Liebe Freunde des geschriebenen Wortes, hier meine Eindrücke vom gestrigen Abend:
Tja, das hatte ich mir aber gaaaaanz anders vorgestellt!!!!
Aber stop! Gewöhnlich beginnt man vorne, und daran will auch ich mich halten:
Ein Gewitterchen am frühen Freitagabend hatte ein klein wenig Abkühlung gebracht, und danach hatte die Sonne nicht mehr genügend Zeit, voll aufzuheizen. Dadurch war die Nacht von Freitag auf Samstag zwar relativ angenehm, aber am Samstag war wieder alles wie vorher. In Pirmasens herrschte eine Gluthitze, und als ich mich auf den Abend vorbereitete, stellte sich eigentlich weniger die Frage: "Was ziehe ich an?", sondern eher: "Was könnte ich denn noch ausziehen, ohne allzu sehr aufzufallen?" Als ich um 17 Uhr losfuhr, stand das Thermometer noch bei 35°.
Es kamen dann doch mehr als 40 km zusammen, weil ich am südlichen Stadtrand wohne, die Autobahn in Richtung Saarland aber im Norden an Pirmasens vorbeiführt. Die Rollerstraße in Neunkirchen wiederum liegt am westlichen Rand, ich kam jedoch aus östlicher Richtung. Nichtsdestotrotz war der Veranstaltungsort sehr leicht zu finden - A8, B41, erste rechts und dann nur noch geradeaus - kurz vor sechs hatte ich meine Eintrittskarte in der Tasche. Die Rollerstraße mündet direkt in die Straße, die zur B41 führt und an dieser Stelle war auch die Bühne aufgebaut. Zwei in unmittelbarer Nähe liegende Parkhäuser kamen nicht in Frage, weil sie samstags schon um 18.30 h schließen, aber es gab trotzdem keine Probleme mit dem Auto (@Jürgen: Sprichst Du noch mit mir?). Zu der frühen Stunde konnte ich es einfach am Straßenrand abstellen - keine 100 m von der Bühne entfernt, sozusagen in Sichtweite.
Die Veranstalter hatten einen LKW voller alter Stühle (280 Stück) organisiert, die man für je 2 Euro erwerben konnte. Nun mussten noch die hinteren Stuhlbeine abgesägt werden, damit man in der abschüssigen Rollerstraße bequem sitzen konnte. Außerdem konnte man für je 1 Euro sogenannte Hangbretter erstehen, die von fleißigen Neunkirchnern gebastelt worden waren. Sie bestanden aus zwei schräg abgesägten Seitenbrettern (etwa 20 cm hoch) und einem waagerechten Brett. Darauf konnte man sein Getränk neben sich abstellen, ohne ständig befürchten zu müssen, dass es umfällt. Derart ausgerüstet, suchte ich mir ein Plätzchen. Es standen zwar schon einige Stuhlreihen, für den Bügermeister hatte man sogar extra ein Plüschsofa herbeigeschafft, aber ganz vorne an dem Kreidestrich, der den nötigen Abstand zur Bühne kennzeichnete, war noch Platz. So setzte ich mich zwischen zwei mir unbekannte Damen in die erste Reihe. Die Dame zu meiner Linken erzählte mir, sie sei wegen Stephan Sulke gekommen
, die Dame zu meiner Rechten erzählte mir, dass gestern in der Zeitung gestanden haben soll, dass Stephan Sulke abgesagt hat.
Noch vor acht Uhr kam die Feuerwehr, um den heißen Asphalt zu bespritzen und so für etwas Abkühlung zu sorgen.
Die Veranstaltung begann recht pünktlich mit einem Sketch über das 24-Stunden-Power- und Extreme-Shopping im Saarpark-Center - etwas für die Einheimischen. Die Funkmikrofone hatten ab und zu Aussetzer, aber das war mir egal, das Ganze wirkte sowieso ziemlich platt. Ich dachte an Stephan Sulke, an Euch und an den mageren Bericht, den ich abliefern würde.
Es folgte die Begrüßung durch Eberhard Schilling, der auch souverän durch das Programm führte. Er ist Moderator beim Saarländischen Runkfunk und ausgesprochen sympathisch. Vor einigen Jahren hat ein Herr Schilling ein äußerst interessantes Interview mit Reinhard Mey geführt, das interessanteste, das ich bis dahin gelesen hatte. Das muss dieser Eberhard Schilling gewesen sein. (Holger hatte das Interview natürlich in seinem Medien-Archiv. Wer es nicht gelesen hat, kann sich gerne bei mir melden, dann schicke ich es per e-mail. Aber Vorsicht!: Es ist doppelt so lang wie dieser Bericht!)
Als nächstes spielte die Big Band der Bergkapelle der DSK Saar, und ich hatte Gelegenheit, darüber nachzudenken, ob es wirklich klug ist, sich bei einer Veranstaltung mit einer Big Band in die erste Reihe zu setzen. Rein äußerlich sahen die Lautsprecherboxen eigentlich recht harmlos aus.
