Hallo zusammen,
da die beiden neuen Alben von Hannes Wader hier im Forum auf ein so großes Interesse stoßen
, füge ich an dieser Stelle noch die Kommentare Waders zu den einzelnen Liedern aus "...Und es wechseln die Zeiten" an:
1) Paris 1794
Im Sommer 1997 übernahm ich in Dantons Tod von Büchner, aufgeführt im Freilichttheater Bad Hersfeld, eine kleine – im Originaltext nicht enthaltene – Rolle als fahrender Sänger und Chronist. Im Auftrag der Regie schrieb ich dieses Lied und vergaß es dann nach Ende der Spielzeit. Zum Glück hat mir mein alter Freund Patrick Graf Saurma, der über ein beachtliches Archiv an Wader-Raritäten verfügt, neulich eine alte Kassette aus seinem Besitz vorgespielt, auf der dieses Lied zu hören ist. Ich konnte mich kaum noch daran erinnern, es geschrieben zu haben. 1794, fünf Jahre nach dem Sturm auf die Bastille erreicht in Paris die Schreckensherrschaft – le Terreur –, errichtet zur Überwindung großer nachrevolutionärer Krisen und des Hungers ihren Höhepunkt, als Robespierre seinen ehemaligen Mitstreiter Danton und viele seiner Anhänger guillotinieren lässt, um wenige Monate später entmachtet, selbst unter dem Fallbeil zu enden.
2) Milliardäre
Wenn man nur Leute kennt, die wie ich selbst, nie mehr als ein paar lumpige Tausender auf einem Haufen gesehen haben, wie soll man sich da so eine gewaltige Summe von mehr als 100 Milliarden Dollar vorstellen können? Passen die in einen oder mehrere Sattelschlepper mit einem oder mehreren Anhängern? Keine Ahnung. Einer Glosse in der sozialistischen (was sonst) Wochenzeitung UZ habe ich die nachfolgende Rechnung entnommen. Ob sie so stimmt, weiß ich nicht. Ich kann nicht gut rechnen. Immerhin veranschaulicht sie das, was – jenseits der ein oder anderen Lotto-Million (die ich auch gerne hätte) – wirklicher Super-Reichtum ist: monströs und obszön.
3) Griechisches Lied
Im Jahre 1951 fuhr mein alter Freund Oss Kröher mit dem Motorrad von Pirmasens – via Griechenland – nach Indien, um von Bombay aus per Schiff über Rotterdam mit diesem Lied, 8 Elefanten und zwei Leoparden (im Gepäck) wieder nach Deutschland zurückzukehren. Als ich das in bündischen Kreisen (denen ich leider nie angehört habe, obwohl ich es mir als Junge gewünscht habe) oft gesungene Lied, in den 60er Jahren zum ersten Mal hörte, wusste ich, ich würde es irgendwann ins Deutsche übertragen und singen, spätestens nach meiner ersten Griechenland-Reise. Nach fast 40 Jahren bin ich endlich dazu gekommen – ich meine, das Lied zu übertragen. In Griechenland bin ich immer noch nicht gewesen.
4) Vanitas Vanitatum Vanitas
Beim Blättern in einem alten Gedichtband habe ich diese mir bereits bekannten Verse von Andreas Gryphius wieder mit neuem Interesse gelesen. Vielleicht sprechen sie mich deshalb so an, weil ich älter geworden bin und mich hin und wieder schon mal mit den Fragen der Endlichkeit – vor allem der eigenen – befasse und dem auch Ausdruck geben möchte. Was ja auch das mindeste ist, was man von einem Künstler in reiferen Jahren verlangen kann. Diese Verse, vor dem Hintergrund der Gräuel des 30jährigen Krieges entstanden, entsprechen den allgemeinen Anschauungen und einem poetischen Muster jener Zeit. Alles ist eitel. Alles auf das Diesseits gerichtete Streben vergebens. Das letzte Hemd hat keine Taschen usw. Nur auf Gott und das Jenseits ist Verlass. - Die frommen Schlusszeilen dieses Gedichtes: "Verlache Welt und Ehre / Furcht, Hoffen, Gunst und Lehre / Und fleuch den Herren an ...", unterschlage ich in meinem Vortrag. Als nicht gläubiger Mensch kann ich damit nichts anfangen.
