Merkwürdige Diskussion, finde ich...
Mag ja sein, dass Beate Klarsfeld bei ihrer Kiesinger-Ohrfeige 1968 von der DDR unterstützt wurde. Fragt sich aber, ob sie das nicht auch ohne DDR-Unterstützung getan hätte. Jedenfalls gehe ich nicht davon aus, dass ihr Engagement dafür, dass unbehelligt in der BRD (und andeswo) lebende Nazi-Verbrecher zur Rechenschaft gezogen werden, in erste Linie dadurch motiviert war, dass sie damit die DDR unterstützen wollte, sondern vor allem dadurch, dass ihr Ehemann selbst ein Opfer der Nazi-Diktatur ist, dessen Vater in Auschwitz ermordet wurde.
Aber Helmuts Zitat
...sich aber dann in der Partei zu engagieren, die diese Menschenrechtsverletzungen zu verantworten hatte (auch wenn sie sich inzwischen zweimal umbenannt hat und die weiße Weste angezogen hat), verdient eine virtuelle Ohrfeige.
scheint auf was anderes abzuzielen, nämlich Beate Klarsfelds Kandidatur als Bundespräsidentin 2012, und zwar auf Vorschlag der Linken.
An dieser Kandidatur finde ich nichts verwerfliches. Die Linke ist eine demokratisch gewählte Partei, die im Bundestag vertreten ist und in mehreren Bundesländern Regierungsverantwortung übernommen hat und bis heute übernimmt. In Thüringen stellt sie mittlerweile sogar den Ministerpräsidenten. Man muss sie ja nicht mögen, aber man kann der PDS und der Linken doch wohl nicht absprechen, dass sie (ebenso wie andere Parteien) Bestandteil des demokratischen Systems der BRD seit 1990 ist, finde ich. Insofern ist es in meinen Augen völlig legitim, dass die Linke 2012 eine eigene Kandidatin aufgestellt hat, zumal sich Gegenkandidat Joachim Gauck ja schon der Unterstützung durch CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP sicher sein durfte, Beate Klarsfelds Kandidatur also eher symbolischen Charakter hatte, um zu zeigen: In dieser Demokratie sollten auch Bundespräsidenten nicht mit Mehrheiten wie SED-Staatsratsvorsitzende gewählt werden.
Im übrigen, die Linke ist nicht nur Nachfolgepartei der PDS, sondern auch der WASG, also ehemaligen SPD-Mitgliedern, die während der Schröder-Regierung (nach z. T. jahrzehntelanger Mindgliedschaft) aus der SPD ausgetreten sind, weil sie deren Politik (Kosovo- und Afghanistan-Krieg, Hartz4 usw.) nicht mehr mit ihrem sozialdemokratischen Überzeugungen vereinbaren konnten. Die Linke ist also keineswegs nur die "weiß gewaschene" Nachfolgepartei der SED, sondern auch Zeugnis einer gescheiterten sozialdemokratischen Politik, die einen Teil ihrer Anhänger verprellt hat und jetzt eben nur noch bei 25% herumdümpelt...
Beate Klarsfeld, die große Verdienste um die Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit vorzuweisen hat, und Joachim Gauck, der große Verdienste um die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit hat, sind 2012 übrigens sehr fair und respektvoll miteinander umgegangen, auch wenn sie gegeneinander kandidiert haben. Könnte man sich ja mal ein Beispiel dran nehmen, oder?
"Wenn man als junger Mensch aussah wie ein Hippie und sich einigermaßen treu geblieben ist, sieht man als alter Sack halt aus wie ein Penner und nicht wie Joschka Fischer."
Harry Rowohlt (1945-2015)