Danach trat ein Kabarettist namens Christoph Scheib (oder Scheid?) auf. Heinz Becker (Gerd Dudenhöfer) ist ja inzwischen bundesweit bekannt, aber Christoph Scheib hat mir auch ganz gut gefallen. In der Pfalz bin ich ja auch nur eine Zugereiste und stolz darauf, den Unterschied zwischen Pfälzisch und Saarländisch herauszuhören. Nun erfuhr ich aber, dass es im 'riesigen' Saarland viele verschiedene Dialekte gibt, die man in Moselfränkisch und Rheinfränkisch unterteilen kann. Und dann gibt es ja auch noch die Sprache, die aus dem Reich ins Saarland kommt: das Hochdeutsch. Das Hochdeutsch kommt aus dem Reich ins Saarland, muss aber vorher noch durch die Pfalz und dabei geht natürlich viel verloren
. Das kann man sicherlich nur lustig finden, wenn man die natürliche Feindschaft zwischen Pfälzern und Saarländern kennt (Pfälzer in die Pfalz - Saarländer in die Saar). Abschließend sang er noch ein bekanntes Lied zur Gitarre und trug dann vor, wie es wohl bei Peter Maffay, Satchmo, den Bee Gees, Julio Iglesias und noch einigen anderen klingen würde. Und wenn Ihr mich jetzt steinigt, mir fällt trotzdem nicht mehr ein, welches Lied es war.
Nun war die Big Band wieder an der Reihe. Sie konnte auch leiser, aber meistens wollte sie nicht. Sie spielte jedoch flott und gekonnt, auch die Sängerin klang recht perfekt. Zwischen halb neun und neun Uhr wurde es etwas kühler, und ab neun Uhr war die Temperatur super angenehm.
Es folgte wieder eine längere Einlage, bei der die derzeitige Casting-Manie in Deutschland auf die Schippe genommen wurde. Dabei wurden Leute aus dem Publikum geholt, aber ganz offensichtlich nicht nach dem Zufallsprinzip, sondern nach Absprache. Die beiden Casting-Moderatoren gaben sich im Stil von Erkan und Stefan (voll krass und konkret). Auch wenn abgesprochen war, wer aus dem Publikum geholt wurde, waren es doch Menschen wie Du und ich, also 'Menschen von der Straße'. Selbst, wenn man anerkennen muss, dass sich da Leute fast ein Bein rausreißen, um andere zu unterhalten, wirkte es doch furchtbar stümperhaft, und so was kann ich einfach nicht ab. - Wehmütig dachte ich daran, dass ich eigentlich Stephan Sulke hören wollte!
Und genau jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem er hätte auftreten sollen. Leider ist seine Frau vor fünf Tagen ins Krankenhaus gekommen und musste notoperiert werden, und da wollte er sie nicht alleine lassen. Eberhard Schilling berichtete, dass man wie wild herumtelefoniert hatte, um Ersatz zu finden; er hat auch zwei Beispiele genannt: Pe Werner, die vor zwölf Jahren beim ersten Rollerstraßenfest schon dabei gewesen war, wäre gerne gekommen, aber sie ist gerade mitten in Studioaufnahmen. Die Studiomiete ist teuer, deshalb war es ihr nicht möglich, dort einen Tag fernzubleiben. Auch Stefan Waggershausen hat abgesagt mit der Begründung, er hätte seit 15 Jahren keine Gitarre mehr in der Hand gehabt. (Hat das jemand von Euch gewusst?) Letzten Endes musste man auf die lokale Prominenz zurückgreifen. Man hatte 'Ambi' angerufen, und der hatte nicht rumgezickt, sondern zugesagt und hatte sogar noch Verstärkung mitgebracht. Die Dame zu meiner Rechten erklärte mir, dass Ambi eine Kneipe in Neunkirchen hat, aber offensichtlich stand er nicht zum ersten Mal auf einer Bühne. Er hatte Sandy Davis mitgebracht, von dem ich auch noch nie etwas gehört hatte. Das waren zwei große, schlanke Männer, beide keine 25 mehr, beide schon ergraut, aber beide mit einer unheimlich fröhlichen und sympathischen Ausstrahlung. Sie sangen Lieder aus den 70er- und 80er-Jahren zur Gitarre und eigene Lieder. Die beiden Energiebündel waren mit einem Riesenspaß bei der Sache, und der Moderator musste sie dezent darauf hinweisen, dass noch ein paar Programmpunkte folgen sollten. Sie sangen noch 'Mrs. Robinson', mussten dann aber unter Zugabe-Rufen die Bühne räumen.
Nun machte die Veranstaltung mit dem Namen 'Querbeet' diesem Namen alle Ehre, denn es folgte eine Bauchtänzerin, ein kleines, schlankes Persönchen mit langen Haaren. Sie war so schlank wie ich es gerne wäre, dabei dachte ich, eine Bauchtänzerin müsse eher so aussehen wie ich.
