Mit Datum 19. Mai erscheint nämlich an jeder Ecke (auch bei Onlineshops) ein gewisser Text, der offenbar von der Promo-Agentur Werft herausgegeben worden ist, aber manchmal in Musik-Blogs den Anschein einer Rezension erweckt (eine Plage, wie ich finde!).
Ich fand ihn z.B. hier Reinhard Mey mit neuem Album “Das Haus an der Ampel”: Zwei sehr unterschiedliche CDs mit denselben Liedern (19. Mai 2020, musicheadquarter.de)
Der Text verrät / spoilert uns nicht viel Neues. Wer wissen will, welches konkrete Haus "das Haus an der Ampel" ist, kann es dort aber nachlesen. Ansonsten wird das Album in oft allumfassenden allgemeingültigen Kategorien vage umschrieben, etwa so:
In seinen Liedern ist Reinhard Mey bis heute immer er selbst geblieben, ist ein Hüter der bedrohten Schätze Glaubwürdigkeit und Vertrauen, Sänger der Menschlichkeit, der Freundschaft und der Wahrheit, auch der unbequemen. Wenn er seine Geschichten in diesen 15 neuen meisterhaften Liedern besingt, erspürt man[,] wie seine Gedanken in Erinnerungen und Lebenseinsichten kreisen [...].
Unter diesem Link hat ein Autor offenbar den Promo-Text im Mittelteil durch seine eigenen Eindrücke ergänzt und einen unsäglichen Frankenstein-Beitrag erschaffen:
Unbekannt/ People nStuff - Neues Album von Reinhard Mey kommt im Mai: Entspannter Geschichtenerzähler (3. April 2020, wahrscheinlich nachträglich editiert?, musicnstuff.de)
In dem Eigenbeitrag-Anteil in der Mitte (er beginnt mit "Reinhard Mey trägt uns auf" und endet mit "den auch schon Künstler wie Jim Reeves und Harry Belafonte interpretiert haben.") geht der Verfasser auf den Inhalt einzelner Lieder ein, etwa - Spoiler alert! - so auf das offenbar satirische "Ich liebe es, unter Menschen zu sein":
Mey zeichnet mit ironischem Unterton ein zünftiges Bild davon, wie dieses Land gerade tickt. Er seziert das gemeine Großstadtleben, besingt unflätigen Schülerspott, eine unfreiwillige Bierdusche von einem schwankenden Trunkenbold und knüppelschwingende „Glatzen-Gefahr“. Doch die Rettung aus dem FC-Sankt-Pauli-Block naht - „You never walk alone“.
Und hier auch mal ein echtes Online-Presse-Feedback in Form einer Rezension:
Markus Huber - Reinhard Mey - Das Haus an der Ampel: Im Mai, im Mai (21. Mai 2020, plattentests.de)
Diese Rezension verrät über manch weiteren Song, was das jeweilige grundlegende Thema ist, etwa über "In Wien" oder "Der Vater und das Kind", was meine Neugier ordentlich anstachelt. Ansonsten habe ich das Gefühl, ist der Verfasser etwas arg mit Reinhards Person und Art im Allgemeinen beschäftigt...
Zum 2-CD-Konzept schreibt er dies:
Also *das* kann ich mir, auch ohne die CDs zu kennen, kaum vorstellen; es muss der Eindruck eines Hörers sein, der sonst viel fettere, lautere Musik gewohnt ist.Weil aber auch die regulären Studioaufnahmen bis auf wenige Ausnahmen eher sparsam instrumentiert sind, fällt der Unterschied zu den Unplugged-Versionen im "Skizzenbuch" auf CD2 in den meisten Fällen nicht besonders ins Gewicht.
Und noch ein Print-Interview!
Interview mit Jürgen Wittner: Im Augenblick des Glücks (19. Mai 2020, Kulturnews [S. 12!])
Es ist kurz, aber immerhin kostenlos, ha. Es geht auch auf konkrete Lieder ein, manchmal sind die (nicht allzu originellen) Fragen aber länger als die Antworten. Am besten gefällt mir diese Antwort auf die oft gefragte "zu-wenig-politisch?-Frage":
Es ist alles Politik, und meine Lieder waren immer politisch, man muss nur richtig hinhören, sie sind leise und legen doch den Finger in die Wunde. Ich lebe ja nicht im Elfenbeinturm, ich habe Kinder erzogen, die verschiedene Bildungseinrichtungen besuchten, Eltern begleitet, durch ein krankes Kind lange Jahre mit Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Krankenkassen und sehr zugewandtem Pflegepersonal Kontakt gehabt, und zu diesen Themen habe ich geschrieben, weil ich gern über Dinge schreibe, von denen ich etwas verstehe, natürlich auf meine Art und Weise.