit in die FDJ oder SED oder wo sonst immer eingetreten ist, weil es alle so gemacht haben und oder man den Diskussionen "warum und wieso nicht?" aus dem Weg gehen wollte oder ob man sich damit bessere Chancen für´s Studium, Arbeit etc versprach.
Mir geht´s gegen den Strich, wenn sich Ossis (ich sag´s mal hier so bewusst) hinstellen, sie wurden zu allem gezwungen, weil es die Diktatur so wollte! Mensch nee! Wer oder was macht denn eine Diktatur - nicht ein einzelner und nicht eine Partei oder Organisation, die angeblich keiner freiwillig gewählt hat. Einen Kopf zum Denken hatte schließlich jeder Ossi - nur keinen Arsch in der Hose, weil´s eben bequem war, mit dem Strom mitzuschwimmen egal wohin die Reise geht - und das es nicht gut gehen kann wusste jeder. Erst zur Wende kam dann die Erkenntnis, dass sich irgendwo unterhalb des Kopfes auch ein Arsch befindet, den man vielleicht auch mal in Bewegung setzen kann.
Was also genau ist nun eine Diktatur?
genau das sind die Fragen, die man sich nach so einem Artikel stellen kann und muss. Wer meint, er lebt nicht in einer Diktatur, den frage ich: Was ist mit Diktatur des Kapitals? Das Kapital in diesem Staat diktiert mir (und den meisten anderen Leuten) jedenfalls viel mehr und gravierende Unfreiheiten als ich vorher gekannt habe.

Und drittens: Was um alles in der Welt hat dieser Artikel mit Hannes Wader zu tun? Bin ich blind?


z.B. hier:
In einem Ihrer Lieder sprachen sie an, daß Faschisten Ihre Lieder mißbrauchen. Bei Ihren Texten ist das aber schwer vorstellbar.
Das dachte ich auch. Es ist aber so, daß die Nazis meine Lieder einfach nachsingen. Bei einem Aufmarsch sind sie sogar gespielt worden, »Auf, auf zum Kampf«, zum Beispiel. Dabei wurden bestimmte Stellen leiser gedreht und andere wieder laut mitgegrölt. Die Nazis singen meine Lieder mitunter ohne ein Wort der Veränderung. Wenn es zum Beispiel darin heißt »Auch dich haben sie genauso belogen«, dann beziehen sie es auf die Sozialdemokraten oder die Regierung – ich habe aber damit die Nazis gemeint.
Es geht einfach nur darum, dass man Inhalte "verdrehen" kann - je nachdem von welcher Seite man sie gebrauchen oder missbrauchen will.
LG
Rex2005
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Carsten
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Beitrag von Carsten »

Liebe Rex2005,
es ist mir durchaus klar, daß der erste von Dir verlinkte Artikel - das Interview mit Hannes Wader in der Jungen Welt - selbstredend etwas mit Hannes Wader zu tun hat.
Meine Unverständniss äußernde Anfrage bezieht sich auf den zweiten von Dir verlinkten Artikel - die Rede des Herrn Modrow zu Ehren einer Thälmann-Gedenkstätte.
Trotz aufmerksamen Lesens bin ich mental nicht in der Lage, einen wie auch immer gearteten Zusammenhang zwischen beiden Artikeln zu erkennen. Das kann nun an meinen persönlichen geistigen Fähigkeiten liegen oder an meiner politischen Bildung. War denn Hannes Wader bei dieser Gedenkfeier anwesend oder hat etwas vorgetragen oder was sonst hat Wader mit Thälmann zu tun? Aus Modrows Rede erschließt sich mir der Zusammenhang nicht. Vielleicht kannst Du es mir bitte erklären.
Dann möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich outen, weil es so schön hier her paßt.
Einen Kopf zum Denken hatte schließlich jeder Ossi - nur keinen Arsch in der Hose, weil´s eben bequem war, mit dem Strom mitzuschwimmen egal wohin die Reise geht

