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Claudia Woloszyn/Heike Mildner

Verfasst: Fr 28. Dez 2018, 07:24
von Jonathan Boskopp
Ich möchte Euch heute zwei Liedermacherinnen aus dem Oderbruch vorstellen:
Claudia Woloszyn aus Frankfurt/Oder und Heike Mildner aus Lietzen.

Rezension des Konzerts vom 27.12.2018 in Frankfurt/Oder

Ich bin noch ganz im Bann des Konzerts von Heike Mildner und Claudia Woloszyn am 27.12.2018 in der Stadtbibliothek Frankfurt/Oder aus Anlass des diesjährigen Aktionstages.

„Endlich bergab“ heißt ihr Programm, und was es damit auf sich hat, erfährt man am besten, indem man sich in eines ihrer leider seltenen Konzerte begibt oder das Glück hat, ihre CD – jede von beiden hat eine herausgebracht – zu ergattern.
Lieder voller Tiefgang in dieser oberflächlichen Zeit, die leicht und verspielt, verträumt und verschmitzt, frech und frei daherkommen und sich festsetzen.
Alltägliches, Vertrautes, oft schon Gesagtes und Gehörtes findet sich in neuem Zusammenhang und überraschendem Gewand, Gedanken, Worte, Bilder, die wie kleine Samenkörner mit Widerhaken durch die Luft fliegen und hängen bleiben, ohne dass man es merkt, um Tage später aus dem Nichts als Widerhall eines Gedankens aufzutauchen, als Lächeln, wenn man sich dabei ertappt, dass man plötzlich eine Verszeile summt oder einen Satz im Kopf hat und sich an ein Lied erinnert, das man hier gehört hat.
Schön ist das, es berührt und gibt Wärme und Halt.

Dabei reichen die Themen weit, erzählen vom Seefahrer, der jetzt als Bauer das Land seiner Eltern bewirtschaftet und jedes Jahr irgendwie weitermacht, vom Fluss, von der Landschaft im Oderbruch, von Kindern, Schnecken, Wölfen, vom Aufbrechen, Ankommen, sich Finden – Lieder vom Leben eben.

Beeindruckend dabei, wie die beiden so verschiedenen Künstlerinnen sich ergänzen und vorantreiben.
Beide beherrschen souverän mehrere Instrumente und setzen sie geschickt und ausgewogen ein. Einfühlsam unterstreicht Heike Mildner mit präzisem, temperamentvollem und gleich darauf wieder zartem Geigenspiel ein besinnliches Lied von Claudia Woloczyn, die sich exzellent auf der Gitarre begleitet. Und diese revanchiert sich im nächsten Lied mit einer zarten Untermalung auf der Flöte zu einem Lied von Heike Mildner, die immer wieder mit komödiantischem Talent und Augenzwinkern Ärgerliches und Verdrießliches aus dem Alltag aufs Korn nimmt und dabei ebenfalls ihr Gitarrenspiel sehr variabel und nuanciert einsetzt.
Beide Frauen wären mühelos in der Lage, ganz allein das Publikum mitzureißen und atemlos lauschen zu lassen, zusammen entfalten sie eine beeindruckende Präsenz.
Ihre Lieder ergänzen sich auf wunderbare Weise, erdig, prägnant, klar in der Aussage und den lebendigen Bildern die eine, verträumt, zart, verwundbar und doch widerstandsfähig die andere.
Während Heike Mildner manchmal ihr Temperament kaum zu zügeln vermag und mit verschmitzten Seitenhieben die Lacher auf ihrer Seite hat, berührt Claudia Woloszyn mit überraschenden, scheinbar verqueren Gedanken und Eindrücken, etwa wenn sie in einem Lied ausspinnt, wie es sich anfühlen würde, als Schnecke zu leben, oder wenn sie in „Such mich“ auf berührende Weise immer neue Vergleiche findet, wie völlig Gegensätzliches in einem scheinbar gleichen Vorgang versteckt sein kann.
Das ist manchmal verstörend und berührend zugleich und einfach große Kunst.
Unterstützt wird dieser Eindruck noch durch den Kontrast ihrer klaren, herben Stimme mit den zarten Melodien ihrer Lieder, die eingängig und doch durch die oft ungewöhnliche Harmonieführung keine „Ohrwürmer“ sind und im Ohr bleiben, obwohl man sie nicht so einfach nachsingen könnte.
Das gleiche passiert mit dem herrlichen Satzgesang der beiden Frauen. Immer wieder fallen sie in einen zweistimmigen Gesang, oft noch unterstützt durch kleine Glanzpunkte der Gitarre, der so leicht und schwebend daher kommt, dass man die genaue Melodieführung der zweiten Stimme gar nicht erkennen kann und einfach nur vom Klang überwältigt wird.
Man kann beiden Künstlerinnen nur wünschen, dass sie noch viele Gelegenheiten finden werden, ihr Publikum über Interseiten und CDs hinaus im Konzert mit ihren Liedern zu begeistern.
Man kann ihrem Publikum nur wünschen, noch oft in diesen Genuss zu kommen, immer zahlreicher zu werden und die Kunde von diesen beiden wunderbaren Frauen weiterzutragen.
Und man kann ihren Liedern nur wünschen, weiter und weiter zu fliegen und viele Ohren und Herzen zu erreichen!