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Carsten Langner unplugged

Verfasst: Sa 10. Dez 2011, 07:14
von Petra
Terminkalender Carsten Langner (im Forum aktiv als ‚clabauter’):
2. Dezember 2011, 19.00 Uhr, Landhaus Schieder, 32816 Schieder-Schwalenberg
Ein musikalisch-kulinarischer Liederabend
Gleich bei meiner Ankunft wurde ich von Carsten und seinem Vater sehr nett begrüßt und durfte dabei sein, als Carsten sich einsang. Auf Bühnentechnik wurde in diesem kleinen Rahmen verzichtet. Eine halbe Stunde vor dem geplanten Konzertbeginn zog sich der Künstler zurück, die leider nur knapp 20 Besucher trafen ein, ich bekam einen Einzeltisch zugewiesen und dann wurden ein Kir Royal und kleine Spezialitäten in Pralinenform gereicht. Die Gäste konnten jetzt noch Getränke ordern, aber während des Auftrittes sollte nicht bedient werden. Als alle versorgt waren, konnte es mit zwanzigminütiger Verspätung losgehen. Herr Langner senior holte seinen Sohn, der mit Beifall begrüßt wurde, und setzte sich zu mir an den kleinen Tisch.
Vor dem Ü-50-Publikum wirkte Carsten Langner mit seinen 23 Jahren sehr jung, doch seine Jugend vergisst man, sobald er anfängt zu spielen. Sein eigenes Repertoire reicht inzwischen, um eine CD zu füllen, aber nicht für ein ganzes Konzert, den überwiegenden Teil bestritt er mit Mey-Liedern. Seinem Gitarrenspiel hört man an, dass er täglich stundenlang übt oder anders gesagt: man hört es ihm nicht an. Es klingt gefühlvoll, virtuos, reif und leicht, wie selbstverständlich. Ebenso der Gesang: Die Stimme ist kräftig und ausdrucksstark und er artikuliert sorgfältig. Die Interpretationen sind liebevoll, sodass man Lust hat, ewig zuzuhören.
Anfangs gab es eine Mischung aus Mey- und eigenen Stücken. Dem ersten Lied Ich wollte wie Orpheus singen/Mey folgte die erste Eigenkomposition, mit der sich Carsten je an die Öffentlichkeit gewagt hat. Durch Dich lässt erkennen, dass sich der Komponist sehr viel mit Reinhard Meys Werk beschäftigt. Danach traute sich Carsten an Das Narrenschiff/Mey, das mit einer gepfiffenen Passage anfängt. Das gesamte Narrenschiff ist wirklich nicht einfach, finde ich, aber der Vortrag ist sehr gut gelungen. Das nächste selbst geschriebene Stück Wie ein Schmetterling im Wind hatte ich noch nie gehört, aber mein Sitznachbar versicherte mir, dass es mir gefallen würde – und er sollte Recht behalten. Es ist wunderbar poetisch und nichts daran erinnerte mich an Reinhard Mey, außer der sorgfältigen Ausarbeitung.
Der anschließende Mey-Block war eigentlich in dieser Länge nicht geplant. Carsten interpretierte Pöter, das er nicht nur sang, sondern zur allgemeinen Erheiterung auch darstellte, so weit das möglich ist, während man beide Hände zum Gitarre spielen braucht. Diesen Text unfallfrei hinter sich zu bringen, halte ich für eine beachtliche Leistung. Mairegen, das Lied über Wünsche und Sehnsüchte von Kindern und Erwachsenen, klang genau so schön, wie man es vom Original kennt Aber zu keinem Zeitpunkt hatte man das Gefühl, dass da jemand versucht, Reinhard Mey zu imitieren, das war zu 100% Carsten Langner. Nun sollte eigentlich die Eigenkomposition Regenwind folgen, aber in die Ansage hinein ertönte ein Handy :-?… das Handy lag bei uns(!) auf dem Tisch: Schwester Langner hatte Papa Langner eine SMS geschrieben und dabei Bruder Langner beim Konzert gestört. :-D Danach war ihm nicht mehr nach Regenwind zumute und er verlängerte den Mey-Block spontan um Bunter Hund, Bei Hempels unterm Bett und Ich liebe das Ende der Saison.
Das Konzert war nicht nur ein Hörgenuss, wir fühlten uns auch gut unterhalten. Das Publikum hörte aufmerksam zu und honorierte jedes Lied mit so viel Applaus, wie 17 oder 18 Leute halt produzieren können. Und endlich kam dann doch noch Regenwind dran, ein Lied, das mich gleich beim ersten Hören überwältigt hatte. Es wird wohl von vielen als zu düster empfunden, obwohl doch die wunderschöne Melodie von Anfang an erahnen lässt, dass alles gut wird. Wie die Musik und der Text mit seinen berührenden Bildern aufeinander passen, erzeugt ein Gefühl von Harmonie, und zumindest die letzte Strophe klingt so hoffnungsvoll und zuversichtlich, dass alle dunklen Gedanken weggeweht werden. Wie im Flug war die geplante Dreiviertelstunde vergangen, und Carsten fragte, ob er noch Zeit für zwei Lieder bekäme. Sie wurde gewährt und er gönnte uns Sei wachsam und Wahlsonntag von Reinhard Mey. Gerade das letzte Stück hat mir ganz besonders gut mit Carstens Stimme gefallen. Auf dem Weg in die Pause sah ich nur zufriedene Gesichter.
Wir wurden ins Restaurant gebeten, wo – alles im Eintrittspreis enthalten – ein Fingerfoodbuffet angeboten wurde. Es war reichlich Zeit zum Genießen der verschiedenen Spezialitäten und wir unterhielten uns bestens. Ich saß mit Vater Langner und einem Paar zusammen, für das Carsten schon einmal gespielt hatte und das gerne wiedergekommen ist. Schieder-Schwalenberg liegt nur etwa 40 km von Rinteln entfernt, möglicherweise bekommen wir beim LT12 Besuch… dass Carsten endlich mal teilnimmt, darauf hoffe ich ja schon lange.