Ja - auch ich habe Hannes Waders Lieder mißbraucht!!!
Den Kopf zum Denken hab ich folgenderweise benutzt: Hannes Wader ist mehrfach in der DDR zum "Festival des politischen Liedes" aufgetreten und es ist in der DDR beim Label "Amiga" eine Platte von ihm veröffentlicht worden (ein Exemplar befindet sich in meinem Besitz). Folglich hab ich mir gedacht, kann es in der DDR ja nicht unerwünscht sein, Hannes' Lieder zu singen. Da ich schon mit im zarten Alter von 15 Jahren des Gitarrespielens mächtig war hab ich mich mit eben jener Platte von Hannes beschäftigt und besonders intensiv mit dem Lied "Es ist an der Zeit".
Nun muß man wissen, daß zu fast jeder FDJ-Veranstaltung im Rahmen der Schule oder Schulklasse ein fast obligatorisches sozialistisches Kulturprogramm gehörte, also von wem bekannt war daß er über ein gewisses Talent verfügt (Instrument, Singen, Vortragen usw...), der "durfte" dieses Talent auch zum Wohle der sozialistischen Gemeinschaft einsetzen und z.B. seine Schulklasse beim FDJ-Nachmittag mit seiner Kunst erfreuen. So auch Jung-Carsten.
Nun gut, die nächste sozialistische Bildungsveranstaltung stand an, und zwar eine Werbeveranstaltung der "Nationalen Volksarmee" (NVA), zu der extra ein Werbeoffizier des Wehrkreiskomandos eingeladen war. Der gute Mann hatte die Aufgabe uns zu erklären, wie toll und wichtig doch eine Laufbahn als Offizier in der Armee sei und daß es doch zur Verteidigung unserer sozialistischen Heimat unerläßlich ist, sich wenigstens als Zeitsoldat zu einem verlängertem Wehrdienst zu verpflichten. Naja - und vor der Rede natürlich Kulturprogramm, zu welchem sich Jung-Carsten spontan bereit erklärt hat.
Jung-Carsten schnappt sich also seine Gitarre, erzählt kurz was zum Liedermacher Hannes Wader (dessen kommunistische Einstellung natürlich wunderbar ins sozialistische Bild passt - natürlich ganz toll daß er DKP-Mitglied war und im Westen beim Klassenfeind zeitweise Berufsverbot hatte) und singt ausgerechnet welches Lied? Jawoll doch - "Es ist an der Zeit"!!
Es war mir ein inneres Fest, den Werbeoffizier bei der bekannten Zeile:
"... ja auch dich haben sie schon genau so belogen, so wie sie es mit UNS HEUTE immer noch tun..." zu beobachten.
In dem Moment hat er genau gewußt daß seine schöne geplante Rede im A.... ist. Er hat es noch versucht hinzubiegen indem er meinte, in dem Lied sind ja die Faschisten gemeint und eine sozialistische Armee belügt niemanden und jawohl, es ist an der Zeit für den Frieden zu kämpfen und wachsam zu sein... aber richtig genützt hat es ihm doch nicht.
Und nun möge die Nachwelt und insbesondere Hannes über mich urteilen - war das nun Mißbrauch? Oder war es "Arsch in der Hose" - eine kleine feine Art von Widerstand im Rahmen der künstlerischen Freiheit? Kunst als Waffe? Ja aber sicher doch... Ob Hannes mir nun böse ist daß ich sein Lied benutzt hab um die sozialistische Armee zu verunglimpfen? Bin ich jetzt Faschist im Sinne von Hannes Interview? Ja ich weiß, Kommunisten können Pazifisten auch nicht so richtig leiden, die kämpfen ja nicht gegen den Klassenfeind.
Nur zur Information: ich bin kein Offizier geworden und auch kein Zeitsoldat - ich hab den Dienst an der Waffe verweigert und mich höchst freiwillig als "Bausoldat" beworben. (gehört zum Thema "Arsch in der Hose") An meiner Schule und von meinen Lehrern hab ich nach diesem Liedvortrag übrigens nie Schwierigkeiten bekommen, ich "durfte" sogar weiter auftreten. :-D
Seid bereit - immer bereit!
Euer Carsten
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Beitrag von Rex2005 »

Hallo Carsten

Trotz aufmerksamen Lesens bin ich mental nicht in der Lage, einen wie auch immer gearteten Zusammenhang zwischen beiden Artikeln zu erkennen.

In beiden Artikeln machen zwei Linke Aussagen zum Rechstextremismus / Neofaschismus und dies mit doch recht unterschiedlicher Betrachtungsweise. Darauf wollte ich hinweisen.
Mehr oder weniger erschreckt hat mich dabei Waders Aussage:
Ich sage in dem Lied, daß es das Volk in 50 Jahren nicht geschafft hat, mit den alten Nazis fertigzuwerden und daß es ihm auch mit den neuen nicht gelingen wird. Was aber nicht heißt, daß wir nichts dagegen tun müssen.
Das würde ja heißen, das man den Rechtsextremismus nur abbremsen aber nicht abschaffen kann - das sehen sicher viele anders - und Wader hat Recht, wenn er sagt, das dieser Staat (und andere mit der gleichen politischen Ordnung auch) kein Interesse daran hat, daran etwas zu ändern. Daraus kann man nur eine Schlussfolgerung ziehen ... ( jeder für sich selbst )
Freundschaft! :wink:
Rex2005
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Carsten
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Beitrag von Carsten »

Liebe Rex2005,
danke für deinen erklärenden Beitrag, nun hab ich verstanden was Du uns mit der Verlinkung der beiden für mich scheinbar zusammenhangslosen Artikel sagen wolltest.
Ich störe mich allerdings immer noch an Herrn Modrows Rede.
Es will mir nun mal nicht in den Kopf, daß und wie die Verehrung und teilweise Vergötterung eines Linksextremisten zur Bekämpfung des Rechtsextremismus beitragen soll.
Denn ganz nüchtern und ohne Beschönigung betrachtet - könnte man Thälmann als Führer einer linksextremistischen Vereinigung bezeichnen, nämlich des Rotfrontkämpferbundes, welcher nichts anderes war als der bewaffnete Arm (um nicht Straßenschlägertrupp zu sagen) der damaligen Kommunistischen Partei (KP). Als solcher gegründet als Gegenpol zur SA, von der sich natürlich alle einig sind daß dies selbstredend der Straßenschlägertrupp der NSDAP war.
Nun ist der Lauf der Geschichte eben der, daß Thälmann zum Opfer der letzteren wurde und bei den Linken aller Länder große Verehrung genießt.
Das ist eben nun die große Falle oder der große Trugschluß - Linksextremismus ist besser oder berechtigter als Rechtsextremismus, nur weil er links ist? Der Linke ist deswegen der Held, weil er den Rechten bekämpft hat, sehe ich das richtig?
Man könnte Links und Rechts (sowie islamistisch und christlich) einfach wegstreichen und Extremismus an sich und als solchen überall gleich bekämpfen, so wird für mich ein Schuh daraus. Wenn ich den einen aber als gut und richtig darstelle und dessen Führer als Helden und Opfer verehre, brauch ich mich nicht zu wundern daß sich der andere nicht so recht ausrotten läßt. Liege ich da so sehr falsch?
Linke aller Länder vereinigt euch und fallt über mich her. Aber vorher möchte ich noch erklären: Ich bin bin kein Extremist, Links nicht und schon gar nicht Rechts, ich bin kein Nazi und kein Neonazi und sympathisiere in keinster Weise mit denen, und ich verachte Rennicke und Spießgesellen, die Waders und Meys schöne Lieder für ihre miese Sache mißbrauchen.
Druschba!
Carsten
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Beitrag von Rex2005 »