Sie erzählte, der Bauchtanz sei früher zur Götterverehrung getanzt worden. Ich dachte immer, er hätte ein ganz anderes Ziel, aber die Herren behielten die Fassung und fielen nicht über sie her. Während sie sich umzog, erfreute uns die Big Band mit ihren Klängen. Danach tanzte Fatima einen Schleiertanz und noch einmal einen Bauchtanz. Ihr Auftritt war ziemlich lang und auch, wenn es hohe Kunst war, zu lang für meine Begriffe. Auch die Umgebung war irgendwie unpassend - Bauchtanz gehört nicht auf eine abendländische Straße, sondern in schwülstige, orientalische Gemächer oder zumindest auf einen Basar.
Was jetzt kam, war der absolute Knaller, und ich vergaß völlig, weshalb ich hergekommen war. Den Namen hatte ich im Internet gelesen, Christof Engels, konnte aber nichts damit anfangen. Den Kerl mit den roten Haaren und den roten Augenbrauen hatte ich schon vor seinem Auftritt in Straßenkleidung gesehen, aber nicht geahnt, was da auf uns zukam. (@Marc: Den müsstest Du mal irgendwie Deiner Oma vorführen, vielleicht ändert sie dann ihre Meinung.
) Seinen Auftritt zu beschreiben, ist unmöglich, das muss man gesehen haben - keine Beschreibung kann dem gerecht werden. Also - das 'Wie' kann ich nicht wiedergeben, ich muss mich darauf beschränken, einfach aufzuzählen, was er gemacht hat: Er ist eine Mischung aus Clown, Pantomime, Hoch(ein)radfahrer und Jongleur. - Er jonglierte mit einer Grapefruit, einer Salatgurke und einer laufenden Kettensäge! Sie sah ein bisschen wie Plastik aus, aber er hat dann die Salatgurke damit durchgeschnitten. - Er hatte einen Koffer in der Hand, den er wegtragen wollte, der aber unverrückbar an der Stelle blieb, während er um ihn herumlief und 'versuchte', ihn zu schieben und zu ziehen. - Er jonglierte auf dem Hoch(ein)rad mit brennenden Fackeln, die er sich (bereits brennend) von einem Zuschauer zuwerfen ließ, während er ununterbrochen so tat, als würde er gleich herunterfallen. Er hatte nur sehr wenig Platz, überall waren Menschen, und er machte ständig Anspielungen darauf, wie gefährlich man in der ersten Reihe lebt. - Er sauste mit (und auch ohne) dem Hoch(ein)rad die steile Rollerstraße hinauf und hinunter, durch eine schmale Gasse, die ihm das Publikum lassen musste. - Er bezog alles, was passierte, in seinen Auftritt mit ein. Beispielsweise schepperten immer wieder umgefallene Flaschen die Straße hinunter, denn viele verschmähten die praktischen Hangbretter. Oder der Kameramann fiel eine Kellertreppe hinunter. Als der Tontechniker zwei Mal kurz hintereinander einen Fehler machte, sagte er vorwurfsvoll zu ihm: "Karl, das haben alle mitgekriegt!" Und dann zum Publikum: "Ich bitte um einen freundlichen Applaus für meinen EX-Tontechniker." - Er bezog ein paar Personen aus dem Publikum mit in seinen Auftritt ein, zwar so, dass es lustig war, aber ohne jemanden lächerlich zu machen. - Er war einfach großartig. Als er sein Feuerwerk der guten Laune abgebrannt hatte, war es halb zwölf und die Veranstaltung zu Ende. Während die Leute teils mit, teils ohne ihre Stühle abzogen, legte die Big Band noch einmal los. Einige Mitglieder der Band bekamen Gelegenheit für einen Solo-Auftritt, teilweise verließ der Dirigent das Podium und ließ seine Musiker einfach machen. Das war ein sehr schöner Schlusspunkt.
Als ich endlich seitlich an der Bühne vorbeiging, um die Straße zu überqueren, in der mein Auto stand, bin ich beinahe in Christof Engels' Koffer gefallen, den er gerade einräumte. Ich gratulierte ihm zu seinem gelungenen Auftritt, und er erzählte mir so viel, dass ich mir gar nicht alles merken konnte: Er kam gerade aus Berlin, wo er aufgetreten ist, Ende des Monats tritt er in Paris anlässlich der Leichtathletik-Weltmeisterschaften auf, vorher noch irgendwo an der holländischen Grenze, und auch bei den olympischen Spielen in Athen wird er einen Auftrittt haben. Gelernt hat er in der Zirkusschule in Budapest. Um den zu sehen, würde ich wieder 50 km fahren - oder auch mehr. Ich vergaß ganz, ihn zu fragen, ob es sein kann, dass ich ihn schon mal im Fernsehen gesehen habe, denn an den Wahnsinn mit der Kettensäge glaube ich mich dunkel zu erinnern.
Auch wenn ich mir das gaaaaanz anders vorgestellt hatte, es hat sich gelohnt.
Viele Grüße von Petra, die sich eigentlich kurz fassen wollte. *seufz*
@Andreas: Ich habe jetzt nicht mitgezählt, aber ich glaube schon, dass es ein paar mehr als 15 Zeilen geworden sind. Man sollte mich einfach nicht reizen.