Nach der Pause wurde das Programm mit Das weiche Wasser von Dieter Dehm und dem einzigen Wader-Lied des Abends Kleine Stadt fortgesetzt. Dann endlich wieder ein selbst geschriebenes Stück: Und wenn der Winter nie mehr wiche, auch das klingt meisterlich, es ist melodisch und sprachlich wunderschön. (Kommentar bei youtube: "Ich hab’ meine Rostlaube tiefergelegt im beschwingten 3/4-Takt (oder sind es 6/8?) folgte noch das Langner-Lied Septemberwind. Auch das nächste Stück wurde mit viel Engagement vorgetragen: Der Marder/Mey, dessen Text (vorwitziger Schneidezahn, spitzes Riechorgan, reinharder) zwar eigentlich personenbezogen ist, aber wir hatten unseren Spaß daran und für den Rapteil in der Mitte gab es sogar Zwischenapplaus. Gegen Schluss des Konzertes war er sehr mutig und sang Wie vor Jahr und Tag wie der Meyster in Holländisch, Französisch und Deutsch. Etwaige Franzosen oder Holländer im Publikum bat er um Nachsicht, aber für mein deutsches Ohr hörte sich das alles sehr gut an.
Der Abend neigte sich dem Ende entgegen, aber die Aufmerksamkeit der Konzertbesucher war ungebrochen. Carsten wollte nun eine längere Geschichte erzählen, die etwas Sitzfleisch erfordert – Die Eisenbahnballade. Man kann wirklich nicht behaupten, dass er es sich mit der Liedauswahl leicht gemacht hätte an diesem Abend. Reinhard Mey traut sich, Die Eisenbahnballade vor tausenden von Leuten zu singen, was manchmal erstaunlich gut, manchmal weniger gut funktioniert, weil in zehn Minuten einfach viel passieren kann. Da reicht ein einziger Mensch mit einem Hustenzreiz, um alles zu verderben. Bei uns machte aber niemand einen Mucks und wir ließen uns in die Geschichte entführen. Zum Abschluss des Konzertes wurde es noch einmal lustig mit Danke, liebe gute Fee/Mey.
An dieser Stelle hätte das Publikum eigentlich ausrasten müssen, mit den Füßen trampeln, auf den Fingern pfeifen und nach Zugaben schreien. Aber es waren ja, einschließlich mir, nur ältere Herrschaften anwesend. Es gab zwar begeisterten Applaus, aber ansonsten benahmen sich alle sehr gesittet und Carsten verließ den Raum. Nach ein paar Augenblicken kam er zurück, steuerte genau auf mich zu, beugte sich zu mir herunter und fragte: "Zugabe?" Ich war zwar überrascht, brachte aber ein überzeugtes "Ja!" heraus. Er nahm die Gitarre auf und sagte ganz cool: "Ich bin gerade um eine Zugabe gebeten worden." :-D
Was er uns bisher an eigenen Liedern geboten hatte, war beeindruckend – Liebeslieder und besinnliche Naturbetrachtungen, aber es fehlt (noch) an Themenvielfalt. In der Zugabe bewies er, dass er auch lustig kann. Im Laufe seiner bisherigen Konzerte hatte er viel Lob, aber auch immer wieder gut gemeinte Ratschläge und Kritiken bekommen: "Das Konzert war gut, ABER ..." Lauter tatsächlich vorgekommene Fragen und Vorschläge hat er gekonnt in Reimform gebracht und zu einem Lied verarbeitet: Aber .... Ich möchte nicht zu viel verraten, deshalb nur ein Beispiel:
Für die Mey-Lieder kriegst Du einen Pluspunkt von mir,
aber sag mal, warum ist er denn nicht selber hier?
Normalerweise spielt Carsten nur, was auf der Setliste steht und was er ausgiebig geübt hat, um die nötige Sicherheit zu bekommen. Aber heute ließ er sich dazu überreden, davon abzuweichen. Der Herr, der ihn schon einmal gehört hatte, vermisste Serafina/Mey im Programm. Er versprach, bei evtl. Textunsicherheiten zu soufflieren, ein anderer Herr kannte das Stück überhaupt nicht und wollte es unbedingt kennenlernen. So ließ er sich darauf ein. Er sang uns von Serafina und konnte einen ersten Texthänger elegant überspringen, er spielte uns die lechzenden Gäste vor und die Italienisch-Brocken klangen sehr italienisch. Zu gerne hätte ich auch noch erlebt, wie sich sein Russisch anhört, aber so weit kam es nicht mehr - die letzte Strophe wollte ihm nicht einfallen. Der Souffleur versagte und auch ich konnte nicht weiterhelfen, aber niemand nahm das abgebrochene Lied übel.
Mit Die Zeit des Gauklers ist vorbei bekam das Konzert noch einen glanzvollen Schlusspunkt. In meinen Augen eines der schönsten Lieder von Reinhard Mey wurde von Carsten Langner mit viel Gefühl interpretiert. Er hat uns einen wunderbaren Abend geschenkt und bekam sehr viel Sympathie und Respekt vor seiner Leistung zurück. Der Künstler wurde mit herzlichem Applaus in den wohlverdienten Feierabend entlassen.
Die verpatzte Serafina rumorte in Carsten, aber als ihm die fehlende Zeile schließlich noch einfiel, war die Gitarre längst weggeräumt. Schade eigentlich. Wir saßen noch zusammen, das Publikum verabschiedete sich nach und nach. Eine Dame kam zu uns an den Tisch und sagte: "Das Konzert war sehr gut, ABER ...... zu kurz." :-D Sie hatte Recht, für die Zuhörer ist ein gutes Konzert immer zu kurz, so auch dieses.
Am nächsten Morgen um neun waren wir zum Frühstück verabredet, ich habe mich leider etwas verspätet. Im Gegensatz zu den beiden Herren Langner hatte ich sehr gut geschlafen; wenn ich mich hinlegen und die Augen zumachen kann, hält mich nichts mehr wach. Das Wetter war nicht sehr einladend, aber irgendwann mussten wir das leckere Frühstück beenden und 'jeder kehrte zurück in sein Leben'. Nach einer langen Fahrt über hunderte von Kilometern im Regen kam ich rechtzeitig nach Hause zu meiner eigenen Geburtstagsfeier und am Sonntag hatte mich der Alltag wieder.
Viele Grüße von Petra