Hallo Carsten,

Carsten schrieb:
Ich störe mich allerdings immer noch an Herrn Modrows Rede.
...
nämlich des Rotfrontkämpferbundes, .... Als solcher gegründet als Gegenpol zur SA, von der sich natürlich alle einig sind daß dies selbstredend der Straßenschlägertrupp der NSDAP war.


Modrows Rede kann man aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und je nach Standpunkt wird man sie anders werten. Wichtig ist aber, das man Persönlichkeiten, Parteien usw aus der geschichtlichen Entwicklung heraus betrachtet und letztendlich nicht das politische Ziel derer aus den Augen verliert. Marx und Engels haben zwar den Sozialisten und Kommunisten das Ziel vorgegeben aber nicht den Weg dorthin. Wie schwer es ist linke Kräfte zu bündeln, zu führen usw ... sollte doch gar nicht so schwer sein, wo das Ziel seit der Französischen Revolution doch relativ einfach ist. Und auf dem Weg dorthin werden wohl noch viele Fehler gemacht ... Insofern hat Thälmann einiges geleistet - mit welchen Mitteln ist aus heutiger Sicht natürlich eine andere Frage. Aber was und für wen er stand, kann man nicht in Abrede stellen. Warum sich "Proletarier aller Länder" bis heute nicht vereinigen können - ehrlich gesagt, keine Ahnung :weissnicht:
Die ewig Gestrigen, die für Hitler und Konsorten auf die Straße gehen argumentieren auch damit, dass Arbeitsplätze geschaffen wurden, die Wirtschaft nach vorne gebracht, "Zucht und Ordnung" herrschte - ohne Wertung der politischen Ziele, hat man kaum Gegenargumente. Und schon hat man, wie du auch feststellst, zwei Extreme.
So bleibt nur, den Gang der Geschichte aufzuarbeiten und daraus Lösungen für die Zukunft zu finden. Bei einzelnen Zeitabschnitten, wie die geschichtlich sicher irgendwann einmal völlig unerwähnenswerten 40 Jahre DDR anzufangen, ist ein viel zu später Ansatzpunkt. Insofern ist Modrows Rede für mich zumindest logisch und nachvollziehbar - ohne damit eine Wertung abgegeben zu haben, ob meine Meinung die selbe ist oder nicht.
LG
Rex2005
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Carsten
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Beitrag von Carsten »

Hallo Rex2005,
Insofern ist Modrows Rede für mich zumindest logisch und nachvollziehbar

Nun, für mich eben grad gar nicht. Und schon gar nicht, weil es Herr Modrow ist, der diese Rede hält, selbst SED-Funktionär der obersten Garde.
Wo soll denn die Logik liegen?
An der der Gedenkstätte für einen Extremisten fordere ich die Abschaffung des Extremismus - bzw. im vorliegenden Fall: am Gedenktag der Errichtung der Gedenkstätte für einen Extremisten beschwere ich mich, daß es noch Extremismus gibt?
Ok, ich bin gemein und hab die mathematischen Vorzeichen "Plus" und "Minus" bzw. "Rechts" und "Links" weggelassen.
Als Parteifunktionär eine linke Diktatur miterrichten helfen und dann alle in die rechte Ecke stellen, die wagen diese Diktatur als Diktatur zu bezeichnen? (siehe oben)
Ich entdecke da keine Logik drin. Oder doch - nämlich daß sich eigentlich keiner wundern braucht wenn solche Reden nutzlos verhallen.
Insofern hat Thälmann einiges geleistet - mit welchen Mitteln ist aus heutiger Sicht natürlich eine andere Frage. Aber was und für wen er stand, kann man nicht in Abrede stellen.

