Liederfest 2018
Verfasst: Mo 24. Sep 2018, 15:51
Und abermals versah die Liederbestenliste einige Interpreten mit einem Preisgeld. Da erfahrungsgemäß die meisten Geldbestände bei Künstlern nicht lange vorhalten, wurde dieses gewissermaßen als Quittung auch an die Abnahme eines von Jürgen B. Wolff (u. a. Duo Sonnenschirm) gestalteten Portraits gekoppelt. "Liederfest" heißt die dazugehörige Veranstaltung, bei der die Übergabe am 22. September zelebriert wurde.
Die Regeln, nach denen die Preise vergeben werden, sind eigentlich relativ einfach: den Liederpreis des Jahres erhält der Interpret, dessen Lied sich am nachhaltigsten in der Liederbestenliste festgesetzt hat, meint: je höher die Position, desto mehr Punkte erhält das Lied, das kann sich über die Monate ganz schön läppern. Und dann gibt's noch einen Förderpreis für den Nachwuchs, der vielleicht nicht ganz so hohe Ränge erreichte oder sogar gar nicht vertreten war, aber immerhin ein vielversprechendes Werk vorlegte, das dringend der Förderung bedarf. Für das Jahr 2018 kassierte das Duo (Gerd) Köster & (Frank) Hocker den Liederpreis für "Wa'sch nit kenne", das immerhin das komplette zweite Halbjahr 2017 in den oberen Rängen zu finden war. Da sich die Jury auf den Förderpreisträger nicht einigen konnte - von der Bühne hieß es, man habe einen "guten Jahrgang hinter sich" -, wurde dieser geteilt zwischen der Liedermacherin U. T. A. (gesprochen schlicht "Uta") und - echt keine Ahnung, was ein Nachwuchs-Preis bei ihm zu suchen hat, aber er sei ihm trotzdem von Herzen gegönnt - Bastian Bandt .
Die Moderation übernahm in diesem Jahr nicht Petra Schwarz, die zwar im Publikum anwesend war, aber durch Gehhilfen einen Hinweis darauf gab, daß gute Gründe vorlagen, die Moderation ruhen zu lassen. Diese Lücke füllte "Special Guest", eher "Special Guest-Giver" (ein sehr spezieller Gastgeber) Lars Reichow, der sich nach einer süffisanten Anmerkung, daß er selbst den Preis bislang noch nicht erhalten habe, bei seinen Überleitungen in eigener Sache ans Klavier setzte und ebenfalls Lieder anstimmte.
Das unterhaus war gut zur Hälfte gefüllt. Wer sich davon akustisch überzeugen möchte, hat die Chance an Allerheiligen - 1. November, 20:05 Uhr im WDR5. Dort dürfte nicht der gesamte Arbeit wiedergegeben werden - dazu hatte das Programm zu deutlich Überlänge -, aber ich hoffe auf einen repräsentativen Querschnitt.
Den Eisbrecher gab Lars Reichow persönlich mit einigen erklärenden Worten sowie zwei einleitenden Liedern, die den Boden bereiteten für U. T. A.. Die mit einer bemerkenswerten Soulstimme ausgestattete Künstlerin aus Neuss hat mit "Vitamin D" ihr zweites Album, gleichwohl ihr erstes deutschsprachiges, vorgelegt. Dieses Album wird ausdrücklich als "Album mit Kinderliedern" angekündigt. Es handele sich um Lieder, die vor allem von ihren Erfahrungen als Mutter (die Jungs sind acht bzw. zehn Jahre alt) geprägt seien. Als Inspirationen dienen ihr Wortverwirrungen, falsche Schlußfolgerungen, Kinderlogik. Hierzu schlug sie eifrig die Gitarre (die dies kurz vor Beendigung des Vortrags mit einer beleidigten und daher gerissenen E-Saite quittierte, woraufhin Bastian Bandt in sozialistischer Ost-Manier seine eigene Gitarre für die letzten beiden Lieder zur Verfügung stellte) und bediente fleißig eine Loop-Station. Der Auftritt wurde vom Publikum zwar wohlwollend quittiert, war aber neben dem Saitensprung gekennzeichnet von technischen Problemen, teils von der Loopstation, teils von der Technik des unterhauses verursacht. So brauchte U. T. A. für das letzte und bemerkenswerteste Lied, ein Schlaflied, ganze drei Anläufe, und selbst der letzte wird voraussichtlich nicht im Radio zu hören sein, da hier die Technik immer noch nicht wirklich mitspielte. Zwar wurde von Lars Reichow direkt im Anschluß in Aussicht gestellt, daß U. T. A. als Zugabe vielleicht noch einen Versuch wagen würde, dazu kam es jedoch nicht mehr, was jedoch auf mangelnden Willen der Künstlerin zurückzuführen war, denn diese hatte sich in der zweiten Hälfte ins Publikum gemischt und kehrte erst zur gemeinsamen Feierabendrudelverneigung auf die Bühne zurück.