5) Stellungnahme
Nach einem Konzert im Theaterhaus Stuttgart, ich saß mit ein paar Freunden beim Essen, näherte sich uns ein mir bis dahin unbekannter Mann, legte mit der Bemerkung, mich auch mal mit seiner Kunst erfreuen zu wollen, eine CD vor mich auf den Tisch, um dann eiligst wieder zu verschwinden. Es handelte sich um die CD eines Nazi-Sängers auf der er unter anderem das Lied "Es ist an der Zeit" interpretiert. Die Advokaten meiner Plattenfirma sehen keine Möglichkeit, Rechtsmittel dagegen einzulegen. Übrigens singen noch andere Neo-Faschist/innen meine Lieder. – Selbstverständlich höre ich mir so etwas nicht an und verzichte hier auf die Nennung ihrer Namen, um das Papier nicht zu verunreinigen. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
6) Wandern lieb ich für mein Leben
War es Gabriele Wohmann, die gesagt hat: Man liebt nur das, was einen rührt? - Goethe bewundere ich, Hölderlin begreife ich nicht, Rilke bestaune ich, Heine stimme ich zu, Brecht schüchtert mich ein. Nur Eichendorff, der deutscheste aller Poeten, schon zu seiner Zeit von Kollegen und Publikum als hoffnungslos altmodisch belächelt, rührt mich. Er ist mir der Liebste von allen. –
"Mensch, Joseph von ...", möchte ich ihm zurufen, "... ich bin auch altmodisch aber hoffnungsvoll, gehen wir einen trinken!"
7) O käm’ das Morgenrot herauf
Aus Litauen sei das Lied nach Ostpreußen gekommen, heißt es in dem schönen, von Hein und Oss Kröher herausgegebenen Liederbuch “Das sind unsere Lieder“. – Ich habe es zum ersten Mal im Hunsrück auf der Weitscheidt gehört, unweit der Burg Waldeck, gesungen von Joachim Müller und seiner Schwester Helga.
Ach was sich junge Liebende doch so gegenseitig antun können. Sie aus Übermut, er aus gekränktem Stolz, oder auch umgekehrt. Froh, aus dem Alter endlich raus zu sein (hoffe ich jedenfalls), singe ich dieses Lied mit doppeltem Vergnügen.
8) Vergänglichkeit der Schönheit
Da haben wir es wieder, das Thema Endlichkeit. Christian Hofmann von Hofmannswaldau, ein Zeitgenosse Andreas Gryphius beklagt hier den Verfall weiblicher Schönheit. Ich meine allerdings aus dieser Klage einen schadenfrohen Unterton heraushören zu können, als wolle er einer bestimmten Dame indirekt mitteilen: "Damals hast du mich nicht an die Wäsche gelassen, jetzt hast du den Salat, du alte Schabracke, jetzt will ich nicht mehr." Das ist unschön, für mich aber nachvollziehbar; über wie viele Zurückweisungen habe ich mich doch in meiner Jugend grämen müssen. Die Frauen sind mir wahrlich nicht in den Schoß gefallen und ich daher nicht in ihren. Na, ja, ich will nicht jammern, später lief es dann ja auch besser.
9) Vereinsamt
Zu diesem Nietzsche-Gedicht kann ich nichts weiter sagen als dass es mir gefällt und dass ich Lust hatte, es zu vertonen.
10) Petite Ville
Dieses Lied über Weißenburg (Wissembourg) im Elsass, bereits als Kleine Stadt auf der CD Wünsche veröffentlicht, ist momentan mein Lieblingslied (das ändert sich immer mal). Ich hatte daher das Bedürfnis, es ins Französische zu übersetzen, auch um einen Grund zu haben, es noch mal aufzunehmen. Ich danke an dieser Stelle meiner langjährigen Freundin Lydie Auvray, die dem Text den unerlässlichen letzten Schliff gegeben hat.
11) Krieg ist Krieg
Nicht ohne Absicht habe ich diesem Text, den ich anlässlich des Irak-Krieges geschrieben habe, die Melodie dieses schönen amerikanischen Liedes "Will the circle be unbroken" unterlegt. Ist doch anzunehmen, dass Washington auch in Zukunft ähnliche Kriege zu führen gedenkt und hoffentlich mehr und mehr Amerikaner nicht damit einverstanden sein werden.
12) Ade nun zur guten Nacht
Dass ich unsere alten Volkslieder liebe und gern singe, habe ich bei vielen Gelegenheiten geäußert. Ade nun zur guten Nacht scheint mir für diese CD ein passendes Schlusslied zu sein.
Quelle:
www.hanneswader.de
Gruß, Marc