Ja das ist ja die ganz tolle Leistung - ich baue eine Partei samt zugehörigem paramilitärischem Block auf, welche sich rein äußerlich fürs Volk in nichts von der zu bekämpfenden Gegenseite unterscheidet. Und dann wundern wenn ich nicht gewählt werde - zumal ich als Alternative den Sowjetkommunismus á la Stalin anbiete, denn schließlich bin ich extra nach Moskau zur Schulung gefahren, damit ich bei eventuellem Wahlsieg weiß was zu tun ist.
Da bleibt also nur zu spekulieren - hätte Thälmanns Partei damals 1933 die Wahl gewonnen, wäre der Sozialismus 16 Jahre früher nach Deutschland gekommen und nicht nur in die Osthälfte. Wie toll Stalin sein Land regiert hat, der zu dieser Zeit an der Macht war wissen wir inzwischen - und Thälmann wäre Vasall Stalins gewesen.
Die Wahl zwischen Pest und Cholera - die Pest hat gewonnen. Ich kann nur nicht begreifen warum der Vertreter der Cholera immer noch der Held ist. Ach ja, er hat die Pest bekämpft und ist durch sie umgekommen.
Was das jetzt alles noch mit Hannes Wader zu tun hat? Wahrscheinlich gar nichts mehr.
LG
Carsten
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Beitrag von Rex2005 »

Hallo Carsten
du machst mir das Leben aber auch nicht gerade leicht ;-)

An der der Gedenkstätte für einen Extremisten fordere ich die Abschaffung des Extremismus - bzw. im vorliegenden Fall: am Gedenktag der Errichtung der Gedenkstätte für einen Extremisten beschwere ich mich, daß es noch Extremismus gibt?

Hier müssen wir uns auf eine Definition einigen. Ist derjenige der zu extremen Mitteln greift - also zu Waffen oder radikalen Mitteln in jedem Fall ein Extremist?
Welche anderen Möglichkeiten gab es geschichtlich betrachtet z.B. zu Zeiten eines Spartakus, der Bauernkriege, des Spanienkrieges, zu Zeiten Liebknecht, Thälmanns ... gesellschaftliche Veränderungen zu gestalten? Waren das alles Extremisten?
Extremismus würde ich definieren: wider besseren Wissens friedliche oder politische Mittel ausklammern und geschichtliche Zusammenhänge negieren.
Rex2005
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Carsten
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Beitrag von Carsten »

Hallo Rex2005,
du machst mir das Leben aber auch nicht gerade leicht

Warum sollte ich? Du verlangst mir die gleiche Argumentation ab wie alle meine Staatsbürgerkunde-Lehrer vor Dir. Und mit denen durfte ich mich einige Jahre rumschlagen.
Hier müssen wir uns auf eine Definition einigen. Ist derjenige der zu extremen Mitteln greift - also zu Waffen oder radikalen Mitteln in jedem Fall ein Extremist?

Siehst Du, da haben wir sie schon - die beliebte marxistische dialektische Falle. Wir definieren also was ein Extremist ist und was nicht und stellen dann fest, daß linke Freiheitskämpfer keine Extremisten sein können weil im Kampf für eine sogenannte gerechte Sache der Zweck alle Mittel heiligt.
Da könnten wir in einem Abwasch gleich noch die Pazifismusfrage klären, wie wär`s?
Der Linke ist also immer der Gute und darf alles? Wie war das doch mit der RAF? War die nicht auch links - und wurde sie nicht von der damaligen Regierung - SPD - also auch links, also von den eigenen Genossen bekämpft? Oder ist links nicht gleich links?
Nun, bleiben wir bei Thälmann, denn um den geht es schließlich. Extremist oder nicht? Nehmen wir die von Dir selbst aufgestellte Definition her:
wider besseren Wissens friedliche oder politische Mittel ausklammern und geschichtliche Zusammenhänge negieren

Fakt ist nun mal: Thälmann war unter anderem erster Vorsitzender des paramilitärischen Roten Frontkämpferbundes - ein Verein der sich auf anfangs friedlichen Protestkundgebungen blutige Straßenschlachten mit der Polizei lieferte (friedliche oder politische Mittel ausgeklammert - Punkt 1 der Definition erfüllt).
Nicht vergessen - wir haben die Zeit der Weimarer Republik - also ein "zartes Pflänzchen Demokratie" in Deutschland (wie Mey in der Eisenbahnballade singt). Der Bund wird logischerweise verboten - komisch, mal wieder von einer SPD-Regierung, also linken Genossen. Daraufhin existiert er illegal weiter (geschichtlicher Zusammenhang negiert = Vorhandensein einer Demokratie - Punkt 2 der Definition erfüllt) und liefert sich weiter blutige Kämpfe mit der Gegenpartei.
Reicht das um als Extremist zu gelten oder nicht? Laut obiger Definition also eindeutig "Ja". Jetzt fehlt nur wieder das Argument, daß der das alles darf weil er ja der "Gute" war. Nein, er war kein Guter, er war Anhänger von Stalins Sozialfaschismustheorie, welches dazu führte daß er in der regierenden SPD seinen Hauptfeind sah und somit den Kampf gegen Hitler maßgeblich geschwächt hat indem er die Wählerschaft spaltete. So hat er eigentlich mehr geschadet als genutzt. Ja komisch - das ist wohl das ewige Problem der Linken - die Gemäßigten Linken sind schlimmere Feinde und werden härter bekämpft als der eigentliche Feind, die Rechten. Und wohin hat es geführt? Genau, der lachende Dritte gewinnt die Wahl...
Das ist nun mal das Dumme an Pest und Cholera. Wofur entscheidet man sich?
Nach wie vor sehe ich keinen Grund, die Cholera dafür zu vergöttern das die Pest ihr zuvor gekommen ist. Das die Cholera ein paar Jahre später die Hälfte des Pest-verwüsteten Landes doch noch übernimmt kann ich auch nicht als Grund zum Jubeln empfinden.
Das ein Cholera-Bazillus in einer Rede die Gedenkstätte für ein anderes Cholera-Bazillus würdigt kann ich nachvollziehen - aber sich über "das nach wie vor Vorhandensein" von Pest-Erregern aufzuregen steht der Cholera einfach nicht zu.
LG
Carsten
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Beitrag von Rex2005 »

Hallo Carsten,
ja und solche Sachen auszudiskutieren macht schon auch Spaß.