Lars Reichow übernahm mit zwei Liedern, während die Bühne für Bastian Bandt umgestrickt wurde. Bemerkenswert spontan und witzig fand er die passenden Worte für den Technik-Overkill, der den Beitrag von U. T. A. überschattete, und die Hilfsbereitschaft von Bastian Bandt, die immerhin dafür gesorgt hatte, daß das Publikum die Gitarre des Künstlers früher kennengelernt hatte als ihn selbst. Bastian Bandt, der immerhin mit seinem "Und der Himmel" von Februar bis August 2018 in der Liederbestenliste vertreten war, stellte sein aktuelles Album "Alle Monde" in den Mittelpunkt seiner Darbietung, und erntete dafür sogar am Ende seiner Lieder einige verdiente "Zugabe"-Rufe, die jedoch der Preisverleihung an ihn und U. T. A. sowie der vorgeschrittenen Uhrzeit wegen ein anderes Mal stattfinden wird. Wollen wir's hoffen, immerhin hat er das Publikum mit "Und der Himmel" und "Erst wenn du nicht mehr weißt" bemerkenswert still gekriegt.
Die zweite Hälfte wurde abermals von Lars Reichow mit zwei Liedern eingeleitet, wobei dieses Mal ein ordentlicher Schlag Spott und Galle mitschwang, als er Vorurteile über Rentner durch den Kakao zog bzw. der AfD seine ungebremste Verachtung aussprach bzw. - sang. Ob geplant oder nicht, holte er sich mit dem letzten Lied den lautesten Applaus des Abends.
Im Anschluß gaben sich Köster & Hocker die Ehre, stilecht als Duo mit Helmut Krumminga an der zweiten Gitarre (und ich Depp hab' noch im Vorfeld überlegt "woher kennste das Gesicht ...?"; mit Gitarre hab' ich es dann erst erkannt). Gerd Köster, unruhig auf seinem Barhocker herumwippend und gelegentlich rauchend, sagte im für ihn typsichen Schnodder-Kölsch die Lieder an, teils mit hochdeutscher Übersetzung, ehe ihn Frank Hocker daruf hinwies, daß er sich die Mühe sparen könne, da im Radio hochdeutsche Untertitel mitübertragen würden. Gerd Köster amüsierte sich, daß ein Duo, das in einem Dialekt singt, den 99 % der Bevölkerung mit Karneval in Verbindung bringen, ausgerechnet in Mainz einen Preis entgegennehmen darf. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern, die bereits den Preis der Liederbestenliste entgegennehmen durften, verfügen Köster & Hocker über ein umfangreiches und sehr breitgefächertes Repertoire, immerhin kennen sich die beiden seit Zeiten der Band Zarah Zylinder (also etwa seit Mitte der 70er Jahre, nicht erst seit der Gründung von The Piano Has Been Drinking, wie von Lars Reichow verkündet). Konsumentenfreundlich gestimmt packten die drei gut gelaunt daraufhin auch einige ältere Stücke aus, ohne die sie ohnehin die Bühne nicht mehr hätten verlassen dürfen, anlaßgerecht eingebettet zwischen kritischen Liedern zum Zeitgeist, demaskierenden Liedern über Frauenhelden, tragischen Liebesliedern, beißendem Spott und betont scheinbar harmlosen Schmunzlern.