Carsten Langner unplugged

Verfasst: Sa 10. Dez 2011, 08:54
von Clemens
Liebe Petra,
hab Dank für diesen (typisch uns Petra :-)) gleichermaßen langen wie kurzweiligen Bericht. Ich habe es bislang noch nie geschafft vor dem letzten Wort zu "zappen".
:Niko-Kuss: :anbet: :klatsch: :hutzieh:
Clemens

Carsten Langner unplugged

Verfasst: Sa 10. Dez 2011, 13:17
von Petra
Lieber Clemens,
Ziel war es, auf Carsten neugierig zu machen. Versprich mir, dass Du die Gelegenheit nutzt, wenn sie sich jemals ergeben sollte, eines seiner Konzerte zu besuchen. Er könnte, zusammen mit vielen anderen begabten Nachwuchs-Liedermachern, den Beweis antreten, dass diese Zunft noch nicht tot ist, aber dazu müssen sie gehört werden. :gitarre:
Viele Grüße von Petra
P. S. Danke für's Durchhalten. :blümchen: Wer gelesen werden will, muss kurz und päzise sein, habe ich mir von jemandem erklären lassen, der es wissen muss.

Carsten Langner unplugged

Verfasst: Sa 10. Dez 2011, 14:45
von clabauter
Danke, liebe Petra, für Deinen liebevollen und authentischen Konzertbericht :-). Ich habe mich sehr gefreut, Dich bei dieser Gelegenheit endlich persönlich kennen zu lernen.
Herzlichst,
Carsten