Nein, er war kein Guter, er war Anhänger von Stalins Sozialfaschismustheorie

Stalins Politik konnte aber aber erst mit dem Blick zurück auf die Geschichte als solche bewertet werden.
Wenn man deinen Argumenten folgt, kommt man auch nicht weiter. Da müsstest du erklären, wie der Gang der Geschichte hätte anders verlaufen müssen oder können.
Nun haben wir inzwischen linke und rechte Parteien in den Parlamenten einer von SPD und inzwischen CDU/SPD geführten Regierung. Gehört die NPD aber nun zu den "Guten" (wie du sagst), muss man sie akzeptieren, weil ihnen die gleichen demokratischen Rechte (auch von Linken) eingeräumt wurden?
Sind die, die gegen die Neonazis auf die Straße gehen und die direkte Konfrontation mit Polizei und Neos wollen in dem sie deren demokratisches Recht auf Demonstrationen durch Gegendemos oder Sitzblockaden behindern (und nicht selten kommt es zu Schlägereien) extremistisch?
Na ja, man könnte noch viel diskutieren .... Ach ja ... ich wollte mal Staatsbürgerkunde/ Geschichtslehrer werden :-D. Wurde aber trotz glatter 1 und permanentem Mangel an Lehrern für diese Fachrichtung nicht zum Studium zugelassen. Bin nie in einer Partei gewesen, gehe auch nicht zu Demos usw ... bin mehr ein Nachdenker und Fragensteller.
Gruß
Rex2005
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Mario
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Beitrag von Mario »

Hallo,
ich will euch ja nicht in der Diskussion stören, schon aus dem Grund, weil die Art und Weise, wie Carsten mir durch seine Argumentation einige meiner eigenen Denkfehler aufzeigt, aber was mir plötzlich eingefallen ist, möchte ich doch gerne einwerfen.
Ich versuche meine Lieder (von denen ich behaupte, dass sie kritischen Inhalt haben) nicht an der großen oder kleinen Weltpolitik auszurichten (meistens jedenfalls), sondern zu schauen, wo spiegelt sich das, was in der Politik passiert eigentlich im kleinen Zusammenleben zwischen Mann und Frau, Freunden, Eltern und Kindern... wider.
Und da kommt mir eben im Zusammenhang mit eurer Disksussion die oft diskustierte Frage auf: Dürfen/ müssen Kinder in der Erziehung geschlagen werden (ach so ein kleiner Klapps macht doch nichts). Ich sage ganz klar, nein. Jede Erklärung der Richtigkeit von Schlägen zeigt nur die Unfähigkeit der Eltern auf zu erziehen.
Tja, und eigentlich sollte ich doch auch in der Disksussion zum Extremismus so denken - aber ich gebe zu, dass ich linken Extremismus bisher immer als "weniger schlimm" und "leider geht es ja nicht anders" gesehen habe.
Danke Carsten, jetzt ist es anders. Allerdings bleibt die Zwickmühle die auch Rex schon aufgezeigt hat - die Diktatur (und der Extremismus) der Staatsgewalt, der Buschs, der Merkels und und und.
Ich will aber kein Eremit werden, sondern in der Gesellschaft leben - eine Lösung habe ich nicht, wahrscheinlich ist das der Grund warum ich Lieder mache - wenigstens habe ich so eine (körperlich) gewaltfreie Methode mich auszudrücken.
Mario
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Michael
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Beitrag von Michael »