Wer also selbst ein Ohr riskieren möchte, der kann das beim Mainzer Haus-und-Hof-Sender WDR5 an Allerheiligen überprüfen. Die Kölsch-Nichttrinker und -sprecher auf die Untertitel achten. Vielleicht kommen am Ende doch noch mehr als 80 Ohrenzeugen zusammen, die etwas von diesem Abend erzählen können ...
Gruß
Skywise
Die Regeln, nach denen die Preise vergeben werden, sind eigentlich relativ einfach: den Liederpreis des Jahres erhält der Interpret, dessen Lied sich am nachhaltigsten in der Liederbestenliste festgesetzt hat, meint: je höher die Position, desto mehr Punkte erhält das Lied, das kann sich über die Monate ganz schön läppern. Und dann gibt's noch einen Förderpreis für den Nachwuchs, der vielleicht nicht ganz so hohe Ränge erreichte oder sogar gar nicht vertreten war, aber immerhin ein vielversprechendes Werk vorlegte, das dringend der Förderung bedarf. Für das Jahr 2018 kassierte das Duo (Gerd) Köster & (Frank) Hocker den Liederpreis für "Wa'sch nit kenne", das immerhin das komplette zweite Halbjahr 2017 in den oberen Rängen zu finden war. Da sich die Jury auf den Förderpreisträger nicht einigen konnte - von der Bühne hieß es, man habe einen "guten Jahrgang hinter sich" -, wurde dieser geteilt zwischen der Liedermacherin U. T. A. (gesprochen schlicht "Uta") und - echt keine Ahnung, was ein Nachwuchs-Preis bei ihm zu suchen hat, aber er sei ihm trotzdem von Herzen gegönnt - Bastian Bandt .
Die Moderation übernahm in diesem Jahr nicht Petra Schwarz, die zwar im Publikum anwesend war, aber durch Gehhilfen einen Hinweis darauf gab, daß gute Gründe vorlagen, die Moderation ruhen zu lassen. Diese Lücke füllte "Special Guest", eher "Special Guest-Giver" (ein sehr spezieller Gastgeber) Lars Reichow, der sich nach einer süffisanten Anmerkung, daß er selbst den Preis bislang noch nicht erhalten habe, bei seinen Überleitungen in eigener Sache ans Klavier setzte und ebenfalls Lieder anstimmte.
Das unterhaus war gut zur Hälfte gefüllt. Wer sich davon akustisch überzeugen möchte, hat die Chance an Allerheiligen - 1. November, 20:05 Uhr im WDR5. Dort dürfte nicht der gesamte Arbeit wiedergegeben werden - dazu hatte das Programm zu deutlich Überlänge -, aber ich hoffe auf einen repräsentativen Querschnitt.
Den Eisbrecher gab Lars Reichow persönlich mit einigen erklärenden Worten sowie zwei einleitenden Liedern, die den Boden bereiteten für U. T. A.. Die mit einer bemerkenswerten Soulstimme ausgestattete Künstlerin aus Neuss hat mit "Vitamin D" ihr zweites Album, gleichwohl ihr erstes deutschsprachiges, vorgelegt. Dieses Album wird ausdrücklich als "Album mit Kinderliedern" angekündigt. Es handele sich um Lieder, die vor allem von ihren Erfahrungen als Mutter (die Jungs sind acht bzw. zehn Jahre alt) geprägt seien. Als Inspirationen dienen ihr Wortverwirrungen, falsche Schlußfolgerungen, Kinderlogik. Hierzu schlug sie eifrig die Gitarre (die dies kurz vor Beendigung des Vortrags mit einer beleidigten und daher gerissenen E-Saite quittierte, woraufhin Bastian Bandt in sozialistischer Ost-Manier seine eigene Gitarre für die letzten beiden Lieder zur Verfügung stellte) und bediente fleißig eine Loop-Station. Der Auftritt wurde vom Publikum zwar wohlwollend quittiert, war aber neben dem Saitensprung gekennzeichnet von technischen Problemen, teils von der Loopstation, teils von der Technik des unterhauses verursacht. So brauchte U. T. A. für das letzte und bemerkenswerteste Lied, ein Schlaflied, ganze drei Anläufe, und selbst der letzte wird voraussichtlich nicht im Radio zu hören sein, da hier die Technik immer noch nicht wirklich mitspielte. Zwar wurde von Lars Reichow direkt im Anschluß in Aussicht gestellt, daß U. T. A. als Zugabe vielleicht noch einen Versuch wagen würde, dazu kam es jedoch nicht mehr, was jedoch auf mangelnden Willen der Künstlerin zurückzuführen war, denn diese hatte sich in der zweiten Hälfte ins Publikum gemischt und kehrte erst zur gemeinsamen Feierabendrudelverneigung auf die Bühne zurück.
