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Konzertbericht zu "Faszination Afrika"

Verfasst: Mi 13. Jan 2016, 21:22
von Anne1986
Faszination Afrika - eine (musikalische) Reise ganz besonderer Art
Katy Sedna Mira & friends präsentieren eine kleine Auswahl ihres sprachlich wie klanglich vielseitigen Repertoires im Rahmen des “Sonntagsspaziergangs”, live aus dem Rautenstrauch-Jost-Museum Köln
Es ist der 13.12., der dritte Adventssonntag 2015, 11.30 Uhr: Der Saal des Rautenstrauch-Joest-Museums im Herzen von Köln ist gut gefüllt - und noch viele weitere Zuhörer können das Programm des wöchentlichen “Sonntagsspaziergangs” im Radio Deutschlandfunk mitverfolgen. Anlässlich des 150. Todestages des Afrikaforschers Heinrich Barth, der sechs Jahre und rund 20.000 Kilometer auf dem Kontinent unterwegs war und in seinen “Reisenotizen” an seinen Erfahrungsschätzen teilhaben lässt, lautet das Thema “Faszination Afrika”, zu dem viele interessante Gesprächsgäste eingeladen sind. Ihre Beiträge sorgen dafür, Afrika in seiner Vielseitigkeit und aus differenzierter Perspektive zu betrachten, und laden dazu ein, sich gedanklich selbst auf die Spuren Heinrich Barths, auf eine Reise durch Afrika, zu begeben. Das Highlight dabei: Die Musikbeiträge zweier Trios, der Jalliya Lamin Kuyateh-Formation aus Gambia und der internationalen Gruppe Katy Sedna Mira & friends, die gleichsam mitreißen und berühren.
Eröffnet wird das Programm durch Zitate aus Heinrich Barths persönlichen Aufzeichnungen, musikalisch begrüßt das Jalliya Lamin Kutayeh-Trio mit einem Lied in seiner Muttersprache Mandinka das Publikum. In die exotische Klänge des Ballaphons (eine Art menschengroßes Xylophon), gespielt von Ibu Sila, und den Rhythmen verschiedener Trommeln, gespielt von Ibu Gayé, mischt sich die Stimme des Leadsängers Jalliya Lamin mit seinem Begleitinstrument, der Kora. Außer des wiederkehrenden “Gambia” lässt sich vom Sprachunkundigen vom Text nichts verstehen, er hat aber eine tiefgründige Bedeutung, wie die Erläuterung zeigt: “Jeder Mensch ist gleich. Jeder hat sein Vaterland. Jeder lebt in seiner ethnischen Gruppe, zu Hause zusammen - aber das gibt niemandem das Recht, sich besser zu meinen.” Gambia liegt in Westafrika, umgeben vom Senegal, und wurde just zwei Tage zuvor zur islamischen Republik ausgerufen. Jalliya Lamin, der seit seinem 5. Lebensjahr Kora, ein harfenähnliches Zupfinstrument, spielt, spricht mit seiner warmen Stimme einige Grußworte auf Mandinka. Da kein Übersetzer vor Ort ist, kann er leider nicht aktiv an den Gesprächen teilnehmen, wohl aber ein großes Stück Kultur in seinen Liedern transportieren. Lamin lebt und arbeitet seit einigen Jahren in Amsterdam und unterrichtet Kora am Konservatorium. Im weiteren Programm folgen noch zwei seiner Stücke im unverwechselbaren Stil.
Bald darauf ist das Trio Katy Sedna Mira & friends mit einem sprachlich wie musikalisch facettenreichen Programm an der Reihe. Den Auftakt bildet Bahaibak, ein Liebeslied aus Ägypten, das ganz leise beginnt und sich daraufhin in melodiöse, orienttypische Läufe steigert, wunderschön untermalt durch hinzukommenden Trommelrhythmen von Donald Holtermanns (Percussion) und einer dezenten, wohlklingenden Gitarrenbegleitung, die Musiker und Ethnologe Peter Bachmann zum Jubiläum Barths besonders gerne angenommen hat. Katys klare, angenehme Stimme bezaubert und vermag es, die jeweilige Stimmung zu transportieren. Beeindruckend ist dabei, wie sie in der jeweilige Sprache, hier arabisch, singen kann, ohne dass sich auch nur irgendeine Unsicherheit zeigen würde. Die Botschaft in Bahaibak lautet: “Diese Liebe ist nicht normal. Ich bin froh, wenn ich einfach nur neben dir sitzen darf.”