Hallo,
spannende Diskussion, die sich da entsponnen hat. Aber etwas will ich aus meiner Sicht beitragen oder klarstellen:
Den Sowjetkommunismus à la Stalin gab's 1933 noch nicht. Die Schauprozesse und der GULAG kamen in dem entsetzlichen Ausmaß erst viel später, er kann also 1933 noch nicht die Alternative gewesen sein. Der atemberaubende Industrielle Aufbau der Sowjetunion macht schließlich ein anderes Bild.
Das "zarte Pflänzchen Demokratie" war spätestens 1931 zertreten. Aus Sicht der KPD lebete man da sogar schon im Faschismus (war natürlich Quatsch, aber sie konnten ja nicht wissen, was noch kommt). Es ging also da schon um den Kampf gegen eine Diktatur, das muss man vielleicht zum Selbstverständnis des Rotfrontkämpferbundes in dieser Zeit wissen (der selbst freilich viel älter ist).
Einen Begriff wie Extremist - also einen Begriff, der aus den siebziger Jahren stammt, wenn ich mich nicht täusche - auf Thälmann oder von mir aus Hitler oder sonstwen anzuwenden, finde ich schwierig, da die Weimarer Zeit so ganz anders war als die Bonner. Zudem ist das mit dem Extremismus so eine Sache, weil er von einer wie auch immer gearteten Mitte definiert wird. Und wo soll die sein? Und wo war die 1930 und wo ist die 2007? Außerdem sagen einem kluge Historiker, dass der "Nationalsozialismus" in Deutschland eigentlich kein "Rechtsextremismus" war (die Parteien der äußersten Rechten haben ja an die NSDAP kaum Stimmen verloren), sondern ein "Extremismus der Mitte". Deshalb wir mir oft so schummerig, wenn ich einige Mittelstand- oder Handwerksfunktionäre höre, die bestätigen das nämlich oft.
Dass die KPD die SPD als Hauptfeind angesehen hat war eine historische Dummheit, aus der Zeit heraus aber verständlich (Noske, Zörrgiebel). Den Generalstreik und die Volksfront hat dann aber die SPD verhindert, die bekanntlich nach der "Friedensrede" Hitlers - seiner außenpolitischen Erklärung im Mai 1933 - mit allen anderen Reichtagsabgeordneten sich erhoben haben um das Deutschlandlied zu singen. Was sie erst wieder am 9.11.1989 getan haben.
Und zu "Es ist an der Zeit": Wenn mich nicht alles täuscht hat die DDR-Band "Wacholder" das Lied auch gesungen, großer Ärger war also kaum zu erwarten, außer von sehr dummen Funktionären, aber von denen gab es ja leider wohl genug.
Michael
Dieser Beitrag enthält 380 Wörter
Und vielleicht gibt es morgen ja schon den Crash,
dass die Kurse und Masken fallen.
Also laßt uns freuen und träumen davon,
wie die Racheposaunen erschallen.
Franz Josef Degenhardt

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Clemens
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Interview

Beitrag von Clemens »

Lieber Michael,
großer Ärger war also kaum zu erwarten, außer von sehr dummen Funktionären, aber von denen gab es ja leider wohl genug.

es tut mir sehr leid, das nicht viele der unmittelbar betroffenen Menschen den Mut aufbringen tatsächlich zu berichten, wie schlimm diese Diktatur sein konnte. Mein Vater hat es bis zu seinem Tode kaum vor der Familie vermocht.
Und das "Vergehen", weswegen man ihn im Staasigefängnis gefoltert hat, war weit geringer als das Singen eben jenes Liedes zur Unzeit. Es war defacto sogar erfunden.
Übrigens waren die dummen Staasileute relativ schnell zu durchschauen. Schlimmer waren die Klugen. Sie ließen vielleicht Carsten lächelnd das Lied singen um sich Notizen zu machen, welcher Lehrer in seinem Gestus möglicherweise Zustimmung erkennen ließ.
Zudem sind es perfide "Nachwehen", dass die Traumata Betroffener noch nach so vielen Jahren nicht weichen können, weil die eigentlich Verantwortlichen nur den Geheimdienst gewechselt haben.
Ich will Carsten beileibe nicht zum Widerstandskämpfer und Helden erklären. Für viele war es selbstverständlich Kontrapunkte zu setzen. Aber es war immer eine reale und unberechenbare Gefahr damit verbunden. Und wer seinerseits nicht dumm war, der wusste darum.
Vielleicht erzähle ich einfach noch ein Beispiel aus meiner Bausoldatenzeit. Ein Freund, der in der Truppe, abgesehen von unserer Freundschaft, als Einzelgänger auffiel, wurde unter einem Vorwand in die nächste Ortschaft geschickt. Er sollte etwas einkaufen. Unterwegs wurde er entführt - ja wirklich in eine Auto gezerrt. Dort erpresste man seine Unterschrift zur inoffiziellen Mitarbeit. Die alternative Möglichkeit war das Militärgefängnis Schwedt unter Anklage der Fahnenflucht und des Geheimnisverrats - sprich Hochverrat!
Der Freund vertraute sich mir an und wir überlegten in großer Angst, wie wir die Sache so publik machen könnten, dass er ohne persönlichen Schaden da wieder herauskäme. Also ging ich erst allein in Ausgang und schrieb bei einer Pfarramtsverwalterin einen Brief für alle Fälle. Den nächsten Ausgang, den wir gemeinsam bekamen, nutzten wir für ein Telefonat mit meinem Vater, der als Pfarrer umgehend seinen Landesbischof in Kebnntnis setzen sollte. Mein Freund wurde daraufhin zum Stabschef beordert, wo man vor seinen Augen das Schriftstück vernichtete. Nach Ende der Armeezeit sah dieser Mann keine andere Möglichkeit mehr, als mit seiner Familie den "Ausreiseantrag" zu stellen...
Du kannst Dir sicher vorstellen, dass mich das heute noch sehr bewegt. Daher dieser emotionale Einspruch.
Nix für ungut - sei lieb gegrüßt von Clemens :-)
Dieser Beitrag enthält 415 Wörter
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Carsten
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Interview

Beitrag von Carsten »