Lars Reichow übernahm mit zwei Liedern, während die Bühne für Bastian Bandt umgestrickt wurde. Bemerkenswert spontan und witzig fand er die passenden Worte für den Technik-Overkill, der den Beitrag von U. T. A. überschattete, und die Hilfsbereitschaft von Bastian Bandt, die immerhin dafür gesorgt hatte, daß das Publikum die Gitarre des Künstlers früher kennengelernt hatte als ihn selbst. Bastian Bandt, der immerhin mit seinem "Und der Himmel" von Februar bis August 2018 in der Liederbestenliste vertreten war, stellte sein aktuelles Album "Alle Monde" in den Mittelpunkt seiner Darbietung, und erntete dafür sogar am Ende seiner Lieder einige verdiente "Zugabe"-Rufe, die jedoch der Preisverleihung an ihn und U. T. A. sowie der vorgeschrittenen Uhrzeit wegen ein anderes Mal stattfinden wird. Wollen wir's hoffen, immerhin hat er das Publikum mit "Und der Himmel" und "Erst wenn du nicht mehr weißt" bemerkenswert still gekriegt.
Die zweite Hälfte wurde abermals von Lars Reichow mit zwei Liedern eingeleitet, wobei dieses Mal ein ordentlicher Schlag Spott und Galle mitschwang, als er Vorurteile über Rentner durch den Kakao zog bzw. der AfD seine ungebremste Verachtung aussprach bzw. - sang. Ob geplant oder nicht, holte er sich mit dem letzten Lied den lautesten Applaus des Abends.
Im Anschluß gaben sich Köster & Hocker die Ehre, stilecht als Duo mit Helmut Krumminga an der zweiten Gitarre (und ich Depp hab' noch im Vorfeld überlegt "woher kennste das Gesicht ...?"; mit Gitarre hab' ich es dann erst erkannt). Gerd Köster, unruhig auf seinem Barhocker herumwippend und gelegentlich rauchend, sagte im für ihn typsichen Schnodder-Kölsch die Lieder an, teils mit hochdeutscher Übersetzung, ehe ihn Frank Hocker daruf hinwies, daß er sich die Mühe sparen könne, da im Radio hochdeutsche Untertitel mitübertragen würden. Gerd Köster amüsierte sich, daß ein Duo, das in einem Dialekt singt, den 99 % der Bevölkerung mit Karneval in Verbindung bringen, ausgerechnet in Mainz einen Preis entgegennehmen darf. Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern, die bereits den Preis der Liederbestenliste entgegennehmen durften, verfügen Köster & Hocker über ein umfangreiches und sehr breitgefächertes Repertoire, immerhin kennen sich die beiden seit Zeiten der Band Zarah Zylinder (also etwa seit Mitte der 70er Jahre, nicht erst seit der Gründung von The Piano Has Been Drinking, wie von Lars Reichow verkündet). Konsumentenfreundlich gestimmt packten die drei gut gelaunt daraufhin auch einige ältere Stücke aus, ohne die sie ohnehin die Bühne nicht mehr hätten verlassen dürfen, anlaßgerecht eingebettet zwischen kritischen Liedern zum Zeitgeist, demaskierenden Liedern über Frauenhelden, tragischen Liebesliedern, beißendem Spott und betont scheinbar harmlosen Schmunzlern.
Wer also selbst ein Ohr riskieren möchte, der kann das beim Mainzer Haus-und-Hof-Sender WDR5 an Allerheiligen überprüfen. Die Kölsch-Nichttrinker und -sprecher auf die Untertitel achten. Vielleicht kommen am Ende doch noch mehr als 80 Ohrenzeugen zusammen, die etwas von diesem Abend erzählen können ...
Gruß
Skywise