In einem kurzen Interview - die Zeit für Gesprächsbeiträge ist bei dem großen Thema knapp bemessen - schwärmt Katy Sedna Mira von der Natürlichkeit und Menschlichkeit Afrikas als große Inspiration für ihre Musik: Als Tochter eines deutschen Tierarztes und Forschers und einer Amerikanerin wurde sie in Deutschland geboren, hat aber viele Jahre ihrer Kindheit in Kenia und Togo verbracht. Ihr weiterer Lebens- und Berufsweg führte sie zunächst in die USA und nun zurück nach Deutschland. Aktuell betreuen ihre Eltern ein Projekt für Kleinbauern in Togo. Angesprochen auf die wohl eindrücklichsten Erinnerungen an das Leben in Afrika fallen Katy spontan die Vielfalt der Insekten und die Schlangenbegegnungen ein, bei denen sie immer Glück gehabt habe, denn zu der Zeit existierten noch keine Gegengifte für diese noch unerforschten Arten. Von Lomé, der Hauptstadt Togos, erzählt sie daraufhin von einer uralten, aber immer noch im Betrieb laufenden Dampflokomotive, deren Rhythmus ihr ins Blut gegangen sei. Ihre Stücke stammen sowohl aus eigener Feder als auch aus traditionellem afrikanischen Liedgut.
So auch Malaika aus Kenia, das zweite Stück des Trios, das in der Landessprache Swahili gesungen wird. Es ist ein Liebeslied an eine Frau, die Malaika heißt. Ihr Freund kann sie leider nicht heiraten, da er die Mitgift nicht zahlen kann: “Kleiner Vogel, meine Schwester, ich träume von Dir und denke an Dich. Was kann ich nur tun, um bei Dir zu sein? Ich bin überwältigt vom Wohlstand, denn ich habe keinen.” Die Bedeutung des Namens Malaika ist dabei vielschichtig, denn damit kann auch eine Geistergruppe aus Ostafrika gemeint sein, die nur Gutes will und tut. Er hat auch etwas mit weichem Federflaum zu tun, wie ein Vogel - daher die Anrede an die Angebetete.
Aus Togo (Westafrika) stammen die Lieder Zelié und das abschließende Safia, in ruhiger Begleitung und der sehr wohlklingenden Sprache Kotokoli. Bei ersterem handelt es sich um ein traditionelles Hochzeitslied an die Frauen in Togo. Es ist ein Stück, das gerade durch seine leisen Töne sehr berührt. Denn bei aller Freude über die Hochzeit ist es gleichzeitig auch ein trauriger Tag für die Braut und ihre Angehörigen, denn sie verlässt nach der Zeremonie ihre Stammesfamilie, um fortan bei der Familie des Bräutigams zu leben. “Safia” hingegen erzählt eine Geschichte: “Bei einem Fest führen alle Menschen die Tänze ihrer Dörfer vor, doch da ist ein Mädchen, das nicht tanzt. Das ist mysteriös, denn so weiß man nicht, wo sie herkommt. Und jetzt habe ich doch herausgefunden, wo sie wohnt, nämlich in einem Dorf hinter Agouloudé. Wenn du das nächste Mal dort vorbeikommst, grüß bitte Safia von mir, denn ich denke immer an sie.”
Das wohl eindrücklichste Stück, bei dem es aber auch wieder um Liebe geht, stellt die Eigenkomposition You are my love von Donald Holtermanns und Katy Sedna Mira dar. Der Text ist englisch, doch der Klang, die Musik, vor allem der Rhythmus, sind afrikanisch. Donald Holtermanns war oft in Ghana musikalisch unterwegs und wurde dabei inspiriert. Das Besondere: In diesem Lied kommt sein eigener elektrischer Kalimbaklang zur Geltung. Die Kalimba ist ein beliebtes und weitverbreitetes Instrument, das in unzähligen Ausführungen existiert und aus verschiedenen Materialien gebaut wird. Und so fasziniert Holtermanns nicht nur im Intro des Stückes mit einem großartigen Klang, sondern auch während Katy in einer tieferen Stimmlage als bei den anderen Liedern und mit Echo/Hall eindrücklich singt.
Bald ist klar, dass die Sendezeit gar nicht ausreicht, um alle Themen auszuschöpfen - und gerade auch bei der vielseitigen Musik bekommen die Zuhörer Lust auf mehr. Da lohnt sich sicherlich ein Blick auf den Tourneeplan Katy Sedna Miras unter http://www.katysednamira.com/  oder entsprechende Links auf einzelne ihrer Lieder. Und wer weiß, vielleicht kann man auch in Zukunft auf die Veröffentlichung eines ersten Albums hoffen? Zu wünschen wäre es dem Trio! Wer die Sendung übrigens verpasst hat, kann diese noch in der Mediathek des Deutschlandfunks nachhören und sich auf die spannende Reise begeben...
Anne Drerup, freie Autorin und Rezensentin beim Online-Kleinkunstmagazin “Ein Achtel Lorbeerblatt”

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