Lieber Clemens,
ich bin dir dankbar, daß du das Thema noch einmal aufgreifst.
Ich will Carsten beileibe nicht zum Widerstandskämpfer und Helden erklären. Für viele war es selbstverständlich Kontrapunkte zu setzen. Aber es war immer eine reale und unberechenbare Gefahr damit verbunden. Und wer seinerseits nicht dumm war, der wusste darum.
Clemens, du hast absolut recht.
Ich habe es gestern schon im Chat angeschnitten - natürlich war das Singen dieses Liedes überhaupt keine Heldentat. Ich hab mich ja gut abgesichert - extra vorher noch erklärt wer Wader ist und daß das Lied von einer Amiga-Schallplatte stammt - es konnte mir im Prinzip also gar nichts passieren. Und wenn doch - ich hätte mich dumm stellen oder das Lied opportun interpretieren können. So gesehen war ich auf der sicheren Seite.
Aber das ist ja gerade das Spannende am real existierenden Sozialismus gewesen - das Ausloten der Möglichkeiten, wo im Rahmen des Erlaubten eben doch - wenn schon kein offener Widerstand, aber ein kleiner Nadelstich machbar war. Im Prinzip haben diese Methode sehr viele DDR-Künstler angewandt. (Wie viele kleine spitze Nadelstiche sind z.B. in Gerhard Schönes Liedern versteckt - es macht solchen Spaß sie zu entdecken. Aber einer der das System nicht kannte kann damit nichts anfangen.)
Richtig mutig wäre gewesen Wolf Biermann zu singen - "Soldat Soldat" zum Beispiel oder "Der ewige Soldat". Aber das wäre nicht nur Mut, sondern auch Wahnsinn - eben jenes "sich einer realen und unberechenbaren Gefahr aussetzen".
Für viele war es selbstverständlich Kontrapunkte zu setzen.
Nun gut, zumindest das habe ich - so gut es mir als damals 15jähriger möglich war - mit dem Lied versucht.
Wenn ich mir die Schicksale durchlese die Clemens in seinem Beitrag schildert und die vielen Schicksale betrachte die mir durch andere bekannt sind und dazu die in der eigenen Familie geschehenen - dann kocht mir bei Herrn Modrows Thälmann-Gedenkrede immer noch die Galle über.
Ausgerechnet ein ranghoher SED-Funktionär stellt sich hin und erklärt alle die, die die DDR als zweite deutsche Diktatur bezeichnen per se zu Nazi-Sympathisanten. Ein verantwortlich Mitschuldiger der Verbrechen am eigenen Volk stellt sich hin und wagt Forderungen zu stellen und verunglimpft jene, welche es nicht lassen können und wollen die Verbrechen seiner Partei anzuprangern. Für mich gehört jener Mann und seine Parteigenossen genauso bekämpft wie der Rechtsextremismus - ich gehe bei diesen Leuten sogar noch so weit zu behaupten, daß sie die Klappe gegen Rechts nur deshalb so weit aufreißen, um von sich selber abzulenken.
Deshalb finde ich es gut, daß von Zeit zu Zeit Diskussionen wie diese immer wieder mal auftauchen. Nein, es ist nicht vergessen und nicht vergeben.
Liebe Grüße!
Carsten
Dieser Beitrag enthält 456 Wörter
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Carsten
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Interview

Beitrag von Carsten »

Hallo Rex2005,
Sind die, die gegen die Neonazis auf die Straße gehen und die direkte Konfrontation mit Polizei und Neos wollen in dem sie deren demokratisches Recht auf Demonstrationen durch Gegendemos oder Sitzblockaden behindern (und nicht selten kommt es zu Schlägereien) extremistisch?

Wie ich sehe hast du eine sehr liebgewonnene Wertvorstellung - die sich mir wie folgt darstellt:
Links = Gut = kann nicht extremistisch sein
Rechts = Böse = in jedem Fall extremistisch
Wie ich aus deinem zitierten Beispiel erkenne, möchtest Du Gegendemonstranten und Sitzblockierer gerne nicht als extremistisch eingestuft wissen - denn es sind ja Linke die gegen Rechts sind.
Wenn Mathematiker eine Gleichung nicht lösen können, stellen sie durchaus schon mal die Vorzeichen um, um zu sehen ob sie dann aufgeht.
Laß mich das doch mal mit deinem zitierten Beispiel versuchen:
Sind die, die gegen die PDS auf die Straße gehen und die direkte Konfrontation mit Polizei und Antifas wollen in dem sie deren demokratisches Recht auf Demonstrationen durch Gegendemos oder Sitzblockaden behindern (und nicht selten kommt es zu Schlägereien) extremistisch?

Hier wären also deiner Meinung nach sicher in jedem Fall Extremisten am Werk, denn da sind Rechte gegen Links.
Wenn die Gleichung immer noch nicht aufgeht, kann man sie kürzen auf den sogenannten kleinsten gemeinsamen Nenner. Laß es mich versuchen:
Sind die, die gegen JEDEN auf die Straße gehen und die direkte Konfrontation mit Polizei und JEDEM wollen in dem sie deren demokratisches Recht auf Demonstrationen durch Gegendemos oder Sitzblockaden behindern (und nicht selten kommt es zu Schlägereien) extremistisch?

Hier wird die Sache übersichtlich, denke ich. Der Staat hat eine eindeutige Antwort darauf - sonst könnte die Polizei aus der Gleichung weggelassen werden.
JEDER hat das demokratische Recht auf Demonstration und wird deshalb von der Polizei vor Gegendemonstranten und Sitzblockierern geschützt. Deshalb wird JEDER, wenn er in der Ausübung seiner demokratischen Rechte gewaltsam behindert wird, den Störenfried wahrscheinlich als Extremisten bezeichnen.
Oder direkt gefragt: Was unterscheidet gewaltbereite mit Pali-Tüchern vermummte Antifas von Neonazis? Es gibt linke Skinheads, die man maximal an der Farbe ihrer Schnürsenkel von den rechten Glatzen unterscheiden kann - was ist an dem Einen besser als am Anderen?
Die Antwort ist doch so simpel wie einfach: bei Extremismus egal von welcher Seite kann nie was Gutes herauskommen - im Gegenteil. Eine gute Sache kann durch Extremismus reversiert, pervertiert oder bestenfalls unglaubwürdig werden.
Aber bitte: verschone mich mit der marxistischen Dialektik (denn sie ist "links" und daher einseitig), daß bei einem Kampf für eine "sogenannte gute Sache" (wer legt übrigens den Wertmaßstab fest was eine "Gute Sache" ist?) alle Mittel erlaubt sind, der sogenannte Extremist aus diesem Grund gar kein Extremist (sondern "Freiheitskämpfer" oder "Antifaschist" oder ähnlich heldenhaftes) ist und daher auch nicht unglaubwürdig werden kann.
Sieh dich doch in der Weltgeschichte um: Wie viele Bombenleger und Selbstmordattentäter (Extremisten oder nicht?) glauben dabei nicht an eine "sogenannte gute Sache"?
Na, das Leben wieder schwer geworden?
LG
Carsten
Dieser Beitrag enthält 499 Wörter
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Rex2005 hat dieses Thema gestartet
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Beitrag von Rex2005 »

Ach Carsten,
ich glaube, so langsam verkrampfst Du ;-) . Ich denke, ich habe Extremismus ziemlich klar und deutlich und ohne linke oder rechte Positionierung definiert - was du mir da einseitig und auch etwas starrsinnig in den Mund legen willst :

Links = Gut = kann nicht extremistisch sein
Rechts = Böse = in jedem Fall extremistisch


ist dein Problem, nicht meins. Ich könnte dir aus Deiner Haltung heraus genauso unterstellen:
für dich sind Neonazis und ihr Tun völlig o.k. - denn aus deiner Argumentation kann ich den oft zitierten Spruch: Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden erkennen. Und wenn die Andersdenkenden nun mal Randale, Terror, Krieg gut finden, dann muss man denen aus rein humanistischen Gründen diese Freiheit lassen.
So, nun könnten wir uns streiten wie die Kesselflicker und es würde kein Ende nehmen. Ich verstehe dich schon - im Kern jedenfalls. Und deine Grundhaltung, das Gewalt nie die beste oder überhaupt eine gute Lösung sein kann - kann ich vom Prinzip her auch jederzeit unterschreiben. Nur geht es hier nicht um den Klaps auf den Hintern eines bockigen Kindes.
Es geht ganz einfach um die Frage wie man eine Gesellschaft gestalten und weiterbringen kann. Das geht nur, wenn man die historischen Zusammenhänge betrachtet. Da liegst du, wie Micha auch feststellte falsch, wenn du Extremismus und den RFB zum Beispiel in einen Topf schmeißt.
Es bringt aber rein gar nichts, wenn man zwar weiß, was man ablehnt, weiß, was man eigentlich will (dazu muss man sich positionieren, Links oder Rechts) aber keine Lösungsansätze hat oder findet, wie man dahin kommt. Das ist unter anderem ein Grund, wie man ganz schnell Leute in die Extreme drängen kann. Keine Arbeit - daran sind Ausländer schuld - also raus mit denen. hm, nun ist das schon wieder ein Argument gegen Rechts ... Gut, aber gegen Linksextreme, finden sich auch Argumente.
Wenn man Marx und seine Dialektik gelesen und zumindest in Ansätzen verstanden hat, was viele nicht haben und auch nicht wollten, weil sie Marx von vornherein ablehnen, dann ist und war der Untergang der DDR überhaupt kein Rätsel, weil die grundlegendsten Lehren einfach nicht beachtet wurden.
Um zu Wader und auf sein Interview zurückzukommen: Es ist an der Zeit ... nur wie? Sag mir´s!
LG
Rex2005
Dieser Beitrag enthält 380 Wörter

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Skywise
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Interview

Beitrag von Skywise »


Rex2005 schrieb:
Wenn man Marx und seine Dialektik gelesen und zumindest in Ansätzen verstanden hat, was viele nicht haben und auch nicht wollten, weil sie Marx von vornherein ablehnen, dann ist und war der Untergang der DDR überhaupt kein Rätsel, weil die grundlegendsten Lehren einfach nicht beachtet wurden.
"Theorien" bitte. Nur "Theorien", keine "Lehren".
Marx' Theorien haben den gigantischen Nachteil, daß sie mit der heutigen Realität oder dem heutigen Menschen nichts zu tun haben. Wenn man sich den Menschen als miesen, kleinen, dummen, egoistischen, stinkfaulen Drecksack mit unendlich vielen Bedürfnissen vorstellt, dem auch Gefühle wie Haß, Neid oder Geltungssucht nicht fremd sind, dann wird man sich ausmalen können, weshalb es mit der Umsetzung seiner Ideen hapert.
Gruß
Skywise
Dieser Beitrag enthält 124 Wörter
"Ist wirklich wahr - ich hab's in meinen Träumen selbst geseh'n ..."
Herman van Veen - "Die Clowns"

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